Gesundheitswesen 2011; 73(11): 730-736
DOI: 10.1055/s-0031-1291267
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hygiene in Schulen – auch eine wichtige Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes

Hygiene in Schools – An Important Issue for the Public Health Services
U. Heudorf
1   Amt für Gesundheit, Frankfurt am Main
,
K. Voigt
1   Amt für Gesundheit, Frankfurt am Main
,
Th. Eikmann
2   Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universität Giessen
,
M. Exner
3   Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, Universität Bonn
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Publication Date:
23 November 2011 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund:

Schulen sind verpflichtet, innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Einhaltung der Hygiene in Hygieneplänen festzuschreiben. Sie unterliegen – wie auch Krankenhäuser – der infektionshygienischen Überwachung der Gesundheitsämter (§ 36 Infektionsschutzgesetz, IfSG). Die Umsetzung dieser Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes werden in diesem Beitrag am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main vorgestellt.

Ergebnisse:

Obwohl alle Schulen über ihre Pflichten nach IfSG informiert worden waren und ihnen ein Musterhygieneplan zur Verfügung gestellt worden war, konnten bei einer Umfrage im Jahre 2006 nur 80 von 180 Schulen (44%) tatsächlich einen Hygieneplan vorweisen. Beschwerden über mangelnde Sanitärhygiene können vom Gesundheitsamt oft bestätigt werden, allerdings durchaus auch in gerade aufwändig sanierten Sanitäranlagen, bedingt durch Vandalismus in den Schulen. Die Ausstattung von Waschbecken konnte im Zusammenhang mit der öffentlichen Aufmerksamkeit im Rahmen der Influenzapandemie sehr gut verbessert werden, allerdings war ein Jahr später wieder eine Tendenz zum Schlechteren erkennbar. Nach Untersuchungsbefunden mit hohen Feinstaub- und Kohlendioxidbelastungen in Klassenräumen wurde die Reinigungsfrequenz in den Klassenräumen wieder auf täglich erhöht (Verhältnisprävention) und eine Lüftungsinitiative gestartet (Verhaltensprävention). Eine Untersuchung in 26 Schulen zeigte jedoch, dass nach wie vor zu wenig gelüftet wird und die Kinder in der Regel sehr hohen CO2-Konzentrationen ausgesetzt sind. Umfangreiche Untersuchungen nach der Trinkwasserverordnung 2001 bestätigten eine gute hygienische Qualität des Trinkwassers. Eine Ausnahme sind teilweise hohe Legionellenkontaminationen im Warmwassersystem von Schulturnhallen, die Desinfektions- und Sanierungsmaßnahmen erforderlich machen.

Schlussfolgerung:

Der öffentliche Gesundheitsdienst sollte seine gesetzliche Aufgabe der infektionshygienischen Beratung und Überwachung der Schulen und Kindereinrichtungen ernst nehmen und gemeinsam mit den Schulgemeinden nach Lösungswegen für eine gute Hygiene in Schulen suchen. Auch die Eigenverantwortung der Schulnutzer ist gefragt, im Sinne der Verhältnis – und der Verhaltensprävention. Mehr öffentliche Aufmerksamkeit könnte ein Weg sein, vielleicht in Form der „Hygiene-Ampel für Schulen“?

Abstract

Background:

According to the Protection against Infection Act (IfSG), schools have to identify their arrangements of standard operating procedures (SOPs) for hygienic conditions, and the public health departments are obliged to check the hygienic conditions in schools. Here, practical experience with these topics in Frankfurt/Main, Germany, is presented.

Results:

Although all schools had been informed about their duties according to IfSG in 2001, only 44% (80/180 schools) of them were able to present their SOPs when requested to do so by the public health department in 2006. Complaints about bad sanitary hygiene in schools have to be confirmed, often even in recently redeveloped facilities, because of vandalism. The equipment of washing basins was improved very well during the influenza pandemic in 2009. In 2010, however, a tendency to deterioration had been observed. With data on high levels on indoor contamination (particles and CO2) in class rooms in 2006, the city increased the frequency of cleaning and launched a programme on proper ventilation in classrooms. However, a study on ventilation in 29 schools in 2009 resulted in very high levels of CO2; obviously the recommendation to ventilate the classrooms every break are neglected. Large studies on drinking water quality exhibited good data, with the exception of high Legionella contaminations in hot water systems supplying the showers in gymnasiums. Major redevelopment measures were necessary.

Conclusion:

Hygienic conditions in schools should be improved urgently. The public health departments should increase their consulting services as well as their control visits in schools – with the aim to improve hygiene in schools. Responsibility of the schools as well as of the individuals in the schools is demanded as well. More public attention to this topic seems mandatory, may be via a “signal light – red-yellow-green” for schools?

 
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