Gesundheitswesen 2011; 73(11): 772-777
DOI: 10.1055/s-0031-1291266
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vielfalt der Lebenswelten – Zusammenhänge zwischen Lebenssituation und Entwicklungsstand bei Einschulungskindern

Variety of Live Worlds – Relationship between Living Situation and Developmental Status in School Beginners
S. Wadenpohl
1   Kreis Recklinghausen, Gesundheitsamt
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Publication Date:
16 November 2011 (online)

Zusammenfassung

„Wovon können und müssen wir in unserer Kommune ausgehen, wenn wir Kinder stärken und fördern wollen?“ Mit dieser Leitfrage wurden im Kreis Recklinghausen, mit 630 000 Einwohnern der bevölkerungsstärkste Landkreis Deutschlands, Daten der Schuleingangsuntersuchungen ausgewertet. Die schulmedizinischen Untersuchungen werden nach den Empfehlungen des „Bielefelder Modells“ durchgeführt. In die vorliegende Auswertung wurden die Einschulungsjahrgänge 2006–2009 (n=23 600) einbezogen. Der zugrunde liegende Datensatz lässt nicht nur Aussagen über die Lebenssituation, Entwicklung und Gesundheit der Kinder zu, sondern ermöglicht auch die Analyse unterschiedlicher Einflussfaktoren sowie regionaler Verteilungsmuster. Sichtbar wird die große Vielfalt der Lebenswelten, in die Kinder hineinwachsen. Augenfällig sind erhebliche Unterschiede im Entwicklungs- und Gesundheitsstand der Kinder sowie ungleiche Teilhabechancen an vorschulischen Bildungsangeboten und gesundheitlichen Versorgungsleistungen. Dabei erweisen sich der Bildungs- und Migrationshintergrund der Eltern als zentrale Einflussfaktoren. Mit der mehrdimensionalen und kleinräumigen Analyse der Daten können Segregationstendenzen für den Kreis und seine 10 Städte identifiziert werden. Damit trägt der öffentliche Gesundheitsdienst dazu bei, dass der Kommune belastbare Planungsdaten vorliegen, die es ermöglichen, gezielt solche Fördermaßnahmen weiter zu entwickeln, die besonders den Kindern zugutekommen, deren Entwicklungs- und Gesundheitschancen nicht nur anders, sondern schlechter sind.

Abstract

What is most important if we want to support children in the community of Recklinghausen, which is one of the most populous rural districts in Germany? With this interest in mind, data from health check assessments which are regularly done at primary school enrolment were analysed. For analysis the recommended “Bielefelder Modell” was used. The sample included all children who entered primary school in the region of Recklinghausen in 2006–2009 (n=23 600). These data allowed us to link information about their physical condition and cognitive development with issues of social background, environment as well as to search for regional patterns. We found a broad variety of “live worlds” of children in our community, most striking were substantial inequalities regarding utilisation of screening examinations as well as education and training opportunities. A strong link to parents’ educational and immigrant background was evident. The procedure for analysing these data with a focus on regional patterns provides a valuable insight into local inequalities. It provides a knowledge base for a policy of early interventions to provide all children with the same opportunities for good health and development.

 
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