Psychiatr Prax 2011; 38(7): 348-351
DOI: 10.1055/s-0031-1276871
Kritisches Essay
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nach 200 Jahren Psychiatrie: Sind Fixierungen in Deutschland unvermeidlich?

After 200 Years of Psychiatry: Are Mechanical Restraints in Germany Still Inevitable?Tilman  Steinert1 , Arbeitskreis zur Prävention von Gewalt und Zwang in der Psychiatrie
  • 1Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, Abteilung Psychiatrie I der Universität Ulm, Ravensburg
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Publikationsdatum:
02. August 2011 (online)

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Zusammenfassung

Anliegen Fixierungen und Isolierungen sind keine therapeutischen Maßnahmen, sondern reine Maßnahmen der Sicherung, die dann angewendet werden, wenn ein therapeutisches Vorgehen nicht mehr möglich erscheint. Benchmarkings mit Klinikvergleichen zeigen erhebliche Variationen zwischen den Kliniken, eine dauerhafte und signifikante Senkung der Dauer und Häufigkeit von Zwangsmaßnahmen war aber mit den Mitteln des Qualitätsmanagements bisher nicht möglich. Qualitativ neue Ansätze sind erforderlich. Ergebnisse Es wurde ein Verfahren entwickelt, die englische Praxis des „Physical Restraint” für deutsche Verhältnisse zu adaptieren, begleitet von Maßnahmen der Deeskalation. Im Gegensatz zu Fixierungen handelt es sich dabei um eine professionelle Intervention, die unter Aufrechterhalten eines therapeutischen Beziehungsangebots zur Vermeidung von Fixierungen eingesetzt wird und üblicherweise von kurzer Dauer ist. Eine Implementierung ist in zahlreichen Kliniken, die im „Arbeitskreis zur Prävention von Gewalt und Zwang in der Psychiatrie” vertreten sind, geplant. Schlussfolgerungen Wenn es gelingt, mit dieser Technik die Häufigkeit und Dauer von Fixierungen signifikant zu reduzieren, ist dies der hoffnungsvollste Ansatz, die Praxis der Anwendung von Fixierungen in Deutschland grundlegend zu ändern.

Abstract

Background Mechanical restraint and seclusion are not therapeutic interventions but procedures to safeguard patients or staff representing a failure of therapeutic approaches. Quality management including benchmarkings yields considerable variations between different hospitals. However, an enduring and significant decrease in the frequency and duration of such coercive measures so far has not been achieved by means of quality management. A new set of approaches is therefore required. Results Amending the British practice of „physical restraint” for German conditions, a technique of holding the patient was developed accompanied by manualised interventions of verbal de-escalation. In contrast to mechanical restraint, the technique represents a therapeutic intervention and is usually of short duration. An implementation is planned in a group of hospitals collaborating in the prevention of violence and coercion in psychiatry. Conclusions This new technique appears a promising approach to fundamentally change the practice of mechanical restraint in Germany. Evidence of the effect of this technique on frequency and duration of mechanical restraints needs to be gathered.

Literatur

Prof. Dr. Tilman Steinert

Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, Abteilung Psychiatrie I der Universität Ulm

Postfach 2044

88190 Ravensburg

eMail: tilman.steinert@zfp-zentrum.de