Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46(05): 278-285
DOI: 10.1055/s-0034-1390472
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arthroskopische Operationen am Handgelenk

Arthroscopic Procedures at the Wrist
Karl-Josef Prommersberger
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Publication Date:
07 October 2014 (online)

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Karl-Josef Prommersberger

Ich erinnere mich noch als sei es gestern gewesen, dabei ist es 30 Jahre her. Als PJ-Student, Wahlfach Orthopädie, war ich als 2. Assistent für eine Meniskusresektion eingeteilt. Beim Waschen sagte der Operateur, Facharzt für Orthopädie und angehender Oberarzt der orthopädischen Universitätsklinik: „Heute beginnt eine neue Epoche an unserer Klinik. Ich werde den Meniskus arthroskopisch resezieren“. Die Operation dauerte 2 Stunden. Wir alle, auch ich, waren sehr stolz auf unsere Leistung. Am nächsten Morgen erschien der Klinikdirektor in der Frühbesprechung, was er sonst fast nie tat. Anscheinend beiläufig fragte er, wie lange denn die Meniskusresektion gestern Nachmittag gedauert habe. Ich weiß nicht mehr, ob er die Antwort abwartete oder gleich losbrüllte „2 Stunden für eine Operation, für die ich 10 min brauche“.

Wenn ich lese, dass Paco (Francisco del Pinal), den ich für einen exzellenten Handchirurgen halte, für eine arthroskopische Four-Corner-Arthrodese (A-4CA) mit Resektion des Kahnbeines eine Schnitt-Naht-Zeit entsprechend der vollen Blutsperrezeit von 2 Stunden braucht [1], und weiß, dass weniger begnadete Operateure gar 4 Stunden brauchen, ich meinen Assistenten in der Ausbildung zum Handchirurgen für eine offen durchgeführte 4CA aber nur eine „T-Zeit“ (= Zeit vom Reinfahren des Patienten bis zum Reinfahren des nächsten Patienten) von 90 min einräumen kann, damit unser OP-Programm zu schaffen ist, dann muss es erlaubt sein, nach den Vorteilen der A-4CA zu fragen.

Bis dato kann ich abgesehen von dem ästhetischen Moment der kleineren Narben keine bzw. nur theoretische Vorteile der A-4CA gegenüber der offen durchgeführten 4CA erkennen. Den genauen Knorpelstatus des Karpus kann man bei Bedarf durch eine dem offenen Vorgehen vorangestellte Arthroskopie erheben. Dass der Erhalt des N. interosseous posterior als wesentlich für die Propriozeption des Handgelenkes verantwortlicher Nerv möglicherweise ein Fortschreiten der degenerativen Veränderungen verringert und zu einer „besseren Heilung“ führt [1], ist zweifelsohne eine berechtigte Überlegung. Nur, ist der Umstand, dass Patienten mit 4CA im Langzeitverlauf nach 10 und mehr Jahren trotz teils deutlicher degenerativer Veränderungen im Röntgenbild weiterhin so schmerzgemindert sind, dass sie keiner weiteren Operation bedürfen [2], nicht gerade das Ergebnis der Resektion des N. interosseous posterior? Es ist sicher richtig, dass sich durch die kleineren Zugänge bei der A-4CA Bänder und Kapsel des Handgelenkes und damit die Blutversorgung der Karpalia besser schonen lassen als beim offenen Vorgehen. Man kann erwarten, dass dies zu einer rascheren Heilung und besseren Beweglichkeit führt. Den Beweis hierfür gilt es jedoch zu erbringen. Einer der 17 von Paco persönlich operierten Patienten hatte Probleme mit der Knochenheilung [1], das sind 5,9%. Die Pseudarthrosenrate der 594 4CA, die in Bad Neustadt zwischen 1992 und 2001 operiert wurden, lag bei 3,7% [2]. Die meisten dieser Operationen wurden von Assistenten in der Ausbildung zum Handchirurgen ohne Supervision durchgeführt.

Es lässt sich nicht verschweigen, ich bin skeptisch, ob uns die arthroskopische Handgelenkschirurgie das bringt, was sie uns verspricht, skeptisch, ob die klinischen Ergebnisse den vermehrten Zeitaufwand rechtfertigen werden. Und doch, ich werde bei nächster Gelegenheit nach Santander fahren und mir eine A-4CA bei Paco anschauen. Auch vor 30 Jahren waren Skepsis und Zahl der Skeptiker groß. Aber wer würde heute noch eine offene Meniskusresektion vornehmen oder den Meniskus noch vollständig resezieren? Niemand. Wir müssen uns mit der arthroskopischen Handgelenkschirurgie auseinandersetzen.

Das Vorgehen bei der Versorgung intraartikulärer distaler Radiusfrakturen mittels Grobreposition, Anbringen einer palmaren winkelstabilen Platte und arthroskopischer Feinreposition der Speichengelenkfläche ist in Innsbruck/Österreich und in Yamaguchi/Japan nahezu identisch. Martin Lutz [3] und Yukio Abe [4]verwenden beide Ringerlösung bei der Arthroskopie. Sie berichten übereinstimmend, dass sie trotzdem nie die Probleme eines Kompartmentsyndroms sahen. Francisco del Pinal führt hingegen auch die arthroskopische Versorgung komplexer intraartikulärer Radiusfrakturen als „trockene“ Arthroskopie durch. Man muss beobachten, ob eines der Verfahren Vorteile gegenüber dem anderen hat oder ob letztendlich die Vorliebe des Operateurs ausschlaggebend ist. Hochinteressant ist, dass sowohl Lutz als auch Abe berichten, dass nach der unter Bildwandlerkontrolle durchgeführten und als gut eingeschätzten Reposition der Speichengelenkfläche sich bei der Arthroskopie praktisch bei allen Patienten Gelenkstufen fanden, teils sogar über 2 mm hoch, die arthroskopisch reduziert werden konnten. Dies entspricht unseren Beobachtungen bei der Versorgung komplexer intraartikulärer distaler Radiusfrakturen über einen Doppelzugang mit Grobreposition beim Anbringen der palmaren Platte und Feinreposition via Arthrotomie von dorsal [5]. Auch hierbei überrascht die Höhe der verbliebenen Gelenkstufen im Vergleich zur Einschätzung mittels Bildwandler.

Die arthroskopische, bzw. arthroskopisch unterstützte Versorgung ulnarer Abrisse des TFCC war die erste größere arthroskopische Operation am Handgelenk. Anfänglich erfolgte die Refixation des TFCC am Boden des 6. Strecksehnenfaches. Genauere Kenntnisse der Anatomie und Pathobiomechanik haben zu einer differenzierten Therapie geführt. Isolierte ulnare Abrisse des tiefen Anteils des TFCC werden ebenso wie Komplettabrisse transossär an der Ulna, isolierte Abrisse des oberflächlichen Teils weiterhin am Boden des 6. Strecksehnenfaches refixiert [6]. Während Komplettabrisse und Abrisse des oberflächlichen Anteils bei der Handgelenksspiegelung von radiokarpal her zu sehen sind, können isolierte Abrisse des tiefen Anteils des TFCC mittels der Standardarthroskopie von radiokarpal nicht direkt visualisiert werden. Der Spannungsverlust des TFCC bei intaktem oberflächlichem Anteil (Trampolin-Test)sowie ein leicht mit dem Tasthaken abzuhebender TFCC sind indirekte Zeichen für einen isolierten ulnaren Abriss des tiefen Anteils des TFCC. Um einen isolierten Abriss des TFCC in der Fovea ulnaris direkt zu visualisieren, bedarf es der Arthroskopie des distalen Radioulnargelenkes (DRUG) [7].

Abhängig vom Zustand der radioulnaren Bänder an ihrem Ansatz in der Fovea ulnaris bei der Arthroskopie des DRUG beschreibt Toshi Nakamura einen Behandlungsalgorithmus vom einfachen Debridement, über die arthroskopische transossäre Refixation und den Bandersatz mittels eines gestielten Streifens der Sehne des Extensor carpi ulnaris bis hin zur Ulnaverkürzungsosteotomie [7]. Der Behandlungsalgorithmus ist einleuchtend, bedarf aber sicher der weiteren Differenzierung. So gilt es meines Erachtens neben der Ulnavarianz auch die Form des DRUG zu berücksichtigen.

Beiträge von Nicola Borisch, der diesjährigen Präsidentin des DGH-Kongresses, zur arthroskopischen Resektion dorsaler Handgelenksganglien und zur Arthroskopie des Fingergrundgelenkes schließen dieses Schwerpunktheft „Arthroskopische Handgelenkseingriffe“ ab [8] [9]. Möge das Heft Anreiz sein, sich mit der Thematik kritisch auseinanderzusetzen im Bestreben zu erkennen, was sinnvoll ist, da es echte Vorteile für unsere Patienten bringt, und was nicht. Ich danke Karlheinz Kalb und Thomas Pillukat, die neben ihrer umfangreichen klinischen Arbeit, Zeit fanden, die Beiträge zu diesem Heft zu begutachten und zu editieren.

Bad Neustadt im September 2014

Karl-Josef Prommersberger

 
  • Literatur

  • 1 Del Pinal F, Tandioy-Delgado F. (Dry) Arthroscopic Partial Wrist Arthrodesis: Tips and Tricks. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 300-306
  • 2 Neubrech F, Mühldorfer-Fodor M, Pillukat T et al. Long-term results after midcarpal arthrodesis. J Wrist Surg 2012; 1: 123-128
  • 3 Lutz M, Wieland T, Deml C et al. Arthroskopisch assistierte Versorgung dorsal dislozierter distal intraartikulärer Speichenfrakturen – Technik und Ergebnisse. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 271-277
  • 4 Abe Y. Plate Presetting and Arthroscopic Reduction Technique (PART) for Treatment of Distal Radius Fractures. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 278-285
  • 5 Prommersberger KJ. Intraarticular fractures of the distal radius (AO types C3, with special focus in C3.3), open approach. In: Garcia-Elias M, Mathoulin C. Articular injuries of the wrist. Thieme; Stuttgart: 2014: 105-110
  • 6 Tünnerhoff H-G, Langer M. Arthroskopische Refixation des TFCC bei ulnarer Ruptur. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 286-294
  • 7 Nakamura T, Matsumura N, Iwamoto T et al. Arthroscopy of the Distal Radioulnar Joint. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 295-299
  • 8 Borisch N. Die arthroskopische Resektion dorsaler Handgelenksganglien. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 307-313
  • 9 Borisch N. Die Arthroskopie der Fingergrundgelenke. Handchir Mikrochir Plast Chir 2014; 46: 314-319