Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(08): e36
DOI: 10.1055/s-0038-1667967
SYMPOSIEN
Sozialpsychologische Perspektiven auf gegenwärtige Formen von Körpern & ihrer Modifikation
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Praktiken digitaler Selbstvermessung – Ambivalenzen quantifizierter Lebensführung

T Dohnt
1   Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Soziologie, München, Deutschland
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Publication Date:
06 August 2018 (online)

 

Einleitung:

Das aktuelle Phänomen der digitalen Selbstvermessung, oft mit der avantgardistischen Quantified-Self-Gemeinschaft gleichgesetzt, steht für ein umfassendes Sammeln von eigenen Körper- und Verhaltensmerkmalen mittels unterschiedlicher digitaler Messtechnik (Wearables/Apps). Die Parameter, wie etwa Körpergewicht, Puls, Schritte oder Kalorien, werden numerisch erhoben und als Zahl, Quotient oder in Diagrammen dargestellt. Daraus soll, so ein formuliertes Ziel der Messenden, ein durch Feedback-Schleifen hervorgebrachtes „Self-knowledge through numbers“ gewonnen und auf unterschiedliche Lebensbereiche (z.B. Gesundheit, Fitness, Produktivität) angewendet werden. Dies wird zum Anlass für einen reflektierenden Umgang mit erzeugtem Wissen über sich selbst genommen.

Material & Methoden:

Überblick über die aktuelle Forschungsliteratur und eigener Forschungsarbeit mit narrativen Interviews und ethnografischer Erhebungs- und Auswertungsmethoden.

Ergebnisse:

Durch die quantitative Selbstvermessung wird der Körper zum individuellen Gestaltungs- und Wissensobjekt. Hierbei wechseln sich Momente der Disziplinierung des Körpers mit zur Selbstermächtigung führenden Handlungen ab. Einerseits wird der Körper einer Rationalisierungs- und Optimierungslogik durch den numerischen Datenumgang unterworfen. Andererseits ergibt sich so ein reflektiert selbstbestimmtes Handeln durch das hervorgebrachte Wissen. Trotz unterschiedlicher Vermessungspraktiken, zeigt sich ein Herstellen eines Einschätzungsvermögens im Umgang mit und Gestaltung von dem eigenen Körper. Bislang wurden hierfür überwiegend die Vermessungspraktiken der QS-Gemeinschaft fokussiert.

Diskussion:

Mit Fokus auf Praktiken jenseits der QS-Gemeinschaft und der Hervorbringung eines Einschätzungsvermögens, lassen sich so Distanzierungen zu Selbstvermessungsaufforderungen ausmachen.

Schlussfolgerung:

Die bislang von der Soziologie hauptsächlich untersuchten Vermessungspraktiken der QS-Gemeinschaft zeigen nur einen Ausschnitt möglicher Selbstvermessungspraktiken.