Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(05): 298-301
DOI: 10.1055/s-0042-106365
Facharztfragen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fragen aus der Facharztprüfung Psychiatrie und Psychotherapie

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Publication Date:
14 June 2016 (online)

Gibt es hinsichtlich der morphologischen Ausbreitung der neurofibrillären Degeneration ein typisches Verteilungsmuster, und korreliert dies mit der klinischen Symptomatik?
Antwort:

Ja, die Ausbreitung der neurofibrillären Degeneration folgt einem einheitlichen Muster, das auch Braak-Stadien genannt wird.

  • Sie beginnt Im entorhinalen Kortex (Braak-Stadien 1 + 2), geht dann auf den Hippokampus über (Braak-Stadien 3 + 4) und bezieht schließlich den Neokortex mit ein (Braak-Stadien 5 + 6).

  • Das Übergreifen vom entorhinalen Kortex und Hippokampus auf den Neokortex ist eng mit dem Auftreten von kognitiven Defiziten verbunden.

  • Insgesamt ist der Schweregrad der Demenz korreliert mit der Ausprägung der neurofibrillären Degeneration.

Kommentar:

Das Muster der Ausbreitung der neurofibrillären Degeneration wird in Stadien eingeteilt, die nach dem Frankfurter Anatomen Braak „Braak-Stadien“ genannt werden. Geringgradige neurofibrilläre Veränderungen im entorhinalen-hippokampalen Übergang finden sich auch bei gesunden älteren Menschen. Bei ca. 10 % der Alzheimer-Patienten finden sich nur geringe oder keine neurofibrillären Veränderungen.

Gibt es noch andere histopathologische Merkmale der Alzheimer-Demenz?
Antwort:

Neben der neurofibrillären Degeneration finden sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten auch vermehrt Amyloid-Plaques.

Kommentar:

Bei Amyloid-Plaques, auch neuritische oder senile Plaques genannt, handelt es sich um eine extrazelluläre, herdförmige Ablagerung, die hauptsächlich aus ß-Amyloid und zerfallenen Neuriten besteht. Der Entstehungsmechanismus der Plaques ist noch nicht vollständig bekannt. In der Umgebung der Plaques kommt es aus bisher unklaren Ursachen zur Neurodegeneration. Amyloid-Plaques enthalten einen zentralen Kern aus unlöslichem Amyloid und zahlreichen zerfallenen Neuriten. Der Amyloidkern ist umgeben von Astrozyten, aktivierter Mikroglia und Makrophagen. Neben den neuritischen Plaques gibt es auch sog. „diffuse“ Plaques ohne veränderte Neuriten, welche sich auch bei gesunden älteren Menschen finden. Die Häufigkeit neuritischer Plaques korreliert demgegenüber gut mit dem Auftreten und dem Schweregrad der Demenz. Inwieweit die extrazelluäre Bildung von toxischen Amyloidfibrillen die primäre Ursache der nachfolgenden neuritischen Veränderungen darstellt, ist unklar.

Schätzungsweise wie viel Prozent der Patienten mit einer moderaten Demenz vom Alzheimertyp werden nicht diagnostiziert?
Antwort:

Ca. 50 %.

Kommentar:

In verschiedenen Studien reichte die Rate der nicht diagnostizierten Patienten mit einer moderat ausgeprägten Demenz bis zu 50 %.

Worauf würden Sie diese hohe Prozentrate nicht diagnostizierter Demenzen zurückführen?
Antwort:

Insbesondere in frühen Stadien der Erkrankung wirken Patienten bei einem oberflächlichen Kontakt und ohne Fremdanamnese oder gezielte Nachfrage zumeist unauffällig, da Persönlichkeit, Emotionalität und Kontaktfähigkeit oft nicht beeinträchtigt sind.

Kommentar:

Im Unterschied zu den anderen Demenzformen sind Patienten mit Alzheimer-Demenz im frühen Stadium oft alert, im Kontakt zugewandt, affektiv gut schwingungsfähig, und die Persönlichkeit weist noch keine Veränderungen auf. In einfachen Dialogsituationen ist das Sprech- und Denktempo nur geringfügig vermindert. Emotionalität und Antrieb bleiben oft lange intakt. Entsprechend wird die Verdachtsdiagnose nicht gestellt, wenn keine Fremdanamnese vorliegt oder keine differenzierte neuropsychologische Testdiagnostik erfolgt ist.

Welche kognitiven Defizite sind typisch für eine Demenz vom Alzheimertyp?
Antwort:
  • Störungen des Gedächtnisses,

  • Störungen des visuell-räumlichen Denkens,

  • Störungen der Sprache.

Kommentar:

Die Alzheimer-Demenz ist v. a. eine Erkrankung der höheren assoziativen Hirnrindenareale. Daher bilden kortikale Werkzeugstörungen die Kernsymptomatik, d. h. Störungen geistiger Leistungen, die bestimmten Hirnarealen zuzuordnen sind:

  • Gedächtnis = Hippokampus, entorhinaler Kortex,

  • visuell-räumliches Denken = Parietallappen,

  • Sprache = Umfeld des Wernicke-Areals.

Ist diese kognitive Kernsymptomatik bei allen Patienten gleich ausgeprägt?
Antwort:

Nein, es finden sich individuelle Unterschiede in der relativen Ausprägung der einzelnen Symptome bei den Patienten.

Kommentar:

Wenn auch die Trias Gedächtnisstörung, visuell-räumliche Störung und Benennstörung bei kaum einem Patienten fehlt, finden sich hinsichtlich der relativen Ausprägung dieser Kernsymptome in allen Stadien deutliche individuelle Unterschiede.

Kommen in weiteren Verlauf der Alzheimer-Demenz noch weitere Symptome zu der kognitiven Kernsymptomatik hinzu, auch aus nicht-kognitiven Bereichen?
Antwort:
  • Ja, es kommen weitere Symptome hinzu, z. B.

  • weitere Werkzeugstörungen wie Apraxie und visuelle Agnosie,

  • unspezifischen Einschränkungen der Aufmerksamkeit, des Arbeitsgedächtnisses und des Auffassungsvermögens,

  • nicht kognitive Symptome,

  • Verhaltensstörungen.

Kommentar:

Im mittleren bis späteren Stadium kommt es zusätzlich zu Störungen der geordneten Bewegungsabfolgen (Apraxie) und zu Störungen des Erkennens von Gegenständen und Gesichtern (visuelle Agnosie). Ebenfalls treten unspezifische Aufmerksamkeits- und Auffassungsstörungen auf, und das Arbeitsgedächtnis nimmt zunehmend ab. Im späteren Stadium kommt es in der Mehrzahl der Fälle zu psychiatrischen Begleitsymptomen.

Können Sie die nicht kognitiven Störungen bei Demenz näher beschreiben?
Antwort:
  • Depressive Symptome,

  • Wahn,

  • Halluzinationen,

  • Angst,

  • Unruhe,

  • Aggressivität,

  • Schlafstörungen mit Aufhebung des Tag-Nacht-Rhythmus.

Kommentar:

Unruhe verbunden mit ziellosem Wandern ist eines der Hauptsymptome, das bei allen Patienten zu beobachten ist. Die Wahnsymptomatik ist von wiederkehrenden Wahninhalten geprägt mit typischen Wahnthemen wie Diebstahl, Vergiftung, Beeinträchtigung und Eifersucht. Ausgestaltete paranoide Systeme finden sich nur selten. Zusätzlich treten illusionäre Verkennungen und optische Sinnestäuschungen auf. Vermehrte Reizbarkeit, Erregung und Aggressivität bis hin zu Tätlichkeiten treten v. a. bei männlichen Patienten auf. Die Aufhebung des Tag- Nacht-Rhythmus führt zu unregelmäßigem Schlaf und v. a. Störungen der Nachtruhe der Angehörigen.

Acetylcholinesterasehemmer werden als Standardtherapeutika in der Behandlung der Alzheimer-Demenz eingesetzt. Welches der Präparate würden Sie zur Therapie bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion einsetzen?
Antwort:

Rivastigmin.

Kommentar:

Während Donepezil und Galantamin hepatisch über CYP2D6 und CYP3A4 metabolisiert werden, wird Rivastigmin nichthepatisch abgebaut. Der decarbamylierte Metabolit des Rivastigmins wird schnell und fast vollständig über die Niere ausgeschieden (95 % innerhalb von 24 h).

Welche Evidenz gibt es für den Einsatz von Trazodon zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei fortgeschrittener Demenz?
Antwort:

Eine Metaanalyse auf der Basis kontrollierter klinischer Prüfungen hat klar belegt, dass Trazodon nicht wirksam ist, um Unruhezustände zu behandeln.

Kommentar:

Grundlage kontrollierter klinischer Studien war die kasuistische Beobachtung, dass Trazodon bei einigen Patienten Verhaltensstörungen wie z. B. lautes, anhaltendes Rufen günstig beeinflusst.

Können Sie wichtige unerwünschte Wirkungen der Therapie mit Azetylcholinesterasehemmern nennen?
Antwort:
  • Übelkeit,

  • Vomitus,

  • Diarrhö,

  • Gewichtsverlust,

  • Anorexie,

  • Agitiertheit,

  • Schlafstörungen,

  • Beinkrämpfe.

Auf welchem pathophysiologischen Hintergrund beruht der Therapieansatz der Cholinesterasehemmer?
Antwort:

Der Therapieansatz nimmt ein cholinerges Defizit als eine Ursache der dementiellen Symptomatik an, d. h. ein Mangel des Neurotransmitters Acetylcholin.

Kommentar:

Die medikamentöse Behandlungsstrategie setzt an dem Mangel des Neurotransmitters Acetylcholin in der Hirnrinde von Patienten mit Alzheimer-Demenz an. Man führt diesen Mangel auf eine Degeneration des Nucleus basalis meynert zurück, dessen cholinerge neuronale Fasersysteme den ganzen Kortex innervieren. Der Verlust von Nervenzellen in diesem Kern ist mit einer 50 – 70 % Reduktion der kortikalen cholinergen Aktivität verbunden. Der Schweregrad der Demenz ist eng mit dem präsynaptischen cholinergen Defizit verknüpft. Das cholinerge Defizit ist nicht spezifisch für die Alzheimer-Demenz, sondern kommt auch bei M. Parkinson, Lewy- Körper-Erkrankung sowie bei zerebrovaskulären Erkrankungen vor.

Welche anamnestischen Informationen verweisen bei einer 75-jährigen Patientin, die Ihnen zur Abklärung von Gedächtnisstörungen vorgestellt wird, auf eine vaskuläre Demenz?
Antwort:

V. a. ein eher plötzlicher Beginn, eine oft sprunghafte Verschlechterung der Symptomatik sowie neurologische Herdzeichen oder Symptome, die zusätzlich zu den kognitiven Defiziten bestehen.

Kommentar:

Die kognitiven Beeinträchtigungen unterschiedlicher Teilleistungen sind bei den vaskulären Demenzen weniger gleichmäßig und stärker fluktuierend als bei der typischen Alzheimer-Demenz. Es finden sich Gedächtnisverlust, intellektuelle Beeinträchtigungen und neurologische Herdzeichen, wobei Einsicht und Urteilsfähigkeit gut erhalten sein können. Ein plötzlicher Beginn, oft sprunghafte Verschlechterung und neurologische Herdzeichen oder Symptome erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Diagnose.

Welche zusätzlichen anamnestischen Angaben oder Befunde würden Ihre Verdachtsdiagnose erhärten?
Antwort:
  • Risikofaktoren für vaskuläre Erkrankungen wie arterieller Hypertonus, Diabetes mellitus, Risikofaktoren für Emboliequellen wie absolute Arrhytmie, Klappenstenosen oder künstliche Herzklappen,

  • Stenosen der hirnzuführenden Gefäße,

  • Affektlabilität,

  • vorübergehende Episoden von Bewusstseinstrübungen oder Delir.

Kommentar:

Das Vorkommen von Risikofaktoren für makro- oder mikroangiopathisch bedingte Hirninfarkte und psycho- pathologische Symptome wie Affektlabilität verweisen auf eine mögliche vaskuläre Demenz.

Welche Symptomatik würden Sie bei einer Multiinfarktdemenz erwarten, und um welche Form der vaskulären Demenz handelt es sich hier?
Antwort:

Die Multiinfarktdemenz ist vorwiegend eine kortikale Demenz.

  • Vor Auftreten dementieller Symptome bieten die Patienten häufig unspezifische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Benommenheit, Ohrensausen, Reizbarkeit, Ängstlichkeit und Depressivität.

  • Weiter finden sich neben den kognitiven Störungen neurologische Herdzeichen und Symptome sowie neuropsychologische Befunde wie Aphasien, Apraxien, Hemineglekt oder Agnosien.

Kommentar:

Die vorwiegend kortikale Multiinfarktdemenz beginnt allmählich nach mehreren Territorialinfarkten mit überwiegend kortikaler Infarzierung. Meist weisen diese Patienten die klassischen schrittweisen Verschlechterungen und kortikalen Ausfallserscheinungen wie Aphasien, Apraxien, Hemineglekt und Agnosien auf.

Unterscheidet sich das Muster kognitiver Ausfälle bei Multiinfarktdemenzen von dem bei Morbus Alzheimer?
Antwort:

Es findet sich eher eine Mischung einzelner Leistungsdefizite, bei denen im Vergleich zum Morbus Alzheimer einzelne Teilleistungen gut erhalten sein können.

Kommentar:

Neuropsychologisch stellt sich die Multiinfarktdemenz als ein Mosaik einzelner Leistungsdefizite dar, bei dem bestimmte Teilleistungen im Vergleich zur Alzheimer-Demenz oft gut erhalten sind. Häufig ist die Persönlichkeit über lange Strecken noch erhalten.

Welche Symptomatik würden Sie bei einer subkortikalen vaskulären Demenz erwarten?
Antwort:
  • Dominierendes Symptom ist eine allgemeine Verlangsamung.

  • Psychiatrisch finden sich depressive oder dysphore Verstimmung, Antriebsstörungen und Interessenverlust. Es können auch hypochondrische oder paranoide Ideen vorliegen.

  • Kognitiv sind v. a. Aufmerksamkeit und Konzentration gestört. Auch Orientierung, Lesen, Rechnen, visomotorische Leistungen und Abstraktionsvermögen können beeinträchtigt sein. Das episodische Gedächtnis ist meist erhalten.

  • Neurologisch findet sich eine Gangapraxie und Blaseninkontinenz bei über der Hälfte der Patienten sowie extrapyramidalmotorische Störungen wie Hypokinese und Rigor, vereinzelt Dysarthrie und Dysphagie.

Kommentar:

Klinisch kann die Langsamkeit das dominierende Symptom sein. Psychiatrisch werden häufig Depressionen, Antriebsstörungen und emotionale Labilität, neurologisch Schwindel und Synkopen berichtet.

Wie würde ein typischer bildgebender Befund bei einer subkortikalen vaskulären Demenz aussehen?
Antwort:
  • Es finden sich im CCT v. a. konfluierende Hypodensitäten in den Marklagern beidseits.

  • Im MRT können neben den diffusen Marklagerveränderungen Lakunen im Bereich der Stammganglien, des Thalamus, des Hirnstamms und des Kleinhirn dargestellt werden.

Kommentar:

Der neuroradiologische Nachweis von Marklagerveränderungen ist für die Diagnose einer subkortikalen vaskulären Demenz unverzichtbar. Es findet sich eine Anhebung der Signalintensität im T2-gewichteten MRT-Bild bzw. eine fleckige oder diffuse Dichteminderung im CCT. Häufig finden sich eine Hirnatrophie und Lakunen im Bereich von Stammganglien, Thalamus, Hirnstamm und Kleinhirn.

Welche therapeutischen Maßnahmen würden Sie bei einer vaskulären Demenz ergreifen?
Antwort:

Therapeutische Maßnahmen:

  • Behandlung der zerebrovaskulären Grunderkrankung und der vaskulären Risikofaktoren,

  • Sekundärprophylaxe vaskulärer Ereignisse mit Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel,

  • nicht-medikamentöse Behandlungsmaßnahmen,

  • Behandlung psychiatrischer und internistischer Symptome.

Kommentar:

Prognose verbessernd ist die Behandlung der vaskulären Risikofaktoren, insbesondere des arteriellen Bluthochdrucks. Werden die Risikofaktoren unter Kontrolle gebracht, kann sowohl klinisch wie radiologisch feststellbar eine Progression der vaskulären Demenz verhindert werden oder zumindest eine Verlangsamung. Auch die Sekundärprophylaxe mit Thrombozyten-Aggregationshemmern wie Acetylsaicylsäure, Ticiopidin oder Clopidogrel scheint einen positiven Effekt auf den Verlauf zu haben.

Welche Formen der frontotemporalen Demenzen gibt es?
Antwort:

Es handelt sich zunächst um eine heterogene Gruppe von ZNS-Erkrankungen, die aber Gemeinsamkeiten aufweisen:

  • Verhaltensauffälligkeiten,

  • eine frühe, progredienten Wesensänderung,

  • eine frühe und progrediente Beeinträchtigung des Sprachvermögens.

Kommentar:

Im Einzelnen werden differenziert:

  • frontotemporale Demenz (M. Pick),

  • frontotemporale Demenz mit amyotropher Lateralsklerose,

  • semantische Demenz,

  • primär progressive Aphasie,

  • kortikobasale Degeneration,

  • progressive subkortikale Cliose,

Diese sind durch gemeinsame klinische Charakteristika gekennzeichnet. Der ursprüngliche Begriff „Picksche Krankheit“ wurde in der neueren Literatur im Gegensatz zur ICD-10 verlassen. Die frontotemporale Demenz stellt mit 70 – 80 % der Krankheitsfälle die häufigste Variante, gefolgt von der semantischen Demenz mit 10 – 20 % und der primär progressiven Aphasie mit 5 – 10 %.

Was ist das makroskopische Kennzeichen der frontotemporalen Demenz?
Antwort:

Es findet sich eine charakteristische lobäre Atrophie des Frontal- und Temporallappen, gelegentlich sind die Basalganglien und die motorischen Vorderhornzellen mitbetroffen.

Nennen Sie klinische Kennzeichen der frontotemporalen Demenz.
Antwort:
  • Kennzeichnend ist der schleichende Beginn mit unspezifischen Veränderungen des Verhaltens, der Persönlichkeit und der Affektivität.

  • Im Verlauf verstärken sich dann die Verhaltensauffälligkeiten mit Apathie, Antriebslosigkeit, Aspontaneität und Desinteresse, die mit Hyperaktivität und Enthemmung alternieren können.

  • Häufig werden soziale Konventionen verletzt.

  • Gedächtnis und Orientierung sind zumeist erst in späteren Erkrankungsphasen gestört.

  • Im Verlauf treten auch Sprachstörungen und neuropsychologisch fassbare Störungen der Exekutivfunktionen auf.

  • Affektiv kennzeichnend ist oft ein fehlendes Empathievermögen, oft aber auch Depression, Hypomanie und in späteren Stadien Affektinkontinenz oder -labilität.

    Zumeist fehlt den Patienten jegliche Krankheitseinsicht.

Kommentar:

Kernsymptome der frontotemporalen Demenz:

  • Verfall des Sozialverhaltens,

  • verflachter Affekt,

  • fehlende Krankheitseinsicht;

stützende Symptome:

  • Perseverationen,

  • Stereotypien,

  • Utilisationsverhalten,

  • Sprech- und Sprachstörungen,

  • fehlende Spontaneität,

  • Wortkargheit,

  • Benennungsstörung,

  • Sprechdrang,

  • Stereotypie,

  • Echolalie,

  • Palilalie,

  • Mutismus,

  • Primitivreflexe,

  • Inkontinenz,

  • Akinese, Rigor, Tremor,

  • labile Hypertonie.

Können Sie etwas zum Erkrankungsbeginn und Verlauf der frontotemporalen Demenz sagen?
Antwort:
  • Das typische Erkrankungsalter liegt etwa zwischen 45 und 60 Jahren, in seltenen Fällen vor dem 30. Lebensjahr oder nach dem 75. Lebensjahr.

  • Die durchschnittliche Krankheitsdauer beträgt etwa 6 – 8 Jahre, allerdings sind auch kürzere oder deutlich längere Verläufe möglich.

Kommentar:

Möglicherweise liegt der Anteil fokaler Demenzerkrankungen im Alter von über 65 Jahren höher als bisher angenommen. Die primär progressive Aphasie manifestiert sich z. B. im 7. Lebensjahrzehnt. Hinsichtlich der Verläufe finden sich auch solche zwischen 2 und 20 Jahren, wobei dies selten vorkommt.

Nennen Sie bitte die klinischen Charakteristika der Lewy-Body-Demenz.
Antwort:

Zentrale klinische Charakteristika sind:

  • typ. kognitive Störungen i. S. eines dementiellen Syndroms, jedoch mit fluktuierendem Verlauf besonders mit Schwankungen der Aufmerksamkeit und der Vigilanz,

  • optische, detaillierte Halluzinationen,

  • Parkinson-Symptomatik,

  • eine außergewöhnliche Neuroleptika-Sensitivität hinsichtlich der Entwicklung extrapyramidal-motorischer Störungen.

Kommentar:

Zusätzlich finden sich gehäuft Stürze und Synkopen in der Anamnese.

Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose im folgenden Fall?
Sie werden konsiliarisch in die chirurgische Klinik zu einem 80-jährigen Patienten gerufen, der vor 2 Tagen aufgrund einer Oberschenkelhalsfraktur operiert wurde. Der Patient war in der Nacht unruhig gewesen, habe nicht geschlafen und aggressiv auf das Pflegepersonal reagiert. Er sei überhaupt nicht zugänglich, zuvor sei er unauffällig gewesen. Bis auf einen arteriellen Hypertonus seien keine Vorerkrankungen bekannt, insbesondere keine psychiatrischen Störungen.
Antwort:

Delir.

Kommentar:

Ein Delir (synonym Verwirrtheitszustand) entwickelt sich zumeist auf dem Boden einer körperlichen Erkrankung oder nach einem operativen Eingriff. Höheres Alter stellt einen gesicherten Risikofaktor dar.

Diagnostische Leitsymptome sind:

  • Störungen von Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung,

  • psychomotorische oder affektive Auffälligkeiten,

  • gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus.

Warum vermuten Sie in diesem Fall diese Diagnose?
Antwort:

Delirien bei über 60-Jährigen sind nach Operationen eine häufige Komplikation.

  • Es bestand keine bekannte psychiatrische Vorerkrankung wie Demenz oder eine schizophrene Psychose, welche die Symptomatik hätte erklären können.

  • Auch der akute Beginn und die nächtlich akzentuierte Symptomatik sprechen für diese Diagnose.

Kommentar:

Kennzeichnend für das Delir sind akuter Beginn und ein fluktuierender Verlauf sowie eine nächtliche Akzentuierung der Symptomatik. Die Inzidenz für Delirien beträgt je nach Art des chirurgischen Eingriffs auf chirurgischen Stationen bis zu 100 %. In Untersuchungen fand sich bei über 60-jährigen Patienten im Anschluss an eine Hüftoperation bei einem Viertel ein postoperatives Delir.

Welche Symptome würden Sie bei der Befunderhebung bei einem Delir erwarten?
Antwort:
  • Bewusstseinsstörung,

  • Störungen der Aufmerksamkeit,

  • Denkstörungen.

  • Zusätzlich können affektive, psychomotorische und Wahrnehmungsstörungen sowie inhaltliche Denkstörungen auftreten.

Kommentar:

Kernsymptome sind:

  • Bewusstseinsstörungen (herabgesetzte Wachheit, Benommenheit oder Schläfrigkeit),

  • Orientierungsstörung (Orientierung zur Person bleibt oft erhalten),

  • Aufmerksamkeitsstörungen (Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit auf ein Ziel zu lenken, aufrechtzuerhalten und erneut anderen Zielen zuzuwenden),

  • Denkstörungen (ungeordnet, umständlich, unlogisch).

Hinzu treten erregte oder gehemmte Psychomotorik, Wahrnehmungsstörungen (v. a. optische Halluzinationen, illusionäre Verkennungen), emotionale Labilität, Wahnbildung und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Welche weiteren diagnostischen Schritte würden Sie bei der oben berichteten Fallgeschichte ergreifen?
Antwort:

Wichtig ist eine Fremdanamnese von Angehörigen, Bezugspersonen und dem Pflegepersonal über den Verlauf und den Zustand vor der Operation, über wichtige somatische Vorerkrankungen und eine Medikamentenanamnese, insbesondere der Tage vor Manifestation des Delirs.

Kommentar:

Da die Diagnose des Delirs immer eine klinische Diagnose ist, gehört eine ausführliche und gründliche Anamneseerhebung und evtl. wiederholte Untersuchungen des Patienten unerlässlich zum diagnostischen Prozess. Die Fremdanamnese durch Angehörige, Bezugspersonen und das Pflegepersonal liefert wichtige Informationen über den prädeliranten Gesundheitszustand des Patienten und die Entwicklung der Symptomatik. Hinsichtlich der Erfassung der prädisponierenden Faktoren ist eine vollständige Medikamentenanamnese, insbesondere der letzten Tage vor Beginn der Symptomatik, wichtig.

Welche Rolle spielen somatische Vorerkrankungen in Bezug auf ein Delir?
Antwort:

Einem manifesten Delir liegen sehr häufig somatische Erkrankungen zugrunde.

Kommentar:

Im Hinblick auf mögliche Ursachen für ein Delir muss immer von einer zugrunde liegenden akuten oder chronischen körperlichen Erkrankung ausgegangen werden.

Auf welche somatischen Erkrankungen würden Sie bei Anamnese und Befunderhebung bei diesem Patienten achten?
Antwort:
  • Mögliche induzierende Substanzen,

  • metabolische Störungen wie Exsikkose, Elektrolytstörungen,

  • Infektionserkrankungen wie Pneumonie und Harnwegsinfekt,

  • kardiopulmonalen Erkrankungen,

  • ZNS-Erkrankungen.

Kommentar:

Bei den Ursachen für ein Delir ist immer an ein medikamenteninduziertes Delir zu denken. Häufige Ursachen sind Infektionen (v. a. Pneumonie und Harnwegsinfektionen) und metabolische Entgleisungen. Häufige Ursachen eines Delirs bei älteren Risikopatienten sind: s. ███[Tab. 1].

zu Frage 125

██Tab. 1

Wichtige Ursachen des Delirs (aus: Fischer u. Assem-Hilger in: Förstl 2003).

1. primär zerebrale Ursachen

II. sekundär zerebrale Ursachen

  • Schädel-Hirn-Trauma

  • Niereninsuffizienz (z. B. Urämie)

  • raumfordernde/neoplastische Prozesse (z. B. ZNS-Tumor)

  • Leberversagen

  • entzündliche Prozesse (z. B. Meningitis, Enzephalitis)

  • Anämie

  • vaskulär-ischämische Prozesse (z. B. hypertensive Enzephalopathie)

  • Hypoglykämie

  • Intoxikationen

  • Hypoxie bei respiratorischer Insuffizienz

  • Entzugssyndrome (z. B. Benzodiazepine)

  • Mangel an Vitaminen oder Spurenelementen (z. B. Thiaminmangel)

  • O2-Mangel

  • endokrine Störungen (z. B. Schilddrüse, Nebenschilddrüse)

  • Elektrokrampftherapie

  • Intoxikationen

  • Epilepsie

  • Medikamentennebenwirkungen

  • Primär-degenerative Erkrankungen (z. B. Demenz mit Lewy-Körperchen)

  • kardiovaskuläre Störungen

  • Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes

  • Infektionen

  • Thermoregulationsstörungen

  • Störungen der Sinnesorgane (Hörminderung, Blindheit)

Welche Medikamentengruppen führen häufig zu einem Delir?
Antwort:

V. a. Substanzen mit anticholinerger Wirksamkeit wie

  • niederpotente Neuroleptika,

  • trizyklische Antidepressiva,

  • bestimmte Antiparkinsonmittel,

  • Antihistaminika,

  • Spasmolytika,

aber auch andere Gruppen wie

  • Chemotherapeutika,

  • Antikonvulsiva,

  • Antazida,

  • Prokinetika,

  • Kardiaka,

  • Antihypertensiva.

Kommentar:

Besonders häufig werden Delirien durch Medikamente ausgelöst. Hinsichtlich ihrer Wirksamkeit beeinflussen viele dieser Medikamente das monoaminerge System erregend oder das cholinerge System hemmend. ███[Tab. 2] gibt eine Übersicht über Medikamente, die ein Delir induzieren können: s. ██[Tab. 2].

zu Frage 126

██Tab. 2

Medikamente, die ein Delir induzieren können.

Substanzgruppen

Einzelsubstanzen

Anticholinergika

Atropin, Scopolamin

Antihistaminika

Dimenhydrinat, Promethazin, Diphenhydramin, Hydroxyzin

Neuroleptika

Phenothiazine (Perazin, Chlorpromazin, Thioridazin, Promethazin) Clozapin, Olanzapin, (schwach Quetiapin)

Trizyklische Antidepressiva

Amitriptylin, Clomipramin, Desipramin, Imipramin, Doxepin

Andere Psychopharmaka

Lithium, Benzodiazepine

Analgetika

Opiate, Salicylate

Antikonvulsiva

Phenobarbital, Phenytoin, Valproinsäure

Antiparkinsonmittel

Amantadin, Biperiden, Trihexyphenidyl, Bromocriptin, L-Dopa

Chemotherapeutika

Gyrasehemmer, Sulfonamide, Penicillin, Clindamycin, Vancomycin, Cycloserin, Metronidazolin seltenen Fällen: Cephalosporine, Aminoglykoside, Nitrofurantoin, Cyclosporin, Aciclovir, Chloroquin, Isoniazid, Rifampicin, Amphotericin B

Kardiaka und Antihypertensiva

Digitalisglykoside, Clonidin, a-Methyldopa, Hydralazin, Diltiazem, Captopril, Propanolol, Furosemid, Chlortalidon

Gastrointestinale Medikamente

Cimetidin, Ranitidin

Sonstige

Aminophyllin, Theophyllin, Glukokortikostereoide, Lidocain, Procain, Pancuronium, Oxycodon

Würden Sie im o. g. Fall noch weitere diagnostische Maßnahmen ergreifen, und wenn ja, welche?
Antwort:

Die Diagnose eines postoperativen Delirs liegt nach Anamnese und Befund nahe.

Falls keine aktuellen Befunde apparativer Untersuchungen und kein aktuelles Labor vorliegen, sollten folgende Maßnahmen durchgeführt werden:

  • Laboruntersuchung mit Blutbild und Serumwerten mit Elektrolyten, Glukose, Kreatinin, Transaminasen und Entzündungsparametern,

  • aktuelles EKG,

  • je nach klinischem Bild auch ein Röntgen-Thorax oder

  • bei neurologischen Auffälligkeiten ein CCT oder MRT und

  • Blutuntersuchungen wie Thiamin, Folsäure, Vitamin B12.

Kommentar:

im Allgemeinen werden bei stationären Patienten, die konsiliarisch gesehen werden, Laborbefunde und apparative Untersuchungen vorliegen. im o. g. Fall dürften präoperativ ein EKG und ein Röntgen-Thorax mit hoher Wahrscheinlichkeit durchgeführt worden sein. Die empfohlenen diagnostischen Schritte umfassen nach Anamnese, psychopathologischer und körperlich-neurologischer Befunderhebung:

  • Laboruntersuchungen: Blutbild, Elektrolyte, Glukose, Kalzium, Albumin, Harnstoff, Kreatinin, Transaminasen, alkalische Phosphatase und Entzündungsparameter, – apparative Zusatzuntersuchungen: EKG, Röntgen-Thorax, ggfs. EEG und CCT/MRT.

  • Zusatzuntersuchungen, die darüber hinausgehen, sollten in Abhängigkeit vom klinischen Bild durchgeführt werden.

Wenn Sie die Diagnose „Delir" gestellt haben, welche therapeutischen Maßnahmen leiten Sie ein?
Antwort:

Maßnahmen:

  • Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung,

  • Absetzen möglicher, das Delir induzierender Medikamente und

  • Unterweisung des Pflegepersonals und der Bezugspersonen hinsichtlich nichtpharmakologischer Therapiemöglichkeiten sowie, wenn erforderlich,

  • eine medikamentöse Behandlung des Delir beginnen.

Kommentar:

Wann immer möglich, sollte eine kausale Therapie der dem Delir zugrunde liegenden Erkrankung erfolgen oder eine Reduktion/ Absetzen der potenziell induzierenden Medikamente. (s. Frage 129).

Welche nicht-medikamentösen Therapiemaßnahmen würden Sie empfehlen?
Antwort:

Maßnahmen:

  • Soweit möglich, sollten dem Patienten vertraute Bezugspersonen in die Betreuung tagsüber, aber auch nachts einbezogen werden.

  • Der Patient sollte in ein ruhiges, aber nicht reizarmes Zimmer verlegt werden.

  • Dem Patienten sollten alle an ihm vorgenommenen Maßnahmen erklärt werden.

  • Dem Patienten sollten Orientierungshilfen wie Kalender oder Uhr angeboten werden.

  • Fixierungen sollten nur bei drohender Selbst- und Eigengefährdung, die nicht anders abgewandt werden kann, durchgeführt werden.

Kommentar:

Die nichtpharmakologische Therapie ist ein überaus wichtiger Bestandteil der Behandlung. Sie umfasst den Einsatz von Tag- bzw. Nachtsitzwachen, die Einbindung von Angehörigen in die Betreuung, die Transferierung des Patienten in ein ruhiges Zimmer, das Angebot von Orientierungshilfen wie Wandkalender und Uhren, eine eindeutige und ruhige Interaktion und Kommunikation mit dem Patienten, die mögliche Reduktion von sensorischen Defiziten durch Brille und Hörgerät und wenn möglich die Vermeidung von körperlichen Beschränkungen durch sog. „Schutzfixierungen". Eine Fixierung stellt eine freiheitsberaubende Maßnahme dar, die außer in Notfallsituationen einer richterlichen Genehmigung bedarf. Sie sollte nur bei Eigen- oder Fremdgefährdung angewandt werden, wenn andere Maßnahmen (Isolierung, Abschirmung, Sitzwache) nicht zum Erfolg führen.

Wann würden Sie pharmakologische Therapiemaßnahmen ergreifen?
Antwort:
  • Wenn sich eigen- oder fremdgefährdendes Verhalten nicht durch andere Maßnahmen beeinflussen lässt,

  • wenn die Symptomatik so ausgeprägt ist, dass eine vitale Gefährdung des Patienten vorliegt, also notwendige therapeutische oder diagnostische Maßnahmen sonst nicht erfolgen können.

Kommentar:

Die pharmakologische Therapie des Delirs ist dann indiziert, wenn die Symptomatik so schwerwiegend ausgeprägt ist, dass für den Patienten eine vitale Gefährdung besteht bzw. notwendige diagnostische oder therapeutische Maßnahmen behindert werden. Auch die Fremdgefährdung durch aggressives Verhalten des Patienten zwingt manchmal zur pharmakologischen Behandlung. Selbstverständlich sollte auch immer dann medikamentös behandelt werden, wenn nicht-pharmakologische Strategien nicht bald zu einer Besserung führen.

Wie würden Sie ein Delir pharmakologisch behandeln?
Antwort:

Bewährt hat sich die Behandlung mit Haloperidol oral oder parenteral.

  • Zur Sedierung oder zum Schlafanstoß bieten sich niedrigpotenten Neuroleptika wie Melperon oder Pipamperon an.

  • Anticholinerge Substanzen wie Promethazin oder Levomepromazin sollte man wegen der negativen Auswirkungen auf die kognitive Symptomatik bzw. einer möglichen Verstärkung des Delirs vermeiden.

  • Alternativ zum Haloperidol könnte man mit neueren Antipsychotika wie Risperidon behandeln.

Kommentar:

Haloperidol hat sich wegen seiner guten Wirksamkeit gegen produktiv-psychotische Symptome sowie psychomotorische Erregungszustände, wegen der geringen kardialen und pulmonalen Nebenwirkungen und niedriger anticholinerger Aktivität gut bewährt und wird in den Behandlungsrichtlinien der American Psychiatric Association als Goldstandard empfohlen.

Wird eine stärkere Sedierung gewünscht, haben sich insbesondere in der Behandlung älterer Patienten die niederpotenten Neuroleptika Melperon und Pipamperon bewährt. Auch sie haben ein günstiges kardiopulmonales Nebenwirkungsprofil.

Für den Einsatz neuerer Antipsychotika wie Risperidon oder Quetiapin gibt es Hinweise für eine dem Haldol vergleichbare Wirksamkeit, aber keine in Studien nachgewiesene Evidenz.

Wie würden Sie hinsichtlich der Dosierung bei der Delirbehandlung vorgehen?
Antwort:
  • Grundsätzlich sollte niedrig dosiert werden und jedes Präparat nur so kurz wie nötig einsetzen.

  • Haloperidol initial 0,5 – 1 mg oral oder parenteral, bei agitierten Patienten 2 – 5 mg. Die Anfangsdosis kann bis zu 3-mal wiederholt werden, 2 – 3 Tage Erhaltungstherapie mit 2 – 3-mal täglicher Gabe von 0,5 – 3 mg bis zum sistieren der Symptomatik.

  • Melperon bis zu 3-mal täglich 25 – 50 mg.

  • Pipamperon bis zu 3-mal täglich 20 – 40 mg mit Schwerpunkt auf der nächtlichen Dosis.

  • Begleitender Einsatz von Benzodiazepinen zur Sedierung und Anxiolyse.

Kommentar:

Abseits der Therapieempfehlungen können bei schwersten Delirien in Abhängigkeit von der Symptomatik auch deutlich höhere Dosen von Haloperido erforderlich sein. in diesem Fall ist eine intensive Überwachung der Vitalparameter erforderlich.

  • Meiperon Tagesgesamtdosis von 300 mg,

  • Pipamperon Tagesgesamtdosis von 360 mg.

  • Zu den atypischen Neuroleptika liegen Einzelfallberichte über eine erfolgreiche Behandlung vor – Clozapin und Olanzapin sind aufgrund ihrer anticholinergen

  • Eigenschaften nicht indiziert, für Risperidon finden sich viele positive Berichte in Dosierungen von 2 – 3 mg/d. insgesamt ist die Datenlage für eine generelle

  • Empfehlung aber nicht hinreichend.

Wie lautet ihre Verdachtsdiagnose im folgenden Fall?:
Sie übernehmen von der Intensivstation einen 23-jährigen Mann, der nach einem Suizidversuch durch Erhängen mehrere Tage im Koma lag. Er kann sich an den Suizidversuch nicht erinnern, auch nicht an die vorangehenden Tage. Er erkennt Pflegepersonal und Ärzte am nächsten Tag nicht wieder, kann sich die Stationsordnung nicht einprägen oder auf welchem Zimmer er liegt. Seine Erinnerung an die Schulzeit und seine Berufsausbildung hingegen ist lebendig und kann von i hm zusammenhängend und korrekt wiedergegeben werden.
Antwort:

Organisch amnestisches Syndrom.

Kommentar:

Das organisch amnestische Syndrom weißt folgende Merkmale auf

  • Beeinträchtigung des Neugedächtnisses (das Lernen von neuem Material ist beeinträchtigt,) bei im Wesentlichen erhaltenen Altgedächtnis, antero- und retrograde Amnesie, die verminderte Fähigkeit, vergangene Ereignisse in ihrer chronologischen Reihenfolge zu erinnern,

  • anamnestischer oder objektiver Nachweis einer Hirnschädigung oder einer Hirnerkrankung (insbesondere bilateral dienzephale oder mediotemporale Strukturen betreffend),

  • Fehlen einer Störung des Immediatgedächtnisses (der unmittelbaren Wiedergabe),

  • Fehlen von Aufmerksamkeits- und Bewusstseinsstörungen,

  • Fehlen der Beeinträchtigung allgemeiner intellektueller Fähigkeiten.

Welche wesentlichen Ursachen für ein organisch amnestisches Syndrom kennen Sie?
Antwort:

Wesentliche Ursachen:

  • Schädel-Hirn-Traumata,

  • zerebrovaskuläre Ursachen,

  • Herpes-simplex-Enzephalitis,

  • Wernicke-Korsakoff-Enzephalopathie,

  • Kohlenmonoxidintoxikationen,

  • Strangulationen,

  • Zustände nach Reanimation.

Kommentar:

Die Hauptursachen des organisch amnestischen Syndroms lassen sich in 3 Hauptgruppen einteilen: Hirnerkrankungen, systemische Erkrankungen und Medikamente/Drogen.

Die häufigsten zugrunde liegenden Hirnerkrankungen sind:

  • Schädel-Hirn-Traumata,

  • zerebrovaskuläre Erkrankungen,

  • epileptische Anfälle,

  • Hypoxien (nach Suizidversuch durch Erhängen oder Reanimation),

  • Kohlenmonoxidvergiftungen,

  • Herpes-simplex-Enzephalitis,

  • Multiple Sklerose.

Die wichtigsten systemischen Störungen sind:

  • Thiaminmangel,

  • Hypoglykämien.

Die häufigsten pharmakologischen Ursachen sind:

  • Benzodiazepine und andere Sedativa,

  • Alkohol und andere Neurotoxine.