Aktuelle Neurologie 2002; 29: 12-14
DOI: 10.1055/s-2002-27808
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Forcierte Normalisierung: Was ist alt, was ist neu?

Forced Normalisation: What is Old, What is New?Michael  Trimble1
  • 1Institute of Neurology, National Hospital for Neurology, London
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Publication Date:
03 May 2002 (online)

Die „forcierte Normalisierung” beschreibt ein seit Mitte des letzten Jahrhunderts bekanntes Phänomen. Der Begriff wurde 1953 von Heinrich Landolt geprägt [1] [2], der zu jener Zeit als leitender Arzt in der Schweizer Epilepsie-Klinik in Zürich tätig war. Landolt hatte mit der damals noch jungen Methode des EEG serielle Untersuchungen bei seinen Epilepsiepatienten durchgeführt, insbesondere bei solchen Patienten mit rezidivierenden psychischen Störungen. Dazu gehörten auch Patienten mit schizophreniformen Psychosen.

Landolt hatte erwartet, dass sich das EEG parallel zu dem Auftreten einer psychischen Störung verschlechtert und sich nach deren Remission wieder bessert. Solche Verläufe kamen durchaus vor; daneben registrierte Landolt aber auch andere, unerwartete Veränderungen des EEG.

Aufgrund seiner Beobachtungen definierte Landolt vier Beziehungsmuster zwischen einer Psychose oder einer andersartigen psychiatrischen Komplikation bei Epilepsie und dem dazugehörigen EEG:

Der postparoxysmale Dämmerzustand: ein typischer postiktaler Zustand begleitet von einer diffusen Delta-Theta-Dysrhythmie über beiden Hemisphären. Der Petit-mal-Status: ein durch eine Bewusstseinsverschiebung? charakterisierter Zustand mit kontinuierlicher Spike-wave-Aktivität im EEG. Psychoorganische Episoden: Zustände mentaler Abstumpfung, die mit einer diffusen, langsamen Dysrhythmie im EEG einhergingen.

Mit dem 4. Beziehungsmuster beschrieb Landolt die forcierte Normalisierung. Darunter verstand Landolt primär ein EEG-Phänomen: Mit dem Auftreten einer Psychose oder einer Verschlechterung des psychischen Zustands kommt es zu einer Verbesserung oder Normalisierung des EEG (insbesondere hinsichtlich der epileptischen Aktivität) im Vergleich zu EEG, die vor Auftreten oder nach Abklingen der psychiatrischen Störung abgeleitet werden.

Literatur

  • 1 Landolt H. Some clinical electroencephalographical correlations in epileptic psychoses (twilight states).  Electroenceph Clin Neurophysiol. 1953;  5 121
  • 2 Landolt H. Serial electroencephalographic investigations during psychotic episodes in epileptic patients and during schizophrenic attacks. In: Lorentz de Haas AM (eds) Lectures on epilepsy. Amsterdam; Elsevier 1958: 91-133
  • 3 Tellenbach H. Epilepsie als Anfallsleiden und als Psychose. Über alternative Psychosen paranoider Prägung bei „forcierter Normalisierung” (Landolt) des Elektroenzephalogramms Epileptischer.  Nervenarzt. 1965;  36 190-202
  • 4 Janz D. Die Epilepsien. Spezielle Pathologie und Therapie. Stuttgart; Georg Thieme Verlag 1969 2. Aufl. 1997
  • 5 Neimanis G. Klinische und morphologische Befunde bei vier Fällen von psychomotorischer Epilepsie.  Dtsch Z Nervenheilkd. 1962;  193 528
  • 6 Thomas L, Trimble M R, Schmitz B, Ring H A. Vigabatrin and behaviour disorders: A retrospective study.  Epilepsy Research. 1996;  25 21-27
  • 7 Schmitz B, Wolf P. Psychosis with epilepsy: Frequency and risk factors.  J Epilepsy. 1995;  8 295-305
  • 8 Wolf P. The clinical syndromes of forced normalisation.  Fol Psychiat Neurol Jpn. 1984;  38 187-192

Prof. Michael Trimble

Institute of Neurology

London

WC1N3BG · England

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