Endoskopie heute 2012; 25 - FV5
DOI: 10.1055/s-0032-1308725

Neuartiges Hands-on-Phantom für das Training der gesamten diagnostischen und therapeutischen ERCP

FH Durst 1, R Ingenpaß 1, KE Grund 1
  • 1Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Chirurgische Endoskopie, Tübingen

Ein zunehmendes und gravierendes Problem im Bereich der ERCP, der „Königsdisziplin“ der flexiblen Endoskopie, liegt im Bereich Ausbildung und Training.

Als Alternative zum gebräuchlichen, aber zweifellos unethischen Lernen am Patienten eignet sich ein Trainingsmodell, das die menschliche Anatomie realitätsgetreu nachahmt und ein Training mit dem herkömmlichen Equipment und ohne Hygienebeschränkungen möglich macht. Für die diagnostische ERCP ist eine getrennte Sondierung von Pankreas- und Gallengang essentiell, für die therapeutische ERCP sind Papillotomie, die Stenosetherapie inklusive Prothesenimplantation sowie die Steintherapie unverzichtbar. Erstrebenswert ist zudem eine unlimitierte Wiederholungsrate der Maßnahmen, um einen guten Lerneffekt zu erzielen.

Die bisher vorhandenen Trainingsmodelle erfüllen diese Forderungen nicht: Das Training am lebenden Schwein hat einen sehr hohen Organisations- und Finanzierungsaufwand und ist ethisch ebenfalls problematisch. Entscheidender Nachteil ist eine vom Menschen abweichende Anatomie und die Tatsache, dass z.B. eine Papillotomie nur einmal durchführbar ist. Dasselbe gilt auch für Biomodelle, die zudem unter mangelnder Ästhetik leiden und hygienisch bedenklich sind. Einfache Plastikmodelle lassen Realitätsnähe und die entscheidende Haptik vermissen. Letzteres gilt auch für Computermodelle, die außerdem extrem teuer und nur bedingt realitätsnah sind.

Um diese zentralen Nachteile zu beseitigen, wurde mit dem Tübinger Biliphant ein neuartiges Hands-on-Phantom für das Training aller Aspekte der ERCP entwickelt. Das modular aufgebaute System aus Kunststoffen und künstlichen Geweben entspricht exakt der menschlichen Anatomie und bietet eine nahezu Patienten identische Haptik. Die einzelnen Module lassen sich variabel austauschen, sodass jeder diagnostische Schritt und jede Intervention beliebig oft für einen optimalen Trainingseffekt wiederholt werden kann.

Der interventionsfähige und interaktive Prototyp bietet die aus Patientendaten rekonstruierte korrekte menschliche Anatomie. Endoskopisch und radiologisch zugänglich sind der gesamte obere Gastrointestinaltrakt inklusive Papille, das Gallengangsystem bis in die Gänge 3. Ordnung und das Pankreasgangsystem. Die rein diagnostische ERCP kann mit getrennter Sondierung des Pankreas- und Gallengangsystems auch ohne Röntgendurchleuchtung hands-on trainiert werden. Die therapeutische ERCP ermöglicht Papillotomie in verschiedenen Varianten, Stenosetherapie mit Bougierung, Ballondilatation und das Einlegen jeder Art von Plastik- und Metallstents sowie die Steintherapie (Lithotripsie und Extraktion). In der weiteren Entwicklung sind Blutungssimulation bei der Papillotomie sowie Pankreasgangeingriffe.