Aktuelle Neurologie 2016; 43(08): 524-525
DOI: 10.1055/s-0042-117789
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Publication Date:
18 October 2016 (online)

Akt Neurol 2016; 43: 237 – 241

Wir danken Herrn Dr. Goischke für die Auseinandersetzung mit unserer Arbeit und den ergänzenden Punkten. Vorab sei angemerkt, dass das primäre Thema unseres Übersichtsartikels repetitive MRT-Untersuchungen bei Multipler Sklerose war. Wir beabsichtigten keinen Übersichtartikel zum Thema der Pharmakokinetik und Risiken von Gadolinium-basierten Kontrastmitteln (GBCAs).

In der Tat ist die Diskussion über eine Akkumulation von GBCA in unterschiedlichen Körpergeweben nicht neu, wie die von Ihnen vorgebrachten Artikel der vergangenen Jahre zeigen. Die von Ihnen ergänzend zitierte Arbeit von Murata et al., welche eine Akkumulation auch von makrozyklischen GBCAs sowohl im Knochen als auch im Gehirn nachweisen konnte, war zum Zeitpunkt der Fertigstellung unseres Artikels noch nicht erschienen, und konnte daher nicht aufgenommen werden [1]. Die Ergebnisse stehen jedoch im Widerspruch zu bisherigen tierexperimentellen Studien, und die Aussagekraft der Studie ist, wie vom Autor diskutiert, aufgrund der sehr geringen Fallzahl limitiert. Zukünftig sollte zur weiteren Einordnung solcher Befunde berücksichtigt werden, dass auch bei nicht GBCA-exponierten Menschen GBCA in Hirnarealen gefunden wurde [2]. In der jüngst veröffentlichten Arbeit von Semelka et al. werden von den Autoren zur generellen Problematik der GBCA-Akkumulation die Einführung neuer Termini „Gadolinium Storage Condition“ und „Gadolinium Deposition Disease“ vorgeschlagen [3]. Nur letzterer bezeichnet dabei einen Zustand bei dem Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen oft einmaliger GBCA-Administration und klinischen Symptomen in wenigen Einzelfällen nachzuweisen sind. Die Autoren sind jedoch der Auffassung, dass trotz aufgeführter Berichte, dieser Zustand – wenn überhaupt – sehr selten eintritt. Auch konnte bis heute keine Assoziation mit den derzeit diskutierten zerebralen Signalveränderungen nachgewiesen werden.

Auch wir halten weitere retro- und prospektive Studien zum Thema Gadoliniumakkumulation für notwendig. Dabei sollten auch die durch Gadolinium induzierten möglichen biochemischen bzw. molekularen Mechanismen genauestens untersucht werden [4]. Vor diesem Hintergrund sollte nicht unerwähnt bleiben, dass nicht nur die FDA, sondern auch jüngst die Europäische Kommission ein Risikobewertungsverfahren

http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/human/referrals/Gadolinium-containing_contrast_agents/human_referral_prac_000056.jsp&mid=WC0b01ac05805c516f

eingeleitet hat.

Ziel ist es dabei zu prüfen, mit welchen gesundheitlichen Auswirkungen Patienten rechnen müssen, wenn sich GBCAs im Körper ablagern. Die Begutachtung soll in eine rechtlich bindende Entscheidung für alle europäischen Mitgliedstaaten münden.

Ebenfalls wünschenswert unsererseits wären damit einhergehende Empfehlungen zur Anwendung bei Gravidität, Stillzeit und bei Kindern. Eine abschließende Bewertung ist jedoch noch ausstehend (Stand 09/2106).

Vor diesem Hintergrund möchten wir noch einmal hervorheben, dass der von uns publizierte Übersichtartikel erste praktische Empfehlungen zum Umgang mit Kontrastmittel bei Patienten, bei denen repetitive MRT-Untersuchungen notwendig sind, am Beispiel der MS definiert hat.

  1. Der Einsatz von GBCAs sollte grundsätzlich kritisch hinterfragt werden.

  2. Bei der Multiplen Sklerose sind GBCAs in der Phase der Diagnosefindung unerlässlich. In der routinemäßigen Verlaufsbeurteilung, insbesondere bei klinisch stabilem Verlauf, sind diese jedoch zumeist verzichtbar.

  3. Falls GBCAs zum Einsatz kommen, sollen Präparate mit höherer Bindungsaffinität, z. B. makrozyklische Derivate, verwendet werden.

  4. Zusammenführung mehrerer kontrastmittelunterstützter Untersuchungen (Kopf und spinales MRT), falls überhaupt zwingend notwendig, sollten, wenn möglich, im Sinne ihrer geforderten „one-stop-shot“-Strategie erfolgen.

Ihr Vorschlag zur Dokumentation relevanter Faktoren in einem „Patientenpaß“ wie z. B. Art und Dosis des Kontrastmittels, erscheint wünschenswert.

Auf die Notwendigkeit einer standardisierten MRT-Bildgebung und -Befundung wurde in den letzten Jahren auch in Deutschland mehrfach hingewiesen und an vielen MS-Zentren auch erfolgreich umgesetzt [5] [6] [7]. Die aktuell von der MAGNIMS-Gruppe publizierten Leitlinien [8] [9] bekräftigen diese Notwendigkeit noch einmal. Allerdings wird hierbei die Thematik der Kontrastmittelapplikation nicht weiter diskutiert. In diesen Leitlinien wird die KM-Gabe im Rahmen von Verlauf-MRTs bei klinisch gesicherter MS zwar nicht als absolut indiziert („strictly mandatory“), aber weiterhin als sehr empfehlenswert („highly recommended“) eingestuft. Vor diesem Hintergrund stellt unser Artikel eine aktuelle praxisrelevante Ergänzung zu diesem Thema dar (siehe o. g. Punkte 1 – 4).

Abschließend möchten wir hinzufügen, dass in den letzten Jahren regelmäßige bundesweite Fortbildungsveranstaltungen initiiert wurden, an denen auch einige der Autoren beteiligt waren, welche das Ziel hatten, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neurologen und Radiologen zu fördern. Schwerpunkte dieser Fortbildungsveranstaltungen, welche auch in den folgenden Jahren weitergeführt werden sollen, beziehen u. a. die Notwendigkeit standardisierter MRT-Untersuchungen im Rahmen der MS-Diagnostik und Verlaufsbeobachtung ein. Die aktuellen Entwicklungen unter Berücksichtigung der GBCA-Problematik wurden bereits in aktuellen Veranstaltungen berücksichtigt. Wir hoffen, dass die angesprochenen Maßnahmen in den nächsten Jahren auch zu einer flächendeckenden besseren interdisziplinären Zusammenarbeit in der Anwendung der MRT-Bildgebung bei Patienten mit Multipler Sklerose führen wird.

 
  • Literatur

  • 1 Murata N, Gonzalez-Cuyar LF, Murata K et al. Macrocyclic and other non-group 1 gadolinium contrast agents deposit low levels of gadolinium in brain and bone tissue. Invest Radiol 2016; 51: 447-453
  • 2 Kanda T, Fukusato T, Matsuda M et al. Gadolinium-based contrast agent accumulates in the brain even in subjects without severe renal dysfunction: evaluation of autopsy brain specimens with inductively coupled plasma mass spectroscopy. Radiology 2015; 276: 228-232
  • 3 Semelka RC, Ramalho M, AlObaidy M et al. Gadolinium in humans: A family of disorders. Am J Roentgenol 2016; 207: 229-233
  • 4 Rogosnitzky M, Branch S. Gadolinium-based contrast agent toxicity: a review of known and proposed mechanisms. Biometals 2016; 29: 365-376
  • 5 Gold R, Gass A, Haupts M et al. Therapieziele und Therapiemanagement bei schubförmig-remittierender Multipler Sklerose. Multiple Values Selected 2015; 34: 915-923
  • 6 Lukas C, Sailer M. Magnetresonanztomografie bei Patienten mit Multipler Sklerose: Relevanz in der Diagnose und Verlaufsbeurteilung. Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83: 522-534
  • 7 Sailer M, Fazekas F, Gass A et al. Zerebrale und spinale MRT-Untersuchung bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom oder gesicherter Multipler Sklerose. Fortschr Röntgenstr 2008; 180: 994-1001
  • 8 Rovira A, Wattjes MP, Tintoré M et al. Evidence-based guidelines: MAGNIMS consensus guidelines on the use of MRI in multiple sclerosis – clinical implementation in the diagnostic process. Nat Rev Neurol 2015; 11: 471-482; erratum: 483
  • 9 Wattjes MP, Rovira A, Miller D et al. Evidence-based guidelines: MAGNIMS consensus guidelines on the use of MRI in multiple sclerosis – establishing disease prognosis and monitoring patients. Nat Rev Neurol 2015; 11: 597-606