Z Orthop Unfall 2011; 149(03): 243-245
DOI: 10.1055/s-0031-1283059
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

VSOU-Jahrestagung – Appell für eine Renaissance der konservativen Methoden

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Publication Date:
17 June 2011 (online)

 
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Der 28. April bis 1. Mai 2011 bescherte Baden-Baden einmal mehr ausgebuchte Hotels. Rund 3000 Interessenten kamen zur 59. diesjährigen Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen (VSOU).

Gleiches Datum, gleicher Ort, und durchaus andere Akzente als im Vorjahr. Vier Schwerpunkte hatte der diesjährige Kongresspräsident Prof. Klaus M. Peters verordnet: Innovationen in O & U, Rehabilitation, Osteologie und Schmerztherapie.

Peters Handschrift zeigte sich v. a. am breiten Raum für sein "Herzblutthema" Osteologie. Der Bedarf an mehr öffentlicher Wahrnehmung für dieses Fach sei riesig. Und es seien eben nicht nur jene an die 8 Mio. Patienten mit Osteoporose in Deutschland, sondern auch jene mit der viel selteren Knochenerkrankung, die Zugang zur richtigen Versorgung bräuchten, wie Peters, Chefarzt in der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik Nümbrecht darlegte. Glasknochenkrankheit, Vanishing-Bone, Fibrodysplasia ossificans progressiva – Baden-Baden bot in diesem Jahr reichlich Gelegenheit, sich zu solch Orphan Diseases fortzubilden.

Einen Weg, das Wissen um Seltene Krankheiten zu erhalten, sieht Peters darin, dass sich auch Krankenhäuser mehr spezialisieren: "Nicht jede Klinik muss alles vorrätig halten." Positiv stimmte ihn, dass mittlerweile an die 1600 Ärzte die vor 5 Jahren aufgelegte Zusatzqualifikation Osteologin, Osteologe DVO erworben haben. Große Schwierigkeiten mache hingegen die Compliance. Peters: "Wir haben wirksame Medikamente gegen Osteoporose, zugleich aber Abbrecherquoten von 60 – 70 % bei der Einnahme – da müssen wir Betroffene besser aktivieren." Immerhin 150 Interessenten kamen dieses Jahr zum Patiententag mit dem Thema Osteoporose.

Prof. Hans-Raimund Casser aus Mainz warb derweil dafür, die konservativen Inhalte im Facharzt O & U wieder mehr zur Geltung zu bringen. Besonders bei der Schmerztherapie. 14 Mio. Patienten mit chronischen Schmerzen seien in Deutschland oft nicht adäquat versorgt.

Und Schmerztherapie, das machte die Tagung in etlichen Symposium deutlich, braucht mehr als nur die Pharmakotherapie. Die Behandlung der chronischen Patienten muss besser als bislang versuchen, das ganze Areal an therapeutischen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Etwa die der Akupunktur, der in diesem Jahr ein Schwerpunktvortrag galt, gehalten von Radha Tambirajah. Doch ach, das werte Publikum kann ungerecht sein. Wo ein Jahr zuvor das große Auditorium im Kongresshaus Baden-Baden aus allen Nähten platzte, als Lama Gangchen in einem v. a. farbigen Vortrag über tibetische Medizin referierte, fanden sich diesmal gerade Mal einige Dutzend Zuhörer ein.

Dabei bot Thambirajah – sie erlernte die Techniken bereits in den 1960er Jahren in China, gründete 1980 die Academy of Chinese Acupuncture in Sri Lanka und leitet heute Kliniken für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) in Großbritannien (http://www.energyacupuncturecentre.com) – eine durchaus faktenreiche Übersicht mit dem Titel "Energy Balancing and Acu-puncture". Obendrein ist die Referentin auch international durchaus keine Unbekannte: Als Diplomatin im Dienste der Akupunktur führte Prof. Albrecht Molsberger sie ein. Molsberger ist einer der Leiter der hiesigen Forschungsgruppe Akupunktur und chinesische Medizin (FACS).

Einerseits folgt die 2500 Jahre alte TCM-Akupunktur einem Grundkonzept, dem westliche Medizin fremd ist. Die Energie des Körpers teilt sich nach der TCM auf in Yin und Yang als 2 grundlegenden Polaritäten, beide müssen im Gleichgewicht sein. Imbalancen versucht die TCM ins Gleichgewicht zu bringen, nutzt dabei an die 400 entweder tonisierende oder abschwächende Akupunkturpunkte. Die Therapie umfasst auch Schröpfkuren, Massagen und Ratschläge für die richtige Ernährung.

Entscheidend sei allerdings gerade bei der Schmerztherapie, so Tambirajah, obendrein der Blick auf die Persönlichkeit der oder des Betroffenen: So differenzierte sie bei Nackenschmerzen 2 unterschiedliche Typen: Schlanke, leicht angespannte Leute entwickeln sie mit Vorliebe gegen Nachmittag, morgens hingegen seien diese Patienten meist ausgeruht. Ihre Interpretation: "Diese Schmerzen haben nichts mit dem Nacken zu tun, vielmehr mit falschem Stressumgang." Stress führten wir v. a. über den Thorax ab – wer dort zu wenig Energie habe, werde im Verlauf des Tages immer verspannter. Akupunktur müsse dann an Punkten ansetzen, die den Brustkorb kräftigen. Andere Patienten entwickelten hingegen Nackenschmerzen v. a. in der Nacht, da sie Druck auf die Nackenpartie nicht vertragen, im Laufe des Tages klingen die Schmerzen bei ihnen ab – die Behandlung nutzt daher auch ganz andere Meridiane und Punkte. "Treat the pain and treat the person", fasste Thambirajah zusammen.

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