Klin Monbl Augenheilkd 2001; 218(9): 583-585
DOI: 10.1055/s-2001-17634
EDITORIAL

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sir Nicholas Harold Lloyd Ridley: Pionier der Intraokularlinse

Sir Nicholas Harold Lloyd Ridley: Pionier of intraocular lensDavid  J. Apple, Josef  M. Schmidbauer
  • Center for Research on Ocular Therapeutics and Biodevices, Storm Eye Institute, Department of Ophthalmology,
  • Medical University of South Carolina,167 Ashley Avenue. P.O. Box 250676, Charleston SC 29425-2236, USA,
  • E-mail: appledj@musc.edu
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. Oktober 2001 (online)

“The greatest fear known to man is a new idea. If you have strong reasons to believe in your ideas, have confidence - face the brickbats and go ahead.”Harold Ridley

Am Freitag, dem 25. Mai 2001, verstarb der Pionier der Intraokularlinse, Sir Nicholas Harold Lloyd Ridley (Abb. [1]), im Alter von 94 Jahren. Sir Ridley implantierte 1949/50 die erste Intraokularlinse [1] [6] [7] [8] [9] [14] [15]. Er hatte beobachtet, dass Augen der Kampfpiloten des 2. Weltkrieges auf Plexiglassplitter aus der Pilotenkanzel keine Reizung entwickelt hatten. Die Umsetzung dieser Beobachtung und die Erfindung der Intraokularlinse war eine der wichtigsten Neuerungen der Augenheilkunde im 20. Jahrhundert [1] [2] [3] [4] [5] [16] [17].

Die erste Operation wurde bei einer 45-Jährigen im St. Thomas Hospital, London, zweizeitig durchgeführt. Die extrakapsuläre Kataraktextraktion erfolgte am 29. November 1949 [6] [7] [8] [9], die erste Kunstlinse setzte Ridley dann als Sekundärimplantation am 8. Februar 1950 ein, nachdem das Auge vollkommen reizfrei war. Die Linse war von der Firma Rayner, Ltd., London, hergestellt worden.

Sir Nicholas Harold Lloyd Ridley, K.B., M.A., M.D., Cantab. (Cambridge); F.R.C.S., England; D.H.L. Medical University of South Carolina, Charleston; D.S. City University of London; Fellow of the Royal Society, wurde am 10. Juli 1906 in Kibworth, Leicestershire, geboren. Nach seinem Studium in Cambridge setzte er seine medizinische Ausbildung 1927 am St. Thomas Hospital in London fort. 1938 wurde er zum „Full Surgeon” und „Consultant” am Moorfields Eye Hospital ernannt. 1941 trat er als Major in das „Royal Army Medical Corps” ein und wurde nach Ghana abkommandiert. In dieser Zeit erstellte er seine Arbeit über okuläre Onchozerkiasis, die 1945 veröffentlicht wurde [10]. Die retinalen Veränderungen der Onchozerkiasis werden seitdem auch als „Ridley Fundus” bezeichnet.

Neben seiner tropenmedizinischen Arbeit und noch vor der Idee der Intraokularlinse war er auch auf anderen augenheilkundlichen Sektoren innovativ. Er übertrug als erster ophthalmochirurgische Eingriffe auf den Bildschirm und stellte Systeme für retinologische Untersuchungen her [11] [12] [13].

Die erfolgreiche Implantation der ersten Kunstlinse stellte den Anfang einer neuen Ära der operativen Augenheilkunde dar. Die durch Sir Ridley begonnene Entwicklung der Intraokularlinse kann von 1949 bis jetzt in sechs Generationen eingeteilt werden:1. die Ridley-Linse 1949 - 1954

2. frühe Vorderkammerlinsen 1952 - 1962

3. irisgestützte Linsen 1953 - 1973

4. Übergang zu modernen Vorderkammer-linsen 1963 - 1992

5. Übergang zu und Fortentwicklung der Hinterkammerlinsen 1977 - 1992

6. moderne Intraokularlinsen 1992 - jetzt

Die Idee, die getrübte natürliche Linse durch eine künstliche zu ersetzen, gab es zwar schon sehr viel früher [1], aber die Erfindung der Intraokularlinse und deren Implantation sind allein das Verdienst von Sir Ridley. Er stellte das neue Verfahren an 2 Patienten am 9. Juli 1951 während eines ophthalmologischen Kongresses in Oxford vor. Wenige Kollegen, darunter Peter Choyce, unterstützten Ridley von Anbeginn. Seine Arbeit stieß zunächst in Europa und den Vereinigten Staaten auf breite Ablehnung. Die Kapazitäten der damaligen Zeit, wie Duke-Elder und Vail, nahmen eine konservative und ablehnende Haltung gegen die Methode [18] ein, zumal auch nur geringes Datenmaterial über tierexperimentelle Studien und Materialanalysen verfügbar waren. Etliche Kollegen bezeichneten die Ridley-Linsen gar als „Zeitbomben”. Sir Ridley musste jahrelang um Anerkennung für seine Intraokularlinse kämpfen.

1986 wurde Sir Ridley zum „Fellow of the Royal Society” ernannt. Seine erste akademische Ehrung war 1989 die Ehrendoktorwürde „Doctor of Humane Letters” (DHL), verliehen von der Medical University of South Carolina, Charleston (Abb. [2]). 1992 erhielt er die Gullstrand-Medaille und 1994 die Gonin-Medaille. Im September 1999 trat die Firma Rayner an den Premierminister Tony Blair mit dem Vorschlag heran, Harold Ridley mit einer nationalen Ehrung zu würdigen. Nach Empfehlungen mehrerer bekannter Ophthalmologen und Wissenschaftler, darunter Sir Aaron Klug, Prof. Dr. David J. Apple, Prof. Dr. Thomas Neuhann und Dr. Peter Choyce wurde Harold Ridley am 1. Januar 2000 von der englischen Königin zum Ritter geschlagen (Abb. [3]).

Heutzutage implantieren Augenärzte weltweit und „routinemäßig” Intraokularlinsen in hoher Stückzahl. Die Erinnerung an die außerordentliche Anstrengung von Sir Ridley und zahlreichen anderen über viele Jahre hinweg, diese Technik zu etablieren, sollte erhalten bleiben. Die Erfindung hat nicht nur die visuelle Rehabilitation der Kataraktpatienten optimiert, die Intraokularlinse hat auch die Augenheilkunde als Fachgebiet entscheidend bereichert. Außerdem entstand um diesen erfolgreichen Eingriff eine weitläufige industrielle Landschaft.

Sir Ridley verbrachte seinen Lebensabend mit seiner Ehefrau Elisabeth in einem idyllischen Cottage in Stapleford, Wiltshire. Er verstarb im Alter von 94 Jahren, am 25. Mai 2001, an einem hämorrhagischen Hirninfarkt.

Trotz der Tatsache, dass die Operation nun schon millionenfach ausgeführt wurde, sollte die Linsenimplantation nicht als „Routineeingriff” oder als „einfacher Eingriff” bezeichnet werden. Wir möchten an dieser Stelle einen dankbaren Patienten von Dr. Robert Drews aus St. Louis zitieren:“Even when a miracle becomes routine, it still remains a miracle.”

Sir Harold Ridley gebührt der Dank, diesem Wunder den Weg bereitet zu haben.

David J. Apple, Josef M. SchmidbauerCharleston SC, USA, Homburg/Saar

Literatur

  • 01 Apple  D J, Sims  J C. Harold Ridley and the Invention of the Intraocular Lens.  Surv Ophthalmol. 1995;;  40: 279-292.
  • 02 Apple  D J, Mamalis  N, Loftfield  K, et al. Complications of intraocular lenses: A historical and histopathological review.  Surv Ophthalmol. 1984;;  29: 1-54.
  • 03 Apple  D J, Kincaid  M C, Mamalis  N, Olson  R J. Intraocular Lenses. Evolution, Designs, Complications, and Pathology. Williams & Wilkins, Baltimore, MD; 1989.:
  • 04 Apple  D J, Reidy  J J, Googe  J M, Mamalis  N, Novak  L C, Loftfield  K, Olson  R J. A Comparison of Ciliary Sulcus and Capsular Bag Fixation of Posterior Chamber Intraocular Lenses.  J Am Intraocul Implant Soc. 1985;;  11: 44-63.
  • 05 Apple  D J, Solomon  K D, Tetz  M R, et al. Posterior capsule opacification.  Surv Ophthalmol. 1992;;  37: 73-116.
  • 06 Ridley  N HL. Artificial intraocular lenses after cataract extraction.  St. Thomas' Hospital Reports. 1951;;  7: 12-14.
  • 07 Ridley  N HL. Intraocular acrylic lenses.  Trans Ophthalmol Soc UK & Oxford Ophthalmological Cong. 1951;;  71: 617-621.
  • 08 Ridley  N HL. Intraocular acrylic lenses - A recent development in the surgery of cataract.  Br J Ophthalmol. 1952;;  36: 113-122.
  • 09 Ridley  N HL. Intraocular acrylic lenses after cataract extraction.  The Lancet. 1952;;  1: 118-119.
  • 10 Ridley  N HL. Ocular onchocerciasis.  Br J Ophthalmol (Suppl). 1945.; 
  • 11 Ridley  H. Television in Ophthalmology.  International Congress Ophthalmol. 1950;;  p. 1397-1404.
  • 12 Ridley  H. The improved flying spot electronic ophthalmoscope.  Trans Ophthalmol Soc UK. 1960;;  79: 585-589.
  • 13 Ridley  H. Recent methods of fundus examination including electronic ophthalmoscopy.  Trans Ophthalmol Soc UK. 1952;;  72: 497-509.
  • 14 Ridley  N HL. The cure of aphakia, 1949. Intraocular Lens Implantation. Toronto, Rosen, Haining, Arnott (Hrsg.). CV Mosby, St. Louis, MO; 1984;: p. 37-41.
  • 15 Ridley  N HL. The true pioneers of intraocular implants,. Foreward to Apple DJ, et al. In: Intraocular Lenses: Evolution, Designs, Complications and Pathology. Williams & Wilkins, Baltimore, MD; 1989.:
  • 16 Rosen  E. History in the making. Father of the Intraocular Lens. Editorial.  Eur J Implant Refract Surg. 1997;;  23: 2-5.
  • 17 Rosen  E, Philipson  B. Gullstrand Lecture, Stockholm 1992: Mr. Harold Ridley.  Eur J Implant Ref Surg. 1993;;  5: 4-7.
  • 18 Vail  D. Discussion of Ridley H: Further observations on intraocular acrylic lenses.  Trans Am Acad Ophthalmol Otolaryngol. 1953;;  57: 104.
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