Rehabilitation (Stuttg) 2001; 40(4): 217-225
DOI: 10.1055/s-2001-15992
ORIGINALARBEIT
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Multiperspektivische Einschätzungen zur Wahrscheinlichkeit der Wiedereingliederung von Patienten ins Erwerbsleben nach orthopädischer Rehabilitation - Ergebnisse und prognostische Relevanz

Multiperspective Estimates on the Probability of Patient Return to Work Following Orthopaedic Rehabilitation: Findings and Predictive RelevancyW. Bürger, S. Dietsche, M. Morfeld, U. Koch
  • Arbeitsgruppe „Reha-Forschung”, Abteilung Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Zusammenfassung.

Im vorliegenden Beitrag werden verschiedene Möglichkeiten untersucht, bei Rehabilitanden die Rückkehr ins Erwerbsleben vorherzusagen. Dabei werden verschiedene Fragebogenitems für Patienten, Angaben der behandelnden Reha-Mediziner, der niedergelassenen Ärzte und Fehlzeiten im Jahr vor der Reha-Maßnahme verglichen. Es zeigt sich, dass insgesamt 72 % der Rehabilitanden nach einem Jahr erfolgreich ins Erwerbsleben wiedereingegliedert werden konnten. Die zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgreich Wiedereingegliederten konnten am besten durch die Frage identifiziert werden, ob sie meinen, bis zum Rentenalter berufstätig sein zu können (96 % richtige Vorhersage) sowie durch die Einschätzung des Reha-Mediziners, in welchem zeitlichen Umfang und mit welchem Schweregrad die letzte ausgeübte Tätigkeit wieder aufgenommen werden kann (90 % richtige Vorhersage). Bei diesen Fragen müssen die Kriterien sehr streng festgelegt werden, um Risikopatienten hinreichend genau herausfiltern zu können. Die erfolgreich Wiedereingegliederten können am besten durch die fehlende Intention zur Rentenantragstellung (96 %), die Angabe, die Erwerbstätigkeit unmittelbar nach der Reha wieder aufnehmen zu wollen (88 %), und geringe Arbeitsunfähigkeitszeiten vor der Reha (86 %) identifiziert werden. Insgesamt lassen sich mit den Angaben von Patienten und Reha-Medizinern zu einem sehr großen Anteil Risikopatienten für eine nicht erfolgreiche Wiedereingliederung identifizieren. Die Angaben der Hausärzte eignen sich deutlich weniger für Prognosen und korrelieren nur schwach mit den vergleichbaren Angaben der Reha-Mediziner.

Multiperspective Estimates on the Probability of Patient Return to Work Following Orthopaedic Rehabilitation: Findings and Predictive Relevancy.

This article analyses various methods of predicting whether patients in orthopaedic rehabilitation will return to work. In this regard, items of patients, physicians in charge of rehabilitation and general practitioners have been collected and compared to working time lost due to illness. In total, 72 % of patients had successfully returned to work after one year. The patients whose reintegration could not be achieved could be identified best by asking if they believed that they would be in a position to work until the statutory retirement age (96 % identified) on the one hand and on the other hand by the physicians' estimate as to the degree the last gainful activity might be resumed (90 % identified). In this context, the criteria have to be laid down very restrictively in order to sufficiently filter out patients not likely to return to work. The patients likely to return to work are identified best by means of the following characteristics: lack of intention to retire early (96 % identified), planning to return to work directly after rehabilitation (88 % identified), and little working time lost due to illness prior to rehab (86 % identified). In general, a major percentage of patients not likely to return to work can be identified by these statements of patients and physicians. The statements of general practitioners are clearly less valuable for prediction and show only weak correlation with the respective statements of the physicians in charge of rehabilitation.

Literatur

  • 1 Behrend C (Hrsg). Frühinvalidität - ein Ventil des Arbeitsmarktes? Beiträge zur Gerontologie und Altenarbeit. Berlin; Deutsches Zentrum für Altersfragen 1994
  • 2 Behrens J. Rückkehr zur Arbeit: Konzepte, Schwachstellen und Möglichkeiten der Verbesserung (Statement). In: Tagungsband, „Evaluation in der Rehabilitation” 6. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, März 1996 in Bad Säckingen. DRV-Schriften, Band 6.  Frankfurt/Main; VDR 1996: 287-291
  • 3 Behrens J, Dreyer-Tümmel A. Ermittlung von Indikatoren der Rehabilitationsbedürftigkeit aus Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Daten).  Deutsche Rentenversicherung. 1995;  (7 - 8) 413-443
  • 4 Beutel M, Kayser E, Vorndran A, Farley A, Bleichner F. Die integrierte berufliche Belastungserprobung in der medizinischen Rehabilitation - Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel der psychosomatischen Rehabilitation.  Die Rehabilitation. 1998;  37 85-92
  • 5 Biefang S, Gerdes N, et al. Prädiktoren der Frühberentung und gezielte Zuweisung zur medizinischen Rehabilitation.  Sozial- und Präventivmedizin. 1990;  35 129-137
  • 6 Biefang S, Potthoff P, Bellach B, Buschmann-Steinhage R. Predictors of early retirement for use in a screening to detect workers in need of rehabilitation.  Intern J Rehab Research. 1998;  21 1-28
  • 7 Broda M, Bürger W, Dinger A, Massing H. Die Berus-Studie. Zur Ergebnisevaluation der Therapie psychosomatischer Störungen bei gewerblichen Arbeitnehmern. Berlin, Bonn; Westkreuz 1996
  • 8 Bürger W. Arbeit, Psychosomatik und medizinische Rehabilitation. Eine Längsschnittuntersuchung. Bern; Huber 1997
  • 9 Bürger W. Positive und gesundheitsfördernde Aspekte der Arbeit und ihre Bedeutung für Patienten in medizinischer Rehabilitation. Themenheft Medizinische Rehabilitation, hrsg. v. F. Petermann.  Zeitschr Gesundheitspsychologie. 1998;  6 (3) 137-150
  • 10 Bürger W. Rahmenkonzeption für berufsbezogene Behandlungsangebote in der medizinischen Rehabilitation.  Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis. 1999;  31 (1) 9-21
  • 11 Bürger W, Koch U. Arbeitsbelastungen und ihre Bedeutung für Patienten zu Beginn von stationärer psychosomatischer Fachbehandlung.  Zeitschr Med Psychol. 1995;  2 66-78
  • 12 Bürger W, Dietsche S, Morfeld M, Koch U. Ambulante und stationäre orthopädische Rehabilitation im Vergleich - Ergebnisse einer Multicenter-Studie. Abschlussbericht einer Studie im Auftrag der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger. Hamburg: (in Vorbereitung);
  • 13 Bürger W, Schulz H, Glier B, Rodewig K, Koch U. Berufsbezogene Angebote in der Psychosomatischen Rehabilitation: Bedarf und Konzeption.  Deutsche Rentenversicherung. 1997;  (9 - 10) 548-574
  • 14 Hillert A, Cuntz U, Froben B, Heldwein C, Fichter M. Die Belastungserprobung im Rahmen der stationären verhaltenstherapeutischen Behandlung chronifizierter psychosomatischer Störungen. In: Tagungsband, „Evaluation in der Rehabilitation” 6. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, März 1996 in Bad Säckingen. DRV-Schriften, Band 6.  Frankfurt/Main; VDR 1996: 221-222
  • 15 Plassmann R, Färber K. Rentenentwicklung bei psychosomatisch Kranken.  Rehabilitation. 1995;  34 23-27
  • 16 Potthoff P, Biefang S, Bellach B, Buschmann-Steinhage R. Ein „Index der Rehabilitationsbedürftigkeit” für ein Screening rentenversicherter Arbeitnehmer.  Gesundheitswesen. 1997;  59 362-371
  • 17 Sandweg R, Sänger-Alt C, Rudolf G. Psychopathologischer Befund und Behandlungsergebnisse bei Rentenantragstellern.  Nervenarzt. 1992;  63 539-544
  • 18 Schott T. „Reha vor Rente”? - Zur Bedeutung der persönlichen Einstellung für die Wiederaufnahme der Arbeit. In: Schott T, Badura B, Schwager H-J, Wolters P (Hrsg) Neue Wege in der Rehabilitation.  Weinheim; Juventa 1996: 182-194
  • 19 Schmidt-Traub S. Arbeitsrehabilitation - Baustein ambulanter Psychotherapie.  Psychotherapeutische Praxis. 2001;  (1) 2-24
  • 20 Schwickerath J, Berrang F, Kneip V. Mobbing: Interaktionelle Problembereiche am Arbeitsplatz - Psychosomatische Reaktionsbildungen und Behandlungsansätze.  Praxis der Klinischen Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 2000;  50 28-46
  • 21 Schuntermann M F, Weber-Falkensammer H. Die BU-/EU-Berentlichkeit Pflichtversicherter infolge von Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes unter Berücksichtigung der Rehabilitationsanamnese.  Deutsche Rentenversicherung. 1988;  (4 - 5) 301-317
  • 22 Silomon H. Arbeitsunfähigkeit. In: Rauschelbach HH, Jochheim K-A (Hrsg) Das neurologische Gutachten.  Stuttgart; Thieme 1984: 71-86
  • 23 Stevens A, Förster K. Diagnostik und Umgang mit neurotischen Arbeitsstörungen (vor dem Rentenantrag).  Nervenarzt. 1995;  66 811-819
  • 24 Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg). Kommission zur Weiterentwicklung der medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung. Abschlussberichte I-VII.  Frankfurt/Main; VDR 1991
  • 25 Wittmann W W, et al. Antragsverhalten hinsichtlich Berentung wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (Abschlussbericht). Frankfurt/Main; VDR 1990

Korrespondenzanschrift:

Dr. phil. Wolfgang Bürger,Dipl.-Psych. 

Arbeitsgruppe „Reha-Forschung”
Abteilung Medizinische Psychologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52, Pav. 69
20246 Hamburg

Email: E-mail: buerger@uke.uni-hamburg.de

    >