Im Januar 2012 führte 3M ESPE ein neues Befestigungskomposit ein: RelyX™ Ultimate
Adhäsives Befestigungscomposite. Prof. Dr. Claus-Peter Ernst von der Universität Mainz
hat bereits Erfahrungen in der Anwendung dieses Materials gesammelt und besuchte zudem
ein internationales Symposium mit dem Titel "Excellence in Adhesive Dentistry", das
Ende 2011 in München stattfand. Diese Veranstaltung zum Thema adhäsive Zahnheilkunde
bot u. a. wissenschaftlich fundierte Fakten über das neue Befestigungskomposit sowie
den innovativen Haftvermittler Scotchbond™ Universal Adhäsiv. Interessierte Kollegen
lässt Prof. Dr. Ernst im folgenden Interview an ersten Eindrücken hinsichtlich der
2 Materialien aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht teilhaben.
? Prof. Dr. Ernst, Sie haben an der Konferenz mit dem Titel "Excellence in Adhesive
Dentistry" teilgenommen. Was waren die bedeutendsten Ergebnisse dieses Symposiums?
Claus-Peter Ernst: Zunächst ist festzustellen, dass sich in der adhäsiven Zahnheilkunde der Trend in
Richtung Phosphorsäurekonditionierung des Zahnschmelzes und des selbstkonditionierenden
Ansatzes auf dem Dentin weiter festigt. Denn hieraus ergibt sich die optimale Kombination
von auf lange Sicht funktionell und ästhetisch dichten Schmelzrändern und einem dauerhaften
Dentinverbund. Dieser unterliegt bei selbstkonditionierenden Adhäsiven weniger stark
der hydrolytischen Degradation als bei Etch-&-Rinse-Systemen. Zu den beeindruckendsten
Resultaten, die während des Symposiums präsentiert wurden, gehört, dass das Adhäsiv
Scotchbond Universal bei der Etch-&-Rinse-Technik genauso gut zu funktionieren scheint
wie beim selbstkonditionierenden Ansatz – und das sogar nach Phosphorsäurekonditionierung
des Dentins. Durch Kombination dieses Adhäsivs mit RelyX Ultimate erhält der Anwender
– bestätigt durch die bisher vorliegenden Studienergebnisse – ein wirklich universelles
und sehr einfaches System für die adhäsive Befestigung.
? Wie wird eine Vereinfachung des Arbeitsablaufs bei der Befestigung erzielt?
C.-P. Ernst: Beide Produkte sind für die einfache Anwendung konzipiert, doch das wahre Potenzial
kommt erst dann zum Tragen, wenn die Materialien gemeinsam verwendet werden. Auf der
einen Seite ist RelyX Ultimate mit einem integrierten Aktivator zur Dunkelhärtung
des Haftvermittlers ausgestattet, sodass eine separate Aktivatorbeimischung in das
Adhäsiv nicht erforderlich ist. Die Dunkelhärtung wird so zu einer interessanten Option
und die leidliche Diskussion, ob das Adhäsiv bei indirekten Restaurationen gehärtet
werden soll oder nicht, ist hinfällig.
Auf der anderen Seite wird der Prozess dadurch vereinfacht, dass das Adhäsiv Silan
enthält und so ohne zusätzliche Silanisierung der Oberflächen eine verlässliche Haftung
an Glaskeramik ermöglicht wird. Es entfällt sogar die Notwendigkeit, einen zusätzlichen
Metall- oder Keramik-Primer, wie Clearfill Ceramic Primer (Kuraray) oder Monobond
Plus (Ivoclar Vivadent), zu verwenden. Als weiterer Vorteil ist der Wegfall des Anmischens
eines aus 2 Komponenten bestehenden Primers zu nennen. Dies ist nicht nur durch den
Zeitgewinn, sondern auch durch die Beseitigung von Fehlerquellen, beispielsweise hervorgerufen
durch unterschiedliche Tropfengrößen beim Anmischen, zu begründen. Und schließlich
ist das Entfernen von Überschüssen wie bei anderen erhältlichen Materialien einfach,
wenn das Material im ungehärteten Zustand mit einem Schwamm beseitigt wird, wie in
der Gebrauchsanweisung empfohlen.
So wird ein sicherer und schneller Arbeitsprozess in Kombination mit einem Adhäsiv
ermöglicht, was sich insbesondere auf die Haftwerte an Schmelz positiv auswirkt.
? Bitte erläutern Sie den Vorteil eines Befestigungskomposits, das mit einem separaten
Adhäsiv angewendet wird.
C.-P. Ernst: Eine separate Phosphorsäurekonditionierung des Zahnschmelzes wird als eine gute Option
zur Sicherstellung des Verbunds an diesem Substrat angesehen. Dieses Vorgehen wird
bei selbstadhäsiven Zementen in der Regel nicht empfohlen, da hierbei nie ausgeschlossen
werden kann, dass Phosphorsäuregel versehentlich auf das Dentin gelangt. Bei anschließender
Verwendung eines Adhäsivs wäre dies kein Problem: Die durch die Säure geöffneten bzw.
freigelegten Poren und Tubuli würden durch das Adhäsiv ausgefüllt, und das Risiko
von postoperativen Sensitivitäten wird minimiert. Wenn jedoch keine derartige Versiegelung
der geätzten Dentinoberflächen erfolgt – wie es bei einem selbstadhäsiven Befestigungszement
der Fall ist – resultiert dies in einem massiven Flüssigkeitsstrom aus der Pulpa heraus,
und die Gefahr von postoperativen Sensitivitäten ist deshalb sehr groß. Aus diesem
Grund verhalten sich die meisten Hersteller eher zurückhaltend mit einer Empfehlung
der separaten Schmelzätzung bei selbstadhäsiven Zementen. Damit wird jedoch ein enormes
Potenzial zur Verbesserung der Anbindung an Zahnschmelz verschenkt – eine Option,
die RelyX Ultimate in Kombination mit einem Adhäsiv – vorzugsweise mit Scotchbond
Universal – gewährleistet.
? Prof. Dr. Ernst, wie beurteilen Sie den Stellenwert des neuen adhäsiven Befestigungskomposits
auf Basis der aktuellen Datenlage im Vergleich zu anderen erhältlichen Zementen?
C.-P. Ernst: Die während der Konferenz vorgestellten Kurzzeit- und In-vitro-Ergebnisse sind sehr
vielversprechend. In Kombination mit dem ebenfalls neuen Scotchbond Universal Adhäsiv
scheint RelyX Ultimate nach den präsentierten Daten auf demselben Qualitätslevel
wie "Golden Standards" á la PANAVIA F 2.0 (Kuraray) und Variolink/Syntac (Ivoclar
Vivadent) zu stehen – und dies bei signifikant vereinfachter Handhabung.
Wir sollten berücksichtigen, dass bei einem Symposium wie dem in München in der Regel
nur die besten Resultate präsentiert werden. Zudem stehen klinische Langzeitergebnisse
für eine echte Vergleichsmöglichkeit mit anderen Zementen noch aus, aber wenn insbesondere
hochkarätige Prothetiker wie z. B. Prof. Dr. Daniel Edelhoff von der Universität München
ein Material positiv bewerten, hat das natürlich Aussagekraft.
? Für welche Indikationen würden Sie das Befestigungskomposit besonders empfehlen?
C.-P. Ernst: Da eine Phosphorsäurekonditionierung möglich ist, eignet sich das Material für alle
Arten adhäsiver Befestigung, bei denen auch Schmelzareale mitbehandelt werden müssen,
wie bei keramischen Inlays, Teilkronen und Klebebrücken. Für die Befestigung von Vollkronen
durch reine Dentinklebung hat sich RelyX Unicem Composite-Befestigungszement bislang
optimal bewährt. Die neue Produktkombination könnte jedoch durchaus sinnvoll sein,
wenn z. B. für eine weitspannige Brücke im Unterkiefer eine besonders hohe Haftkraft
erzielt werden soll. Zudem sind wir daran interessiert, das neue Material zusätzlich
für die adhäsive Befestigung von Glasfaserstiften einzusetzen. Scotchbond Universal
Adhäsiv würde hierbei für eine optimale adhäsive Vorbehandlung der Rest-Dentinklebefläche
für ein lichthärtendes Aufbaumaterial sorgen. Zudem entfällt die Problematik, Zementüberstände
aus dem Wurzelkanal nicht restlos entfernen zu können und deshalb Dentinoberflächen
erneut anschleifen zu müssen, bevor sie geätzt werden können. Somit wird auch das
Risiko einer Stiftschädigung mit rotierenden Instrumenten beseitigt.
? Wie lautet Ihr persönliches Fazit zu dem neuen Befestigungskomposit?
C.-P. Ernst: Die vorliegenden Daten zeigen, dass RelyX Ultimate mit Scotchbond Universal in seiner
Funktion als Dentinadhäsiv, Silan und Metall-Primer phänomenale Haftwerte ermöglicht.
Durch die Kombination der beiden und ihr Zusammenspiel wird der Vorteil der Dunkelhärtung
des Adhäsivs ohne separate Aktivatorbeimischung dank Co-Initiierung ausgespielt. Dies
vereinfacht das Prozedere, und es werden auch Fehlerquellen beseitigt. Zudem ist die
gleichzeitige Verwendung von Scotchbond Universal als Keramik-Silan aus betriebswirtschaftlicher
Sicht interessant. Wünschenswert wäre noch die zusätzliche Freigabe zur Verwendung
des Befestigunsgskomposits als Stumpfaufbaumaterial nach Befestigung von Glasfaserstiften.
! Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Dr. Ernst!
Das Interview führte Olivia Besten.