physioscience 2015; 11(04): 133
DOI: 10.1055/s-0035-1566762
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

B. Tampin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. Dezember 2015 (online)

Veröffentlichung von Studienprotokollen – jetzt auch in physioscience

Unter der Rubrik „gelesen und kommentiert“ dieser Ausgabe stelle ich im Journal of Physiotherapy veröffentlichte Arbeiten vor. Dabei geht es mir weniger um das behandelte Thema (Evidenz der Wirksamkeit von Kinesio Taping) als vielmehr um die Darstellung, wie idealerweise im Forschungsbereich ein bestimmtes Thema von A bis Z bearbeitet werden sollte bzw. wie eigentlich jede einzelne Forschungsarbeit aufgebaut wird. Es beginnt mit der Literatursuche, d. h. was gibt es bereits an Erkenntnissen zum Thema (in diesem Beispiel eine systematische Literaturübersicht). Man erstellt ein Studienprotokoll der durchzuführenden Studie, welches den Hintergrund, die Ziele und Methodik der Arbeit darlegt, und letztendlich sollten die Ergebnisse veröffentlicht werden. Im angeführten Beispiel haben die Forscher sowohl ihr Studienprotokoll als auch ihre durchgeführte Studie mit den Resultaten im Journal of Physiotherapy veröffentlicht. Das Studienprotokoll wurde im Brazilian Registry of Clinical Trials registriert.

Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) fordert, klinische Studien (Clinical trials), d. h. Studien, bei denen die Teilnehmer eine Intervention erhalten, prospektiv in einem öffentlichen Register für klinischer Studien zu registrieren. Mehrere Register, die Teil der WHO International Clinical Trials Registry Platform oder der ClinicalTrials.gov sind, stehen zur Verfügung (www.who.int/ictrp/network/primary/en/). Sie sind für die Öffentlichkeit zugänglich, so dass jedermann Einsicht in geplante Studien bekommen kann. Für deutschsprachige klinische Studien stehen das deutsche Register (DRKS; www.drks-neu.uniklinik-freiburg.de/drks_web/setLocale_DE.do) sowie das Schweizer Register (www.kofam.ch/de/studienportal/klinische-versuche-registrieren) zur Verfügung.

Die Registrierung klinischer Studien ist prospektiv, d. h. sie soll vor der Rekrutierung des 1. Studienteilnehmers erfolgen. Die Registrierung hat folgende Zielsetzungen:

  • Die Transparenz der Forschung zu verbessern: Publikationsbias und „Selective Reporting” (z. B. werden nur positive Ergebnisse anstatt die Ergebnisse aller Outcome Measures veröffentlicht) können aufgedeckt oder verhindert werden.

  • Die Teilnahme an Studien zu erleichtern: Interessierte haben Zugang zu angesehenen und umfangreichen Online-Registern, in denen die auf dem Gesundheitsgebiet durchgeführten Studien gelistet sind.

  • Doppelpublikationen zu verhindern.

  • Identifikation möglicher Forschungsgebiete: Die Beschreibung klinischer Studien ermöglicht es, Lücken in der Forschung zu erkennen.

  • Förderung von Forschungskollaborationen.

  • Verbesserung der Qualität klinischer Studien: Bei der Registrierung wird jede Studie bezüglich ihres Designs überprüft. Unter Umständen werden Mängel oder mögliche Schwierigkeiten aufgedeckt (z. B. problematische Randomisierung), wodurch sich die Qualität der Studie bereits frühzeitig im Prozess verbessern lässt.

Diese Zielsetzungen gelten auch für Forschungen mit alternativen Designs, z. B. beobachtende Studien (nicht klinische Studien). Aus diesem Grund bestärkt die ICMJE die Registrierung von nicht klinischen Studien, verlangt sie aber nicht.

Die Registrierung klinischer Studien ist mittlerweile bei vielen Ethikkommissionen Voraussetzung für die Bewilligung der Studiendurchführung und bei vielen wissenschaftlichen Zeitschriften für eine Veröffentlichung. Die Direktion der International Society of Physiotherapy Journal Editors (ISPJE) empfehlt ihren Mitgliederzeitschriften dringend, diese Richtlinie zu übernehmen [1], und einige Zeitschriften haben sie bereits umgesetzt (www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3677183).

Manche wissenschaftlichen Zeitschriften unterstützen auch die Veröffentlichung von Studienprotokollen. Ähnlich der Zielsetzungen der klinischen Register tragen die Veröffentlichungen dazu bei, (1) Physiotherapeuten darüber auf dem neuesten Stand zu halten, was in der Forschung passiert, (2) sie über neue Ideen zu informieren, die die Entwicklung klinischer Studien vorantreiben und (3) Duplikationen zu verhindern sowie die Kooperation unter Forschern unterschiedlicher Fakultäten zu fördern.

Die Herausgeber der physioscience haben sich entschlossen, in Zukunft auch Studienprotokolle zu publizieren. Diese sollen jedoch keineswegs Originalarbeiten ersetzen, sondern als Ergänzung hinzukommen.

Die Protokolle werden auf ihre Relevanz, Qualität und Zielgruppe überprüft. Ein Kommentar hebt die Stärken und Limitationen der Studie hervor, um so den Lesern eine Hilfestellung bei deren Interpretation zu geben. Das erste Studienprotokoll findet sich in der vorliegenden Ausgabe unter der Rubrik „gelesen und kommentiert“ (S. 171). Im nächsten Heft wird dann ein weiteres Beispiel vorgestellt.

 
  • Literatur

  • 1 Costa Leonardo OP, Chung-Wei Lin C, Grossi Bevilaqua D et al. Clinical Trial Registration in Physiotherapy Journals: Recommendations from the International Society of Physiotherapy Journal Editors. Cardiopulm Phys Ther J 2013; 24: 4-6