ZFA (Stuttgart) 2003; 79(9): 419
DOI: 10.1055/s-2003-43061
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Beständigkeit und Qualität

Heinz-Harald Abholz1
  • 1Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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Publication Date:
22 October 2003 (online)

Dies ist das Motto unseres diesjährigen Hausärztetages. Mit ihm verbindet sich vielerlei.

Zum Beispiel die Sehnsucht nach einem Gesundheitssystem, das dieses bietet, anstelle dessen aber über Unbeständigkeit, Ungezieltheit, einem Hin und Her unqualifizierter Eingriffe und Rücknahmen von Eingriffen das Gegenteil erreicht: Eine zunehmende Demoralisierung derjenigen, die gutwillig in diesem System arbeiten wollten. Die Hausärzte erleben sich als Spielball der Politik, die über dauernde Kompromissbereitschaft nicht mehr in der Lage ist, Beständigkeit und Qualität zu bieten. Unbeständigkeit aber und die qualitätslose Hin- und Herruderei des Systems führen zum Teil zur Aufgabe bisheriger Beständigkeit und Qualität nach dem Motto: »Wenn denen alles sch...egal ist, dann mir auch.«

Beständigkeit und Qualität beschreibt - trotz oben skizzierter Erudierung - dennoch immer noch sehr gut hausärztliche, allgemeinmedizinische Arbeit. Ja, es ist sogar so, dass für viele Patienten die Definition des Hausarztes darin besteht, dass er beständig da ist, sowohl zeitlich als auch thematisch. Wir sind erreichbar, wir können alles gefragt werden. Die Hürde, uns gegenüber offen und auch einmal länger zu sprechen, ist nicht hoch.

Die Allgemeinmedizin ist das einzige Fach, das sehr früh mit der reflektierten Bearbeitung von Qualitätsmängeln über Qualitätszirkel, über die evidenzbasierte Leitlinienarbeit einen Schwerpunkt in der Qualitätssicherung gelegt hat. Sicherlich bleibt dennoch auch in unserem Fach noch viel zu tun, die Qualität weiter zu verbessern.

Dabei soll man sich jedoch immer vor Augen halten, dass das, was von Gegnern oder den Fachfremden als Qualitätsmangel beschrieben wird, sich in zwei Dinge aufteilt: Die echten Qualitätsmängel und diejenigen, die nur aus spezialistischer, das heißt eindimensionaler Sicht und nur auf Basis dieses Maßstabes als Qualitätsmangel erscheinen, es faktisch aber nicht sind. Sicherlich richtig ist es, dass unsere Patienten nicht alle ideal in ihrem HbA1c eingestellt sind, alle Patienten mit Schmerzen, die wir versorgen, nicht schmerzfrei sind etc. Nur ein kleiner Teil davon hat aber etwas mit unserer schlechten Qualität zu tun. Ein großer Teil hingegen hat etwas damit zu tun, dass Krankheit und - wie wir als Generalisten sagen - Kranksein eben nicht allein auf der Ebene von HbA1c oder einer Schmerzskala abbildbar ist. Andere Wertmaßstäbe der Patienten, der versuchte Ausdruck des Leids über den Schmerz etc., all dies macht eine eindimensionale Behandlungsbeurteilung für den Generalisten unsinnig.

Beständigkeit und Qualität ist jedoch auch eine Aufgabenbeschreibung für unser Fach. Wenn uns Beständigkeit auszeichnet und über diese Beständigkeit eine intensive und breite Kenntnis des Patienten erwächst, die mit einem hermeneutischen Fallverständnis überhaupt erst zu arbeiten erlaubt, dann wird es zur Bedrohung, wenn wir uns der Beständigkeit zunehmend entziehen. Sicherlich ist es verständlich und richtig, wenn wir mehr Freizeit haben wollen und unsere Notdienste im Verbund organisieren, nach der Sprechstunde nicht mehr erreichbar sein wollen etc. Nur nagen wir hiermit zunehmend mehr an unserer Beständigkeit und damit an dem, worüber uns der Patient identifiziert und schätzt.

Univ. Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

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