Dialyse aktuell 2011; 15(3): 123
DOI: 10.1055/s-0031-1276653
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Hochmut kommt vor dem Fall

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Publication Date:
08 April 2011 (online)

 

Christian Schäfer, Stuttgart

So lassen sich die Reaktionen (nicht nur) der Oppositionsparteien und vieler Medienvertreter auf die "Plagiatsaffäre" Karl-Theodor zu Guttenbergs zusammenfassen. Klar, denn so etwas ist im Wahlkampf des "Superwahljahres" und zum Beispiel für die Verkaufszahlen von Zeitschriften und Zeitungen eine Steilvorlage.

Was hat zu Guttenberg falsch gemacht (außer, erhebliche Teile seiner Doktorarbeit ungekennzeichnet abzuschreiben)? Einer seiner großen Fehler war die Art und Weise seiner Kommunikation, also wie er auf die Plagiatsvorwürfe reagiert hat. Allzu scheibchenweise verwandelten sich die anfänglich "absurden" Vorwürfe in handfeste Tatsachen: Letztendlich musste zu Guttenberg schwere Fehler eingestehen und trat nach einigem Sträuben doch vom Amt des Bundesverteidigungsministers zurück (gerade noch rechtzeitig, um seine Sympathien in der Bevölkerung für ihn zu erhalten, allerdings zu spät, um Schaden von der Wissenschaft abzuwenden).

Wohlgemerkt bestreitet er aber seither, absichtlich getäuscht zu haben. Den Sachverhalt werden die Universität Bayreuth und die Staatsanwaltschaft offiziell klären: Seit der Exspitzenpolitiker sein Bundestagsmandat im März aufgegeben hat, besitzt er keine parlamentarische Immunität mehr. Insgesamt lagen schon zu Beginn des Ermittlungsverfahrens am 7. März über 100 Anzeigen von Unbeteiligten vor. Zu Guttenberg droht bei einer Verurteilung bzgl. der Verletzung des Urheberrechts eine Geldbuße oder bis zu 3 Jahre Haft. Die Uni Bayreuth will bis frühestens Mitte April entscheiden, wie es sich mit der vorsätzlichen Täuschung verhält: Sie hat 2 externe Gutachter herangezogen und will damit zeigen, dass sie es äußerst ernst meint, den Fall gewissenhaft aufzuarbeiten.

Eine offene Kommunikation seiner Fehler gleich zu Beginn der Affäre wäre sowohl für zu Guttenberg als auch für das Ansehen der Wissenschaft wesentlich besser gewesen. Ein daraufhin folgender schneller Rücktritt hätte eine derart extreme mediale Häme verhindert und die deutsche Wissenschaftsszene nicht so lange und intensiv in ein zweifelhaftes Licht gezogen. Eine gute Kommunikation untereinander greifen wir übrigens seit dem Jahrgang 2011 der Dialyse aktuell in jeder zweiten Ausgabe als Thema auf. So beschäftigt sich Michael Baur in dieser Ausgabe innerhalb unserer Kommunikationsserie mit dem "Vier-Ohren-Modell" (siehe Seite 132). Sie können dort etwas über die 4 Seiten lernen, die eine Botschaft beinhaltet.

Gab es sonst noch Fehltritte in der Kommunikation? Natürlich, die gab es: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel tat sich (und der Wissenschaft) zum Beispiel keinen Gefallen als sie dem strauchelnden (Ex-)Minister zu Hilfe eilen wollte: Die promovierte Physikerin meinte, dass sie zu Guttenberg als Minister und nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt habe. Ach so - das rechtfertigt natürlich alles!

Was sie vielleicht sagen wollte, war: "Ein guter Wissenschaftler macht noch lange keinen guten Politiker, und ein vielleicht nicht kompletter Wissenschaftler kann ein talentierter Politiker sein." Aber stattdessen spielte sie mit ihrer Aussage die Anstrengungen und Leistungen derjenigen herunter, die ehrlich wissenschaftlich arbeiten. Diese sind daher zu Recht erbost. Hätte sich Merkel etwas mehr mit Kommunikationsregeln und der Wirkung von Äußerungen beschäftigt, wäre ihr das vielleicht nicht passiert. Dazu hätte schon die Lektüre des ersten Artikels zur Kommunikationsserie auf Seite 21 in Dialyse aktuell 1/2011 gereicht. Aber auch das sollte eigentlich nicht nötig sein: Es sollte zum Standardrepertoire einer Bundeskanzlerin gehören, gezielt Konflikte und Missverständnisse zu vermeiden. In diesem Sinne: Ich wünsche mir, dass die Kommunikationsserie in der Dialyse aktuell dazu beiträgt, Missverständnisse im Arbeitsalltag bei der Dialyse zu reduzieren.

Christian Schäfer