ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2012; 121(07/08): 372-373
DOI: 10.1055/s-0032-1325243
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Adhäsives Befestigungskomposit – Neue Standards für indirekte adhäsive Verfahren in der Zahnheilkunde

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Publication Date:
05 September 2012 (online)

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Claus-Peter Ernst, Universität Mainz
Im Januar 2012 führte 3M ESPE ein neues Befestigungskomposit ein: RelyX™ Ultimate Adhäsives Befestigungscomposite. Prof. Dr. Claus-Peter Ernst von der Universität Mainz hat bereits Erfahrungen in der Anwendung dieses Materials gesammelt und besuchte zudem ein internationales Symposium mit dem Titel "Excellence in Adhesive Dentistry", das Ende 2011 in München stattfand. Diese Veranstaltung zum Thema adhäsive Zahnheilkunde bot u. a. wissenschaftlich fundierte Fakten über das neue Befestigungskomposit sowie den innovativen Haftvermittler Scotchbond™ Universal Adhäsiv. Interessierte Kollegen lässt Prof. Dr. Ernst im folgenden Interview an ersten Eindrücken hinsichtlich der 2 Materialien aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht teilhaben.

? Prof. Dr. Ernst, Sie haben an der Konferenz mit dem Titel "Excellence in Adhesive Dentistry" teilgenommen. Was waren die bedeutendsten Ergebnisse dieses Symposiums?

Claus-Peter Ernst: Zunächst ist fest­zustellen, dass sich in der adhäsiven Zahnheilkunde der Trend in Richtung Phosphorsäurekonditionierung des Zahnschmelzes und des selbstkonditionierenden Ansatzes auf dem Dentin weiter festigt. Denn hieraus ergibt sich die optimale Kombination von auf lange Sicht funktionell und ästhetisch dichten Schmelzrändern und einem dauerhaften Dentinverbund. Dieser unterliegt bei selbstkondi­tionierenden Adhäsiven weniger stark der hydrolytischen Degradation als bei Etch-&-Rinse-Systemen. Zu den beeindruckendsten Resultaten, die während des Symposiums präsentiert wurden, gehört, dass das Adhäsiv Scotchbond Universal bei der Etch-&-Rinse-Technik genauso gut zu funktionieren scheint wie beim selbstkonditionierenden Ansatz – und das sogar nach Phosphorsäurekonditionierung des Dentins. Durch Kombination dieses Adhäsivs mit RelyX Ultimate erhält der Anwender – bestätigt durch die bisher vorliegenden Studienergebnisse – ein wirklich universelles und sehr einfaches System für die adhäsive Befestigung.

? Wie wird eine Vereinfachung des Arbeitsablaufs bei der Befestigung erzielt?

C.-P. Ernst: Beide Produkte sind für die einfache Anwendung konzipiert, doch das wahre Potenzial kommt erst dann zum Tragen, wenn die Materialien gemeinsam verwendet werden. Auf der einen Seite ist RelyX Ultimate mit einem integrierten Aktivator zur Dunkelhärtung des Haftvermittlers ausgestattet, sodass eine separate Aktivatorbeimischung in das Adhäsiv nicht erforderlich ist. Die Dunkelhärtung wird so zu einer interessanten Option und die leidliche Diskussion, ob das Adhäsiv bei indirekten Restaurationen gehärtet werden soll oder nicht, ist hinfällig.
Auf der anderen Seite wird der Prozess dadurch vereinfacht, dass das Adhäsiv ­Silan enthält und so ohne zusätzliche Silanisierung der Oberflächen eine verlässliche Haftung an Glaskeramik ermöglicht wird. Es entfällt sogar die Notwendigkeit, einen zusätzlichen Metall- oder Keramik-Primer, wie Clearfill Ceramic Primer (Kuraray) oder Monobond Plus (Ivoclar Vivadent), zu verwenden. Als weiterer Vorteil ist der Wegfall des Anmischens eines aus 2 Komponenten bestehenden Primers zu nennen. Dies ist nicht nur durch den Zeitgewinn, sondern auch durch die Beseitigung von Fehlerquellen, beispielsweise hervorgerufen durch unterschiedliche Tropfengrößen beim Anmischen, zu begründen. Und schließlich ist das Entfernen von Überschüssen wie bei anderen erhältlichen Materialien einfach, wenn das Material im ungehärteten Zustand mit einem Schwamm beseitigt wird, wie in der Gebrauchsanweisung empfohlen.
So wird ein sicherer und schneller Arbeitsprozess in Kombination mit einem Adhäsiv ermöglicht, was sich insbesondere auf die Haftwerte an Schmelz positiv auswirkt.

? Bitte erläutern Sie den Vorteil eines Befestigungskomposits, das mit einem separaten Adhäsiv angewendet wird.

C.-P. Ernst: Eine separate Phosphorsäurekonditionierung des Zahnschmelzes wird als eine gute Option zur Sicherstellung des Verbunds an diesem Substrat ange­sehen. Dieses Vorgehen wird bei selbstadhäsiven Zementen in der Regel nicht empfohlen, da hierbei nie ausgeschlossen werden kann, dass Phosphorsäuregel versehentlich auf das Dentin gelangt. Bei anschließender Verwendung eines Adhäsivs wäre dies kein Problem: Die durch die Säure geöffneten bzw. freigelegten Poren und Tubuli würden durch das Adhäsiv ausgefüllt, und das Risiko von postoperativen Sensitivitäten wird minimiert. Wenn jedoch keine derartige Versiegelung der geätzten Dentinoberflächen erfolgt – wie es bei einem selbstadhäsiven Befestigungszement der Fall ist – resultiert dies in einem massiven Flüssigkeitsstrom aus der Pulpa heraus, und die Gefahr von postoperativen Sensitivitäten ist deshalb sehr groß. Aus diesem Grund verhalten sich die meisten Hersteller eher zurückhaltend mit einer Empfehlung der separaten Schmelzätzung bei selbstadhäsiven Zementen. Damit wird jedoch ein enormes Potenzial zur Verbesserung der Anbindung an Zahnschmelz verschenkt – eine Option, die RelyX Ultimate in Kombination mit einem Adhäsiv – vorzugsweise mit Scotchbond Universal – gewährleistet.

? Prof. Dr. Ernst, wie beurteilen Sie den Stellenwert des neuen adhäsiven Befestigungskomposits auf Basis der aktuellen Datenlage im Vergleich zu anderen erhältlichen Zementen?

C.-P. Ernst: Die während der Konferenz vorgestellten Kurzzeit- und In-vitro-Ergebnisse sind sehr vielversprechend. In Kombination mit dem ebenfalls neuen Scotchbond Universal Adhäsiv scheint ­RelyX Ultimate nach den präsentierten Daten auf demselben Qualitätslevel wie "Golden Standards" á la PANAVIA F 2.0 (Kuraray) und Variolink/Syntac (Ivoclar Vivadent) zu stehen – und dies bei signifikant vereinfachter Handhabung.
Wir sollten berücksichtigen, dass bei einem Symposium wie dem in München in der Regel nur die besten Resultate präsentiert werden. Zudem stehen klinische Langzeitergebnisse für eine echte Vergleichsmöglichkeit mit anderen Zementen noch aus, aber wenn insbesondere hochkarätige Prothetiker wie z. B. Prof. Dr. Daniel Edelhoff von der Universität München ein Material positiv bewerten, hat das natürlich Aussagekraft.

? Für welche Indikationen würden Sie das Befestigungskomposit besonders empfehlen?

C.-P. Ernst: Da eine Phosphorsäurekonditionierung möglich ist, eignet sich das Material für alle Arten adhäsiver Befestigung, bei denen auch Schmelzareale mitbehandelt werden müssen, wie bei keramischen Inlays, Teilkronen und Klebebrücken. Für die Befestigung von Vollkronen durch reine Dentinklebung hat sich RelyX Unicem Composite-Befestigungszement bislang optimal bewährt. Die neue Produktkombination könnte jedoch durchaus sinnvoll sein, wenn z. B. für eine weitspannige Brücke im Unterkiefer eine besonders hohe Haftkraft erzielt werden soll. Zudem sind wir daran interessiert, das neue Material zusätzlich für die adhäsive Befestigung von Glasfaserstiften einzusetzen. Scotchbond Universal Adhäsiv würde hierbei für eine optimale adhäsive Vorbehandlung der Rest-Dentinklebefläche für ein lichthärtendes Aufbaumaterial sorgen. Zudem entfällt die Problematik, Zementüberstände aus dem Wurzelkanal nicht restlos entfernen zu können und deshalb Dentinober­flächen erneut anschleifen zu müssen, bevor sie geätzt werden können. Somit wird auch das Risiko einer Stiftschädigung mit rotierenden Instrumenten beseitigt.

? Wie lautet Ihr persönliches Fazit zu dem neuen Befestigungskomposit?

C.-P. Ernst: Die vorliegenden Daten zeigen, dass RelyX Ultimate mit Scotchbond Universal in seiner Funktion als Dentinadhäsiv, Silan und Metall-Primer phänomenale Haftwerte ermöglicht. Durch die Kombination der beiden und ihr Zusammenspiel wird der Vorteil der Dunkelhärtung des Adhäsivs ohne separate Aktivatorbeimischung dank Co-Initiierung ausgespielt. Dies vereinfacht das Prozedere, und es werden auch Fehlerquellen beseitigt. Zudem ist die gleich­zeitige Verwendung von Scotchbond Universal als Keramik-Silan aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant. Wünschenswert wäre noch die zusätzliche Freigabe zur Verwendung des Befestigunsgskomposits als Stumpfaufbaumaterial nach Befestigung von Glasfaserstiften.

! Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Dr. Ernst!

Das Interview führte Olivia Besten.