Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(08): e58
DOI: 10.1055/s-0038-1668031
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie erklären sich Krebspatienten Ihre Erkrankung? Die Bedeutsamkeit von Kausalattributionen – eine systematische Literaturrecherche

I Otto
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Psychologie, Berlin, Deutschland
,
C Hilger
2   Berlin, Deutschland
,
D Fodor
2   Berlin, Deutschland
,
F Kendel
2   Berlin, Deutschland
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
06 August 2018 (online)

 

Einleitung:

Nach kritischen Lebensereignissen, wie einer Krebsdiagnose, ist es ein grundlegendes Bedürfnis nach Erklärungen und Ursachen (kausalen Attributionen) zu suchen. Studien zeigen einen starken Zusammenhang zwischen subjektiven Kausalattributionen von Krebspatienten sowohl mit ihrem psychischen Wohlbefinden als auch mit dem Krankheitsstatus. Ziel dieser Studie war die Identifizierung, Untersuchung und Zusammenfassung der Kausalattributionen von Krebspatienten. Außerdem sollte der Zusammenhang von Kausalattributionen mit Bewältigungsstrategien und Krankheitsstatus dargestellt werden.

Materialien & Methoden:

Eine systematische Literaturrecherche unter Verwendung von PsychINFO, PubMed und Web of Science als Datenbanken wurde durchgeführt. Suchbegriffe waren „Krankheitswahrnehmung“ und „Krebs“. Die Einschlusskriterien waren ein Publikationsdatum nach 1997, die Untersuchung der Kausalattributionen bei Krebspatienten, quantitative Methodik und englische Sprache.

Ergebnisse:

Die Literaturrecherche ergab 1096 Artikel, von denen 28 die Einschlusskriterien erfüllten. Die meisten Erklärungen für die Entstehung von Krebs waren psychosozialer und biologischer Natur. Psychosoziale Attributionen waren häufig mit dysfunktionalen Bewältigungsstrategien und psychischem Stress verbunden. Unterschiede zwischen den Krebsarten wurden nicht gefunden.

Diskussion:

Zwei Aspekte wurden deutlich:

  1. Kausalattributionen haben einen großen Einfluss auf das Bewältigungsverhalten. Dieser Zusammenhang kann durch die interne oder externe Zuschreibung der Kausalattributionen sowie deren wahrgenommene Kontrollierbarkeit erklärt werden (locus of control theory; Rotter, 1966). Neben biologischen werden vor allem psychosoziale Attributionen von Krebspatienten angeführt, die meist internal begründet sind. Für eine adaptive Bewältigung ist bei internalen psychosozialen Attributionen eine hohe wahrgenommene Kontrollierbarkeit notwendig. Jedoch berichten die eingeschlossenen Studien hauptsächlich negative Assoziationen mit psychosozialen Attributionen, was auf eine geringe wahrgenommene Kontrollierbarkeit der Attributionen hindeutet.

  2. Die Kausalattributionen der Krebspatienten unterscheiden sich von der gegenwärtigen Expertenmeinung. Eine Erklärung könnte sein, dass Krebspatienten nicht ausschließlich Informationen von Gesundheitsexperten beziehen, sondern auch auf der Grundlage von individuellen Erfahrungen, emotionalen Reaktionen und körperlichen Symptomen eine kognitive Krankheitsrepräsentation entwickeln (Common-Sense Modell; Leventhal, 1970).

Fazit:

Da Kausalattributionen mit dem Wohlbefinden und dysfunktionalen Bewältigungsstrategien zusammenhängen, scheint es aus einer ärztlichen Perspektive sinnvoll, die Kausalattributionen der Patienten zu erfassen. Die Diskussion und Modifikation von maladaptiven Attributen kann möglicherweise das emotionale Wohlbefinden und die Therapieadhärenz der Patienten erhöhen.