Zusammenfassung
Hintergrund: In den letzten Jahren hat der Handel mit neuen psychoaktiven Substanzen
(NPS) zugenommen. Der Kauf von Produkten über das Internet ist problemlos möglich.
Wir berichten über 6 Vergiftungsfälle, bei denen nach Konsum von NPS erstmals Desoxypipradrolkonzentrationen
im Serum und Urin bestimmt wurden. Der Wirkstoff Desoxypipradrol (2-diphenylmethylpiperidin,
2-DPMP) [1] wurde einige Jahre nach Methylphenidat (Ritalin) und Pipradrol (Schlankheitsmittel
[2]) in den 1950er Jahren als Stimulans (Norepinephrin-Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer)
zur Behandlung der Narkolepsie bzw. der Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung
(ADHS) beschrieben und zeichnet sich durch eine sehr lange Wirkdauer sowie eine stärkere
Wirksamkeit im Vergleich zu Amfetamin aus. Er wurde im Jahr 2007 erstmals in Europa
in Großbritannien als „Legal High“ nachgewiesen. Rhabdomyolysen nach Konsum von Desoxypipradrol-haltigen
Drogenmischungen sind häufig beschrieben, Relationen zwischen klinischer Symptomatik
– Rhabdomyolyse – und Serum- / Urinkonzentrationen wurden bisher nicht hergestellt.
Methode: Im Rahmen einer prospektiven Studie zur akuten Toxizität von NPS, wurden
Urin- bzw. Serumproben von Patienten, die sich nach Aufnahme von NPS zur medizinischen
Behandlung vorgestellt haben, systematisch toxikologisch untersucht. Die toxikologische
Untersuchung umfasste ein LC-MSn Ionenfallenscreening mittels ToxtyperTM (Bruker Daltonik GmbH, Bremen), sowie ein Drogenscreening mittels Immunoassays, das
im Falle positiver Befunde mit GC-MS oder LC-MS / MS überprüft wurde. Zusätzlich erfolgten
spezielle LC-MS / MS Analysen zur Erfassung von NPS und deren Metaboliten. Patienten
mit positivem Nachweis von Desoxypipradol wurden in die vorgestellte Auswertung eingeschlossen.
Ergebnisse: Die 6 Falldokumentationen beschreiben Patienten mit typischen Anzeichen
eines sympathomimetischen Syndroms: Agitation, Hypertonie (bis 210 mm Hg systolisch)
und Tachykardie (142 / min). Desoxypipradrol wurde in Konzentrationen von 5900, 2300,
84 und 1,5 ng / ml im Urin und bei drei Patienten mit 84, 120 und 150 ng / ml im Serum
nachgewiesen. Bei 4 Patienten wurde gleichzeitig Amfetamin / Metamfetamin gefunden.
In Einzelfällen wurden Kokain, Methylon, synthetische Cannabinoidrezeptor-Agonisten
(AM-2201, JWH-018, PB-22, 5F-PB-22), Δ9-THC, Venlafaxin, Methoxyphenidin sowie verschiedene
therapeutisch applizierte Benzodiazepine (Diazepam, Temazepam, Clonazepam, Alprazolam)
und Opioide nachgewiesen. Bei vier Patienten mit hohen Desoxypipradrol-Konzentrationen
im Serum / Urin kam es zu einer Rhabdomyolyse (Patienten 1–4).
Abstract
Novel psychoactive substances (NPS) are easily accessible and the consumption has
increased in recent years. New compounds as well as compounds derived from pharmaceutical
research or the patent literature are provided, mostly without any declaration. As
a consequence, severe adverse reactions may occur after consumption of unknown doses
of these drugs, in particular after mixed intake of different psychoactive substances
or co-medication. The toxic effects in such cases are not predictable. We report cases
of rhabdomyolysis in patients after consumption of desoxipipradrol in combination
with other NPS. Particularly in case of synergistic serotonergic effects a distinct
stimulation of 5-HT2A-receptors (or 5-HT1A-receptors) should be considered which may lead to serotonergic syndrome.
Schlüsselwörter
Desoxypipradrol - Neue Psychoaktive Substanzen (NPS) - Rhabdomyolyse - Serotoninsyndrom
Keywords
desoxypipradrol - novel psychoactive substances - rhabdomyolysis - serotonine syndrome