Zeitschrift für Palliativmedizin 2003; 4(3): 85-92
DOI: 10.1055/s-2003-44295
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ärztliche Seelsorge am Ende des Lebens - Begleiten, Bedeutung geben und Begehen

Medicine and Spirituality at the End of LifeErhard  Weiher1 , Martin  Weber2
  • 1Katholische Klinikseelsorge der Universitätskliniken Mainz
  • 2III. Medizinische Klinik der Universitätskliniken Mainz (Direktor: Prof. Dr. Christoph Huber)
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Publication Date:
17 November 2003 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Zur palliativmedizinischen Betreuung gehört nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation auch das Eingehen auf die spirituellen Bedürfnisse unheilbar kranker Patienten. Der Begriff der Spiritualität beschreibt dabei die Sehnsucht des Menschen, seinem Leben Sinn und Bedeutung zu geben und es in ein größeres Ganzes einzuordnen. Die ärztliche Rolle in diesem Feld wird häufig unberücksichtigt gelassen. Methodik: Die vorliegende Arbeit untersucht, inwieweit sich eine ärztliche Seelsorge an dem von E. Weiher entwickelten Modell der drei Axiome seelsorglichen Sterbebeistands - Begleiten, Bedeutung geben und Begehen - orientieren kann. Ergebnisse: Für alle drei Grundsätze des seelsorglichen Sterbebeistands lassen sich Korrelate im ärztlichen Wirken finden, die als Eckpfeiler einer ärztlichen Seelsorge dienen können. Im „Begleiten” über den Weg empathischer Kommunikation gibt der Arzt seine Wertschätzung der Person des Patienten in ihrer Einzigartigkeit zu erkennen. „Bedeutung geben” als zweites Axiom findet seine Ausdrucksmöglichkeit im bewussten Eingehen auf die sinnstiftenden Identitätsmomente des Patienten. Das seelsorgliche „Begehen” des Sterbe- und Todesraums schließlich findet sein Korrelat in der bewussten Gestaltung und Fortführung der Visite und anderer ärztlicher Handlungen beim sterbenden Patienten, gerade wenn die funktionelle Relevanz dieser ärztlichen „Rituale” hinter ihre symbolische Bedeutung zurücktritt. Schlussfolgerungen: Im Begleiten, im Bedeutung geben und schließlich im Begehen des Sterbens sind dem Arzt als gesellschaftlich angesehenem Heiler und Helfer besondere Möglichkeiten gegeben, auf die spirituellen Bedürfnisse unheilbar kranker Menschen einzugehen. Die Integration der Palliativmedizin in die universitäre Ausbildung und in die ärztliche Weiterbildung könnte eine wichtige Basis dafür schaffen, dass diese Möglichkeiten tatsächlich als Chance für eine bis zuletzt „heilende Beziehung” zwischen Arzt und Patient wahrgenommen werden können.

Abstract

Background: Palliative Care - following the WHO definition - includes spiritual aspects of terminally ill patients. Spirituality in this context describes mans longing to give purpose and transcendent meaning to his life. However, the role of physicians in this field is rarely addressed. Method: This paper examines how physicians can integrate spiritual care in their daily practise in analogy to the model of the three axioms of pastoral care of the dying developed by E. Weiher: Companionship, giving meaning and help through rituals. Results: Correlatives in daily work of physicians can be found for each of the three axioms of pastoral care. By accompanying the patient through the way of empathic communication the physician shows his respect and appreciation for the unique person of the patient. „Giving meaning” finds its expression in the conscious addressing of biographical items which characterize the identity of the patient and may have an impact on his life. Finally the rituals by which the chaplain shapes the space of death and dying can find their correlatives in the conscious continuation of visiting patients and enforcement of other medical rituals whose functional relevance step back behind their symbolic significance. Conclusions: By companionship, giving meaning and finally by shaping the space of death and dying with medical rituals, special opportunities of spiritual care are reserved to the physician as socially respected healer and caregiver. Integration of palliative medicine into under- and postgraduate education could lead to a more holistic medical attitude which perceives these possibilities as a chance for a „healing relationship” up to death.

Literatur

1 Der einfacheren Lesbarkeit halber werden im Folgenden die männlichen Formen für „Arzt” und „Patient” benutzt.

Dr. Martin Weber

III. Medizinische Klinik · Universitätskliniken Mainz

55101 Mainz

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