XX Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin 2013; 2(5): 304
DOI: 10.1055/s-0033-1363185
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

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Daniela Sandrock
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Publication Date:
13 January 2014 (online)

Diagnose Vaterkomplex

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Geteiltes Leid ist halbes Leid – dachte sich wohl Carolin Wittmann und schrieb sich auf 288 Seiten ihr Leben als Tochter eines Allgemeinmediziners von der Seele. Die Autorin geht dabei schonungslos auf die medizinischen Marotten ihres (Über-)Vaters ein, der auch ohne Promotion – zu ihrem Entsetzen – selbstverständlich als „Herr Doktor“ angesprochen wird. Auch ihre Mutter ist an der Seite des Familienoberhaupts „immer in Bereitschaft“. Mit einer Prise Selbstironie studiert sie ihre Krankenakte und die ihrer beiden nicht minder wehleidigen Schwestern. Eins wird schnell klar: Wer quasi in einer Arztpraxis aufwächst, muss hart im Nehmen sein: Krank sein „muss man aushalten“, Berufsperspektiven werden schon im Keim seziert und das Sexualleben in Anwesenheit des noch pubertierenden Freundes über den Küchentisch gezogen – aus rein medizinischer Sicht versteht sich. Caroline Wittmann sagt selbst im Klappentext, dass sie dank ihrem Vater gelernt hat, „die Arschbacken zusammenzukneifen. Vor allem, wenn er versucht, ein Zäpfchen hineinzuschieben“. Klingt lustig, ist lustig. Warum sie sich letztendlich gegen das Medizinstudium und für die „brotlose Kunst“ des Schreibens entschied – und wie die Welt aus den Fugen geraten kann, wenn der „Halbgott in Weiß“ selbst sterbenskrank wird –davon handelt dieses Buch. Empfehlenswert für alle Arzttöchter, die das Schicksal der Autorin teilen (wollen).

Daniela Sandrock, Stuttgart