Aktuelle Neurologie 2012; 39(07): 383-384
DOI: 10.1055/s-0032-1305280
Kompetenznetz Multiple Sklerose
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktuelles aus der Forschung

T. Korn
,
S. G. Meuth
2   Klinik und Poliklinik für Neurologie, Abteilung für Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems und Neuroonkologie, Universitätsklinikum Münster
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Publication Date:
06 September 2012 (online)

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Gap Junctions: bei Multipler Sklerose (MS) auch in weißer Hirnsubstanz verändert

In ihrem Artikel zeigen Markoullis et al. [1], dass sich entzündliche Läsionen und die normal erscheinende weiße Substanz (NAWM) von MS-Patienten und Nicht-MS-Kontrollpatienten hinsichtlich der Gap-Junction-Moleküle in Astrozyten und Oligodendrozyten deutlich unterscheiden. Dazu untersuchten sie Hirnbiopsien von 9 MS- und 11 altersangepassten Nicht-MS-Kontrollpatienten. Oligodendrozyten sind mit anderen Oligodendrozyten (O/O) sowie mit Astrozyten (O/A) durch die Expression von Gap-Junction-Molekülen funktionell miteinander gekoppelt. Gap Junctions werden durch Connexine gebildet. In Oligodendrozyten bildet Connexin-32 die meisten der intrazellulären Gap Junctions entlang von myelinisierten Fasern, während Connexin-47 i. d. R. O/O und O/A Gap Junctions erzeugt. Gliale Gap Junctions vermitteln wichtige inter- und intrazelluläre Kommunikationen, die für das Überleben myelinisierter Zellen von großer Bedeutung sind. Das zeigt sich an verschiedenen neurologischen Erkrankungen, die durch Mutation in Connexin-Genen verursacht werden, z. B. die Pelizaeus-Merzbacher-Erkrankung. Neben Neuropathien sind verschiedene ZNS-Phänotypen beschrieben worden, bei denen das Funktionieren der Gap Junctions eine entscheidende Rolle spielt.

In der vorliegenden Arbeit wurde die Expression von Connexin-32 und Connexin-47 in Oligodendrozyten bzw. Connexin-43 in Astrozyten mittels quantitativem Immunoblot sowie PCR untersucht. Die Bildung von Gap Junctions wurde quantitativ mittels Immunhistochemie beschrieben. In MS-Läsionen und um sie herum finden sich im Vergleich zu Kontrollgewebe reduzierte Level von Connexin-32- und Connexin-47-haltigen Gap Junctions. Dies könnte zumindest teilweise durch den Verlust von Myelin und Oligodendrozyten erklärt werden, während Connexin-43 wahrscheinlich durch die stattfindende Astrogliose hochreguliert wird. In der NAWM war Connexin-32 im Bereich von myelinisierten Fasern signifikant reduziert, während Connexin-47 hauptsächlich in Oligodendrozyten-Precursorzellen eine erhöhte Expression zeigte.

Überraschend ist, dass oligodendrozytäre Gap Junctions nicht nur in chronischen MS-Läsionen, sondern auch in der NAWM verändert sind. Dabei scheint die Beeinträchtigung Connexin-32-haltiger Gap Junctions in myelinisierten Fasern zu einer Beeinflussung der Myelinstruktur und -funktion zu führen. Insgesamt legen diese Befunde eine Störung der elektrischen Kopplung in MS-Läsionen sowie in der NAWM von MS-Patienten nahe. Weitere Studien sind notwendig, um den tatsächlichen Einfluss des neuronalen Netzwerks durch die beschriebenen Veränderungen auf funktioneller Ebene zu klären.