Fortschr Neurol Psychiatr 2013; 81(8): 452-458
DOI: 10.1055/s-0033-1335993
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Erfassung von Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) bei Epilepsie

Assessing Activities of Daily Living in Patients with Epilepsy
C. Helmstaedter
,
F. Droege
,
J.-A. Witt
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Publication Date:
12 August 2013 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Neuropsychologische Testverfahren und Selbstbeurteilungen kognitiver Leistungen lassen nur bedingt einen Rückschluss auf die Alltagsfunktionalität von Patienten mit Epilepsie zu. Diesbezüglich wurde untersucht, ob ein Fragebogen zu Häufigkeiten alltäglicher Aktivitäten eine zusätzliche diagnostische Auskunft liefert.

Methoden: Insgesamt wurden 180 konsekutive Patienten mit Epilepsie mittels eines an 536 Gesunden standardisierten Fragebogens untersucht, der in vier Teilen 1. subjektive Angaben zu Defiziten in kognitiven Leistungen, 2. zur Stimmung, 3. zu Häufigkeiten von Leistungsproblemen im Alltag und 4. zu 36 Alltagsaktivitäten (ADL-Track) abfragt. Die Ergebnisse wurden zueinander und zu Ergebnissen einer neuropsychologischen Untersuchung in Beziehung gesetzt.

Ergebnisse: Gegenüber dem Normkollektiv zeigten 25 – 34 % der Patienten mit Epilepsie reduzierte Alltagsaktivitäten im sozialen und häuslichen Bereich sowie bezogen auf die Mobilität (OR = 2,07 – 2,79). Die Häufigkeiten der Alltagsaktivitäten in den verschiedenen Bereichen korrelierten mit subjektiv wahrgenommenen Defiziten hinsichtlich „Aufmerksamkeit“ und „Praxie“ sowie mit objektiven Tests zur Aufmerksamkeit, Sprachleistung, Intelligenz und Merkfähigkeit. Eine negative Stimmungslage korrelierte signifikant mit allen subjektiv berichteten Leistungsdefiziten und erhöhte das Risiko einer geminderten Alltagsaktivität um das Zwei- bis Dreifache. Unter Berücksichtigung von Stimmung sowie subjektiver und objektiver Leistungsfähigkeit konnten 9 – 22 % der Varianz in den berichteten Alltagsaktivitäten aufgeklärt werden.

Schlussfolgerung: Der zur Erfassung von Alltagsaktivitäten entwickelte Fragebogen ADL-Track erweist sich im Vergleich zu subjektiven Angaben zur Leistungsfähigkeit als stimmungsunabhängiger, er zeigt wichtige Bezüge zur subjektiven und insbesondere objektiven Leistungsfähigkeit und erfasst darüber hinausgehend einen Verhaltensbereich, der nicht über die bislang übliche Diagnostik abgedeckt wird. Häufigkeiten von Alltagsaktivitäten könnten bei Epilepsien als zusätzlicher Outcomeparameter insbesondere bei längerem Beobachtungsintervall von Interesse sein.

Abstract

Background: Objective cognitive assessment and subjective self-assessment do not sufficiently reflect actual daily routines and everyday functioning of patients with epilepsy. The study at hand examined whether a questionnaire assessing the activities of daily living provides additional diagnostic information.

Methods: A total of 180 consecutive patients with epilepsy received a questionnaire addressing (i) mood, (ii) subjective cognitive performance as well as (iii) frequencies of subjective problems in everyday life and (iv) 36 activities of daily living (ADL-Track). Normative data were based on 536 healthy volunteers. Analysis focused on the interrelation among these subjective measures as well as their relation to objective neuropsychological performance.

Results: Compared to the normative sample, social activities, home activities, and mobility were reduced in 25 – 34 % of the patients (OR = 2.07 – 2.79). Frequencies of activities of daily living reflect the results of subjective performance ratings (“attention”, “praxia”) and objective performance in attention, language, intelligence and memory. A negative mood showed highly significant correlations with subjective complaints and increased the risk of reduced activities by a factor of 2 – 3. Multiple regression analyses explained between 9 – 22 % of the variance of the ADL-Track scales.

Conclusion: The ADL-Track, a questionnaire on frequencies of activities of daily living, appears more independent from mood than subjective complaints and it shows relevant correlations with subjective and even more with objective cognitive measures. Moreover, it indicates a behavioural domain in epilepsy which is not yet covered by standard diagnostics. When applied longitudinally, the ADL-Track may well turn out to be a valuable longer-term outcome parameter with regard to epilepsy and its treatment.