Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(8): 476
DOI: 10.1055/s-2002-33170
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

EditorialA. Junger, G. Hempelmann
  • Abteilung Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Justus-Liebig-Universität Gießen
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Publication Date:
07 August 2002 (online)

Die folgenden Beiträge wurden anlässlich des Symposiums „Datenmanagement in der Anästhesie und Intensivmedizin”, das am 11. - 12. Mai 2001 im Schloss Rauischholzhausen stattfand, erstellt. Diese Tagung fand vor dem Hintergrund einer Reform unseres Gesundheitswesens statt, die von den Begriffen Kostendruck und Kostenbegrenzung geprägt ist. Das „Fallpauschalengesetz” wurde im März diesen Jahres im Bundesrat verabschiedet und bringt mit der Einführung eines neuen Vergütungssystems und der Verpflichtung zur Qualitätssicherung bisher nicht da gewesene Veränderungen.

Die geplante Einführung eines flächendeckenden pauschalierenden Entgeltsystems im Jahre 2003 stellt auch für die Anästhesie und Intensivmedizin eine große Herausforderung dar [2] [3]. In diesen German Refined Diagnoses Related Groups (GR-DRGs) sind die beiden Fachrichtungen stark unterrepräsentiert [4]. Obwohl in der Intensivmedizin 20 % der Krankenhauskosten entstehen [1], spielten innerhalb der GR-DRGs für die Fachrichtung Intensivmedizin lediglich die Tracheotomie und Beatmungsdauer eine entscheidende Rolle. Dieses neue Entgeltsystem führt dazu, dass immer mehr Krankenhäuser eine interne Leistungsverrechnung implementieren. Innerhalb dieser internen Budgetierung wird es für die Anästhesie und Intensivmedizin entscheidend sein, die erbrachten Leistungen aufzuzeigen, um wiederum für die Patientenversorgung ein adäquates Budget von den Kostenerstattern zu erlangen. Hierfür benötigen wir entsprechende leistungsfähige Dokumentationsinstrumente.

In der freien Wirtschaft sind erfolgreiche Betriebe ohne elektronische Datenverarbeitung (EDV) nicht mehr vorstellbar. Controlling und Qualitätsmanagement ohne verlässliche Daten sind zum Scheitern verurteilt. Dies wirkt sich unweigerlich auf die Konkurrenzfähigkeit des jeweiligen Unternehmens aus. Zudem spielt heute die computergestützte Informationstechnologie für wichtige Entscheidungen und Geschäfte eine wesentliche Rolle. Dagegen hat sich in der medizinischen Datenverarbeitung kaum etwas verändert. So ist bis heute die manuelle Papier-Dokumentation und -Kommunikation die noch am weitesten verbreitete Methode. Im Verlauf der Jahre wurde weder eine Rationalisierung noch eine Ökonomisierung des Arbeitsplatzes erkennbar. Zwar unterliegen Daten medizinischer Arbeitsabläufe einem sehr hohen Komplexitätsgrad, doch in einer hochtechnisierten, modernen Medizin ist es jedoch sehr wohl vorstellbar, nicht nur in Zukunft sondern auch schon heute mit Hilfe moderner Datenverarbeitung die Diagnostik, die Kommunikation und die Dokumentation zu verbessern. Aus den Beiträgen wird klar, dass in der täglichen Routine und Praxis sich trotz weitgehend erfüllter technischer Voraussetzungen klinische Online-Arbeitsplätze mit einer möglichst vollständigen digitalen Krankenakte für den Routinebetrieb bisher nicht flächendeckend etablieren konnten. Neben abteilungspolitischen, organisatorischen und finanziellen Gründen sind hierfür auch Eigenschaften der verwendeten Systeme verantwortlich.

Der zunehmende Einsatz computergestützter Systeme in unserem Fach verändert den klassischen klinischen Arbeitsplatz. Über eine digitale Patientenkurve können wir die erhobenen Patientendaten in einer zentralen Patientenakte speichern. Darauf basierend ermöglicht uns diese neue Dokumentation über vernetzte Computersysteme, unser medizinisches Wissen und unsere erhobenen Befunde an Kollegen - innerhalb und natürlich auch außerhalb der Abteilung - durch den Einsatz von Telekommunikationssoftware weiterzugeben. Ein wesentlicher Effekt der Einführung von DV-Systemen ist die Neuorganisation von Arbeitsprozessen. Dies schafft Kostentransparenz und wirkt homogenisierend in der Klinik durch Anpassung der gemeinsamen Datenverarbeitung. Somit wird der Forderung nach Standards als eine der Grundvoraussetzungen der Qualitätssicherung entsprochen. Qualität ist das wesentliche Argument, das wir den Kostenträgern als Legitimation für bestimmte Kosten entgegenstellen können. Um dieses Argument zu formulieren, benötigen wir auch hier valides, umfassendes Datenmaterial.

Die wirtschaftliche Entwicklung von Anästhesie- und Intensivabteilungen als „Dienstleistungsbetriebe” wird nur dann effektiv sein, wenn praktikable und für den Routineeinsatz geeignete Datenverarbeitungs- und Telekommunikationssysteme die Arbeitsprozesse unterstützen. Das gleiche gilt für Kompetenznetzwerke und Praxisnetze zur Optimierung, Ökonomisierung und Qualitätssteigerung der gemeinsamen Patientenversorgung. Die Entwicklung und flächendeckende Implementierung dieser Systeme in der ambulanten und stationären klinischen Routine ist eine Aufgabe, die nur in enger Kooperation zwischen Klinikern, Informatikern und Technikern bewältigt werden kann.

Literatur

  • 1 Barckow D. Wirtschaftliche Grenzen in der Intensivmedizin - Können wir uns Intensivmedizin im Jahre 2000 noch leisten?.  Z Ärztl Fortbild Qualitätssich. 2000;  94 828-833
  • 2 Clade H. Krankenhäuser: Rahmenbedingungen für Fallpauschalen.  Dt Ärztebl. 2000;  97 A-2816
  • 3 Roetman B, Zumtobel V. Klinische Informationssysteme: Strategien zur Einführung.  Dt Ärztebl. 2001;  98:A 892
  • 4 Schleppers A. Der Weg von den Australian Refined DRGs zum German Refined DRG-System. Teil 3.  Anästh Intensivmed. 2001;  42 697-698

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Dr. h.c. G. Hempelmann

Abteilung Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Justus-Liebig-Universität

Rudolf-Buchheim-Straße 7

35385 Gießen

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