Krankenhaushygiene up2date 2015; 10(04): 235
DOI: 10.1055/s-0041-110498
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Zählt wirklich jede Sekunde bei der Antibiotikatherapie des septischen Schocks?

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Publication Date:
28 December 2015 (online)

Fazit

Die vorliegende Studie beleuchtet ein Dilemma der modernen Medizin, welches unter dem Stichwort „das Gegenteil von gut ist manchmal gut gemeint“, zusammengefasst werden kann. Unbestreitbar ist die möglichst schnelle Gabe des richtigen Antibiotikums eine sehr wichtige Therapiemaßnahme bei der Behandlung der schweren Sepsis oder des septischen Schockes neben der allgemeinintensivmedizinischen, symptom- und zielorientierten Therapie. Insofern ist der Begriff der „goldenen Stunde“ durchaus für Schulung und Bewusstseinsbildung geeignet, taugt aber im Sinne der evidenzbasierten Medizin wenig als sanktionsbewehrter Qualitätsindikator der medizinischen Versorgung. Ähnliche Erfahrungen hat man bei der Festlegung bestimmter Einzelparameter des intensivmedizinischen Bündels aus der ursprünglichen Rivers-Studie zu Behandlung des septischen Schockes und deren Missbrauch als Qualitätsindikator gemacht. Für die Praxis bleibt daher festzuhalten, dass die schnellstmögliche Stellung der Verdachtsdiagnose durch adäquate Organisation der Patientenversorgung in der Notaufnahme, aber auch bei bereits stationären Patienten; das konsequente Einleiten einer Intensivtherapie nach individualmedizinischen Gesichtspunkten und die ebenfalls möglichst rasche Gabe der richtigen Antibiotikatherapie anzustreben sind. Die Fixierung auf bestimmte Zeitpunkte für bestimmte Maßnahmen für Pay-for-Peformance-Zwecke erhöhen dabei eher den bürokratischen Aufwand, lenken womöglich von der eigentlichen Patientenversorgung ab und sind nach heutigem Wissenstand nicht als evidenzbasierte, sinnvolle Qualitätsindikatoren anzusehen.