Z Geburtshilfe Neonatol 2025; 229(03): e14
DOI: 10.1055/s-0045-1808330
Abstracts
Neonatologie: Lunge/Atmung

Refraktäre Stimmbandparese nach traumatischer Geburt: Dexamethason als individuelle Therapieoption

L Samija
1   Universitätsklinikum Augsburg, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Augsburg, Germany
,
M Gerstlauer
2   Universitätsklinikum Augsburg, Kinderpneumologie und Pädiatrische Allergologie, Augsburg, Germany
,
D Dunstheimer
3   Universitätsklinikum Augsburg, Zentrum für seltene Endokrinopathien, Augsburger Zentrum für Seltene Erkrankungen, Augsburg, Germany
,
M Conrad
4   Universitätsklinikum Augsburg, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Augsburg, DE; Institute of Microbiology, Infectious Diseases and Immunology, Charité–Universitätsmedizin Berlin, Corporate Member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, Germany
,
M Baumgartner
1   Universitätsklinikum Augsburg, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Augsburg, Germany
,
F B Fahlbusch
1   Universitätsklinikum Augsburg, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Augsburg, Germany
› Author Affiliations
 

Einleitung: Die Inzidenz von Geburtstraumata beträgt 2% bei vaginalen Geburten aus Schädellage [1]. Das Risiko steigt bei kindlicher Makrosomie [2] – insbesondere bei Schulterdystokie, maternaler Adipositas [3] und instrumental-assistierter Vaginalentbindung [4]. 10-15% der Schulterdystokien führen zu einer Parese des Plexus brachialis. Bei gleichzeitiger respiratorischer Anpassungsstörung soll differentialdiagnostisch an eine Affektion des N. laryngeus recurrens mit konsekutiver Stimmbandparese gedacht werden. Das medizinische Management dieser seltenen Komplikation stellt eine besondere Herausforderung dar. Der therapeutische Nutzen von Steroiden beim Vorliegen eines neuralen Ödems, wie es bei einer Neurapraxie auftritt, ist Bestandteil der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion [5] [6] [7]. Wir berichten über eine individuelle Dexamethasontherapie bei refraktärer Stimmbandparese.

Fallbeschreibung: Ein makrosomer Neonat (4730 g,>97. P., APGAR 6/8/10) wurde extern in der 40+1 SSW per Vakuumextraktion bei Geburtsstillstand und Schulterdystokie als erstes Kind einer 26-jährigen adipösen Mutter geboren. Die Übernahme erfolgte via NNAD bei respiratorischer Anpassungsstörung unter O₂-Vorlage. Es zeigte sich ein subgaleales Hämatom sowie eine symptomatische obere Plexusparese links ohne Klavikulafraktur. Zwerchfellmotilität und Röntgen-Thorax waren unauffällig, die Echokardiographie nicht wegweisend. Die Atemunterstützung musste prolongiert (14d) mit HFNC fortgeführt werden. Beim erfolglosen Weaning fiel ein zuvor kaschierter inspiratorischer Stridor auf. Laryngoskopisch zeigte sich eine rechtsseitige Recurrensparese sowie eine Abduktionsstörung der linken Stimmlippe. Der Glottisspalt war bis auf 1 mm verengt mit unkontrolliertem Glottisschluss bei paradoxer Stimmlippenbewegung. Das Larynxgerüst war stabil. Während sich die Plexusparese nach 1 Woche unter Physiotherapie besserte, gelang kein suffizientes Weaning von der HFNC. Bei Verdacht auf ein persistierendes Recurrensödem nach Neurapraxie erfolgte ab Lebenstag (LT) 23 eine Dexamethason-Therapie (0,6 mg/kg/d für 5d, 4 Wochen Ausschleichen) mit konsekutivem Weaning-Erfolg. Der Patient wurde mit Heimmonitor und HFNC-Backup an LT28 in die ambulante kinderpulmologische Nachsorge entlassen und gegen RSV immunisiert. Im Alter von 9 Monaten zeigte sich eine restitutio ad integrum.

Diskussion: Die Stimmbandparese ist eine relevante Differenzialdiagnose bei respiratorischer Symptomatik nach erschwerter Geburt. Der Fall zeigt, dass eine Sensibilisierung für diese seltene Komplikation [8] essentiell ist, um eine frühzeitige Diagnose und Intervention zu ermöglichen, die den Heilungsprozess positiv beeinflussen können. Während die Spontanheilungsrate hoch ist, kann der Heilungsverlauf insbesondere bei bilateralem Funktionsausfall langwierig sein und eine erhebliche Belastung darstellen [9]. Der vorliegende Fall zeigt, dass Dexamethason in Einzelfällen bei neuralem Ödem eine effektive Therapieoption darstellen kann.



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Article published online:
19 May 2025

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