Endoskopie heute 2002; 15(2): 61-62
DOI: 10.1055/s-2002-33704
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hygiene in der Endoskopie

Hygiene in EndoscopyM. Jung, H.-J. Schulz
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. August 2002 (online)

Die Endoskopiker müssen Farbe bekennen. Der Hygiene und ihren Aufgaben Aufbereitung, Desinfektion und Sterilisation von Instrumenten und Zusatzinstrumentarium wurde über zu lange Zeit zu wenig Beachtung geschenkt. Patientengerechte Präparation von Endoskopen, Bedienung von Reinigungs- und Desinfektionsautomaten (RDA, sog. Waschmaschinen), Besorgung und Entsorgung von endoskopischem Zusatzmaterial wurde in den Zuständigkeitsbereich des endoskopischen Assistenzpersonals verlagert. Die Abläufe liefen sozusagen automatisch ab.

Noch immer besteht in vielen endoskopischen Institutionen diese Auffassung vor. Noch immer setzen sich zu wenige Endoskopiker mit dem Thema Hygiene in ihrem Arbeitsbereich auseinander. Denn in der Tat - Infektionen in der Endoskopie sind selten; oder vielleicht auch nur selten dokumentiert?

Nur bei etwa vier Prozent aller Patienten tritt, verbunden mit dem endoskopischen Eingriff eine Bakteriämie auf (Fröhlicher 1999). In ganz wenigen Fällen entsteht daraus ein ernstzunehmender Krankheitsfall. Das überrascht, denn die Übertragungsmechanismen können vielfältiger Natur sein. Der endoskopierte Patient kann über die Instrumente eine Infektion weitergeben, wenn das Aufbereitungsverfahren nur unzureichend durchgeführt wird oder wenn kontaminierte Lösungen zur Desinfektion verwandt werden.

Erst der spektakuläre Fall einer Hepatitis C-Übertragung eines Patienten auf ein Ehepaar durch koloskopische Biopsie und der detektivische Nachweis der gleichen Genomsequenz hat den Blick auf diesen Problembereich gelenkt (Bronowicki 1997). Das französische Transfusionszentrum hat unter Blutspendern 20 % mit einer Serokonversion zu HCV dokumentiert, die kurzzeitig zurückliegend eine endoskopische Untersuchung aufwiesen. Obwohl das Risiko einer Virusübertragung durch Endoskopie auch durch Folgestudien nicht zu erhärten war, werden seither alle Blutspender mit vorangegangener Endoskopie bis zu 6 Monaten von der weiteren Spende ausgeschlossen (Ponchon 1997).

Im endoskopischen Arbeitsbereich liegen keine sterilen Verhältnisse vor. Dies lässt schon die natürliche Keimbesiedlung des Verdauungstraktes nicht zu. Endoskope sind zudem komplexe Instrumente und nur auf hohem Niveau zu desinfizieren (High-level Disinfection). Einer Sterilisation wie im Autoklaven halten die komplexen Instrumente nicht stand. Daher muss die Reinigung von Endoskopen mit ihren langen und dünnen Kanälen besonders sorgfältig erfolgen, um Kontaminationen, Bakterienrasen und Rückstände in diesen Abschnitten zu eliminieren. Hier liegt die hygienische Schwachstelle für kompliziert aufgebaute Instrumente.

Offensichtlich funktioniert aber eine standardisierte Aufbereitung von Endoskopen und endoskopischem Zusatzmaterial. Klagen sind selten. Bakterielle Infektionen als direkte Folge einer endoskopischen Untersuchung oder eines endoskopischen Eingriffes sind nur kasuistisch und nicht in größeren Serien dokumentiert. In diesen Fällen ließen sich fast immer schwere Defizite im Reinigungs- und Desinfektionsprozess nachweisen. Auch virale Infektionen sind trotz der kürzlich veröffentlichten Kasuistiken selten. Demgegenüber steht, dass Übertragungen von Hepatitis-Viren erst nach Latenz von mehreren Monaten zum Krankheitsbild führen können und dann die Ursache häufig verwischt wird. Zusätzlich hat die BSE-Krise mit all ihren Problemen die Hygienefragen neu artikuliert. Prionen sind völlig unempfindlich auf herkömmliche Desinfektionsmittel, insbesondere auf aldehydische Substanzen. Glutaraldehyd ist aber das weltweit eingesetzte Referenzprodukt zur Reinigung und Desinfektion von Endoskopen. Den Vorteilen der Aldehyde stehen nicht unerhebliche Nachteile gegenüber. Sie führen zu Allergien und Gesundheitsschäden beim aufbereitenden Personal. Zudem fixieren Aldehyde Eiweißpartikel und Prionenproteine. Sie können damit potentiell einen Nährboden für Bakterien bilden oder aber zur Dauerpräsenz von Erregern in unzureichend gereinigten Instrumenten führen.

Zwei große Studien zur Aufbereitung von Endoskopen und von endoskopischem Zusatzmaterial sind in Deutschland in den vergangenen Jahren abgeschlossen worden. Sie waren die ersten weltweit prospektiv konzipierten Studien in der Endoskopie überhaupt. Die Münchener HYGEA-Studie hat den Ist-Zustand der Aufbereitung in endoskopischen Abteilungen und Praxen untersucht und für Aufsehen gesorgt. Das Ergebnis war ernüchternd. Über 50 % der überprüften Instrumente wurden hygienisch beanstandet. Der Rest-Keimanteil war mitunter erstaunlich hoch. Im Vorteil waren Institutionen, die die maschinelle Aufbereitung und damit einen standardisierten, nicht personalbeeinflussbaren Zyklus bevorzugt hatten.

Eine deutsche Multicenterstudie mit dem Ziel, die Sterilisation von Biopsiezangen aus den Kolon zu überprüfen, hatte ein überraschend positives Ergebnis. Über 95 % aller nach einmaligem und mehrmaligem Gebrauch untersuchten Zangen waren steril. Die bakterielle Kontamination mit Keimen aus dem Kolon war vernachlässigbar. Vor allem hat diese Studie gezeigt, dass Biopsiezangen auch nach Exposition aus einem stark verkeimten Milieu effektiv aufbereitet werden können, wenn nach einem strikten Protokoll unter rigoroser Beachtung der Aufbereitungsregeln gearbeitet wird.

Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut (RKI) hat in diesem Jahr (4/2002) zwei umfangreiche Empfehlungen „zur Aufbereitung flexibler Endoskope, zu flexiblem Zusatzinstrumentarium und zu baulichen Voraussetzungen für Endoskopieeinrichtungen” herausgegeben. Ferner wurden nach Einberufung einer Task force Maßnahmen für eine „Minimierung des Risikos einer iatrogenen Übertragung der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung” auch für den endoskopischen Bereich dargelegt. Die Empfehlungen gehen eindeutig auf eine maschinelle Aufbereitung von Endoskopen hinaus, lassen aber die manuelle Aufbereitung unter strikten Auflagen zu. Da Aldehyde bislang noch nicht adäquat ersetzbar sind, werden Sie für den Desinfektionsprozess von Endoskopen, nicht aber für deren Reinigungsschritt vorgeschrieben. Für jede Aufbereitung gelten die fünf Arbeitsschritte Vorreinigung - Reinigung - Zwischenspülung - Desinfektion - Schlussspülung. Auf die Bürstenreinigung der empfindlichen Endoskopkanüle wird vor allem im Hinblick auf die Prionenproblematik besonderer Wert gelegt. Die Bürstenreinigung der Endoskope wird als entscheidender Schritt herausgestellt. Nur wer sorgfältig reinigt, schafft die Voraussetzungen für eine optimale Desinfektion.

Für endoskopisches Zusatzmaterial gelten ähnlich strikte Bedingungen wie für die Aufbereitung von Endoskopen. Prinzipiell können aber Einmalartikel verwandt werden, um das Problem einer Wiederaufbereitung zu umgehen. Noch sind die Kosten für Einmalartikel nicht gering.

Endoskopische Abteilungen haben den besonderen hygienischen Maßnahmen Rechnung zu tragen. Dort, wo endoskopische Diagnostik und Therapie betrieben wird, sind nicht nur für die Hygiene selbst, sondern auch für den baulichen Rahmen besondere Auflagen zu erfüllen. Ein eigener Endoskopie-Aufbereitungsraum, der sinnvollerweise Organbereiche wie Koloskopie und ERCP trennt, ist Pflicht. Endoskopische Abteilungen haben sich bei der Neuetablierung oder Renovierung vor allem an den baulichen Maßnahmen zu orientieren.

Der Stellenwert der Endoskopie in der Diagnostik und Therapie von Erkrankungen des Verdauungstraktes ist unübertroffen. Durch endoskopische Feindiagnostik werden täglich symptomlose Frühkarzinome am Verdauungstrakt diagnostiziert und abgetragen. Durch endoskopische Techniken werden mit vergleichsweise minimalem Aufwand (z. B. Blutstillung, Sphinkterotomie) Leben gerettet und kritische Situationen entschärft. Keine Untersuchungstechnik kann so sicher und so ökonomisch Diagnostik und Therapie in einem Arbeitsgang verbinden. Um so mehr gilt es, das Auge für den hygienischen Bereich zu schärfen und die Sensibilität im Umgang mit diesen empfindlichen Geräten zu fördern. Die derzeitigen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts geben eine klare Anleitung, wie endoskopische Eingriffe hygienisch einwandfrei gestaltet werden können. Sie erfordern eine strikte Beachtung, um die Endoskopie nicht in ein falsches Licht zu rücken und eine mangelnde Akzeptanz unter Patienten hervorzurufen.

Michael Jung, Mainz

Hans-Joachim Schulz, Berlin

Prof. Dr. med. M. Jung

Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin

St. Hildegardis Krankenhaus

Hildegardstr. 2

55131 Mainz

Prof. Dr. med. H. J. Schulz

Direktor der Klinik für Innere Medizin

Krankenhaus Lichtenberg

Fanninger Str. 32

10365 Berlin

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