Psychotraumatologie 2000; 1(1): 2
DOI: 10.1055/s-2000-8053
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

»Psychisches Trauma« - ein unmögliches Konzept[1]

Rosmarie Barwinski Fäh
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

 

Die wissenschaftliche Erforschung psychischer Traumata weist inzwischen eine über hundertjährige Geschichte auf. Der Begriff wurde durch ergänzende Konzeptionen jedoch immer unübersichtlicher und unspezifischer verwendet. Der amerikanische Psychoanalytiker Joseph Sandler [19] zitiert als Fazit einer von ihm durchgeführten Studie zur Klärung und Anwendung des Traumabegriffs Karl Kraus:

»Je näher man einen Begriff betrachtet, desto ferner blickt er zurück.«

In meinen folgenden Überlegungen werde ich in einem ersten Teil illustrieren, wie das Konzept »psychisches Trauma« in der psychoanalytischen Literatur verwendet wird. In einem zweiten Teil möchte ich einen Klärungsvorschlag vorstellen, wie die unterschiedlichen Aspekte des Begriffs differenziert und zueinander in Beziehung gesetzt werden können.

1 Vortrag gehalten am 2. Dezember 1999 in der Schweizerischen Gesellschaft  für Daseinsanalyse, Zürich

Literatur

  • 1 Barwinskifäh R. Arbeitslosigkeit: Trauma oder Konfliktreaktivierung?.  Forum der Psychoanalyse. 1992;  8 311-326
  • 2 Catlin G, Epstein S. Unforgetable experiences: the realltion of life events to basic beliefs about self and world.  Social cognition. 1992;  19 189-209
  • 3 Dreher A U. Empirie ohne Konzept? Einführung in die psychoanalytische Konzeptforschung. Verlag Internationale Psychoanalyse Stuttgart; 1998
  • 4 Fischer G, Riedesser P. Lehrbuch der Psychotraumatologie. Reinhardt München; 1998
  • 5 Fenichel O. Psychoanalytische Neurosenlehre (1945). Walter, Olten 1974
  • 6 French T M. The Integration of Behavio. Vol. III. The Reintegrative Process in a Psychoanalytic Treatment. University of Chicago Press Chicago; 1958
  • 7 Freud A. Comments on Trauma. In: Furst SS: Psychic Trauma New York; Basic Books 1967: 235-245
  • 8 Freud S. Hemmung, Symptom und Angst. GW XIV 1926: 111-207
  • 9 Green A. Childhood sexual and physical abuse. Wilson JP, Raphael B 1993: 577-592
  • 10 Grubrich-Simitis I. Extremtraumatisierung als kumulatives Trauma.  Psyche. 1979;  33 991-1038
  • 11 Hoffer W. The Mutual Influences in the Development of the Ego and the Id. Psychoanal St. hild 1952 7: 31-41
  • 12 Horowitz M. Stress Response Syndromes. Jason Aronson New York; 1976
  • 13 Janet P. L¿Amnesie et la dissociation des souverirs par l¿emotion.  Journal Psychol. 1904;  4 417-453
  • 14 Keilson K. Sequentielle Traumatisierung bei Kindern. Enke Stuttgart; 1979
  • 15 Khan M R. Das kumulative Trauma. In: Khan MR: Selbsterfahrung in der Therapie Kindler München; 1963: 50-70
  • 16 Mentzos S. Neurotische Konfliktverarbeitung. Kindler München; 1982
  • 17 Niederland W G. Folgen der Verfolgung. Das Überlebenden-Syndrom. Suhrkamp Frankfurt; 1980
  • 18 Ochberg F M. Post-traumatic therapy and victims of violence. Brunner & Mazel New York; 1988
  • 19 Sandler J, Dreher A U, Drews S, Fischer R, Klüwerb R, Muck M, Vogel H, Will C. Psychisches Trauma. Ein psychoanalytisches Konzept im Theorie-Praxis-Zusammenhang. Materialien aus dem Sigmund-Freud-Institut, Nr. 5 Frankfurt; 1988
  • 20 Stern M M. Das Problem der Aggression.  Psyche. 1974;  28 494-507
  • 21 Winnicott D W. The Theory of the Parent-Infant Relationship.  in: Int. J. Psycho. Anal.  41 585-595
  • 22 Wurmser L. Defizit, Defekt, Konflikt und narzisstischer Teufelskreis. Vortrag gehalten in Hannover, Psychoanalytische Gesellschaft, 16. Okt., 1996; und Regensburg, Psychoanalytische Gesellschaft, 19. Okt., 1996

1 Vortrag gehalten am 2. Dezember 1999 in der Schweizerischen Gesellschaft  für Daseinsanalyse, Zürich

2 - 1888 gebrauchte der Neuropathologe Oppenheimer den Terminus „traumatische Neurose” erstmals für ein damals als „railway-brain” oder „railway-spine” bezeichnetes Leiden, dass er in Folge von Eisenbahnunglücken beobachtete. (Damit bezog Oppenheimer den äußeren Anlass mit in seine Krankheitsdefinition ein.)

2 - Charcot (1867; zit. in 4) beschrieb die „traumatische Hysterie” und setzte als erster psychologische Konzepte zwischen das - gemäß seinem Verständnis des Begriffs - von außen einwirkende Trauma und die späteren Symptome. In seiner Hypothese zur Genese der hystero-traumatischen Lähmung sprach er vom „nervösen Schock” und von „krankmachenden Ideen”.

2 - Pierre Janet (1904) - wie Sigmund Freud Schüler von Charcot - gebrauchte als erster den Begriff der Dissoziation als Erklärungskonzept. Dissoziationen ergeben sich nach Janet als Folge einer Überforderung des Bewusstseins bei der Verarbeitung realer  traumatischer Ereignisse.

Dr. phil. Rosmarie Barwinski Fäh

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