Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0045-1808318
Neugeborenes mit schwerem hypoxämischen Lungenversagen – ultraschnelle Genom-Sequenzierung ermöglicht rechtzeitig Lungentransplantation
Kasuistik: Nach unkomplizierter Geburt mit 37+2 SSW entwickelte unser Patient nach initial regelrechter Adaptation in der ersten Lebensstunde Dyspnoezeichen. Unter Atemunterstützung mittels nasalem CPAP bestand ein Sauerstoffbedarf>30%. Im Röntgen-Thorax Zeichen eines ANS Grad I-II. Nach erster Surfactantgabe kam es nur zu einer kurzfristigen Besserung, weshalb das Kind nach 36 Stunden invasiv beatmet werden musste. Bei zunehmendem Sauerstoffbedarf und Hyperkapnie unter assistiert-kontrollierter Beatmung erfolgte eine Umstellung auf Hochfrequenzoszillation und die Hinzunahme von inhalativem Stickstoffmonoxid. Hierunter bestand weiterhin ein Sauerstoffbedarf von 100%, im Röntgen-Thorax war eine weiße Lunge und im HRCT-Thorax waren bds. ausgedehnte Milchglasinfiltrate mit einzelnen Traktionsbullae nachweisbar.
Am 5. Lebenstag wurde das Kind in die Baby-Lion-Studie der MHH aufgenommen. Am 9. Lebenstag konnte der Befund der ultraschnellen Genom-Sequenzierung mitgeteilt werden. Es konnten zwei gemischt-heterozygote Varianten unklarer Signifikanz im ABCA3-Gen nachgewiesen werden.
Die Beatmungssituation verschlechterte sich zusehends (A/C-Modus, PiP32 mbar, PEEP 12 mbar, MAP 18 mbar, dabei FiO2=1.0). Therapieversuche mittels Methylprednisolonpuls, Azithromycin und Hydroxychloroquin führten zu keiner wesentlichen Besserung.
Nach Diagnosesicherung erfolgten viele Gespräche mit den Eltern über die verbleibenden Handlungsoptionen. Nachdem die gemeinsame Entscheidung zur Durchführung einer Lungentransplantationslistung gefällt war, wurde bei weiterhin kritischer Beatmungssituation und hohem Analgosedierungs-Bedarf ein Tracheostoma angelegt. Im Alter von 7 Wochen wurde das Kind an die MHH verlegt und erhielt dort im Alter von 9 Wochen als bisher jüngster Patient in Deutschland eine Doppellungentransplantation.
Die Histologie der explantierten Lunge unterstützte den genetischen Befund als krankheitsverursachend mit Nachweis einer Typ-II-Pneumozytenhyperplasie, heterogener interstitieller Fibrose und intraalveolärer Makrophagenakkumulation [1] [2] [3].
Im Alter von 18 Monaten atmet das Kind mit abgeklebtem Tracheostoma spontan ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf. Sein Entwicklungsalter beträgt im motorischen Bereich 8, im sprachlichen 10 Monate.
Hintergrund: Biallelische Mutationen im ABCA3-Gen sind die häufigste Ursache hereditärer Surfactant-Stoffwechselstörungen mit unterschiedlichen klinischen Schweregraden. Die neonatale Manifestation hat eine sehr hohe Mortalität mit nur wenigen Einzelfallbeschreibungen überlebender Kinder. Eine Doppellungentransplantation ist in diesen Fällen die einzige Behandlungsoption.
Fazit: Bei schweren Verläufen eines ANS bei reifen Neugeborenen sollte frühzeitig an genetische Ursachen gedacht werden. Zeitnah verfügbare genetische Befunde können für das behandelnde Team und die Familie eine wichtige Entscheidungshilfe darstellen und wie in unserem Fall rechtzeitig eine lebensrettende Therapie ermöglichen.
Publication History
Article published online:
19 May 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Peca D. et al. “ABCA3, a key player in neonatal respiratory transition and genetic disorders of the surfactant system.”. Biochemical Society transactions 2015; 43: 913-9
- 2 Shulenin S. et al. “ABCA3 gene mutations in newborns with fatal surfactant deficiency.”. The New England journal of medicine 2004; 350: 1296-303
- 3 Yang X. et al. “ABCA3 Deficiency-Variant-Specific Response to Hydroxychloroquine.”. International journal of molecular sciences 2023; 24: 8179