Aktuelle Neurologie 2011; 38 - A22
DOI: 10.1055/s-0031-1276538

Blepharospasmus und der Beginn der Botulinumtoxin-Saga

P. Roggenkämper 1
  • 1Bonn

Anfang der 1970er Jahre suchte der amerikanische Augenarzt Alan B. Scott nach einem Stoff, der durch Injektion in Augenmuskeln diese schwächen könnte mit dem Ziel eine Schieloperation zu ersetzen. Als einzige von mehreren geprüften Substanzen erwies sich Botulinumtoxin A als geeignet. Die ersten Patienten wurden 1978 behandelt.

Nachdem das Toxin offensichtlich wirksam und verträglich war, wurde es Anfang der 1980er Jahre bei anderen Indikationen, insbesondere dem essentiellen Blepharospasmus, mit überraschend guter Wirkung eingesetzt. Der Referent, der sich im Jahre 1980 bei Alan Scott im Smith-Kettlewell-Institute of Visual Sciences (San Francisco) in die Methodik einarbeitete, behandelte die ersten Patienten 1985 als Mitarbeiter an der amerikanischen Zulassungsstudie des damals „Oculinum“ genannten Medikaments. Hinsichtlich des essentiellen Blepharospasmus/Spasmus hemifacialis (weniger des Schielens) schnellten bald die Patientenzahlen in die Höhe. Die Patienten-Compliance war hervorragend: Erstmalig wurden ihre Beschwerden nachhaltig gelindert, bei den Behandlungsterminen trafen sich gleichartig Betroffene und waren plötzlich mit den seltsamen und für die Umgebung nicht erklärlichen Krankheitszeichen nicht mehr allein. Außerdem wurde endlich nicht mehr versucht den Beschwerden mit der (hier wirkungslosen) Psychotherapie zu begegnen.

Zu einzelnen etwa gleichzeitig gestarteten (neurologischen) Botulinum-Zentren gesellten sich schrittweise viele weitere Kliniken hinzu. 1989 erhielt das amerikanische Medikament die Zulassung, wurde von der Pharmafirma Allergan übernommen und in Botox® umgenannt, 1991 erfolgte die Zulassung von Dysport® in Großbritannien. Erst spät (2005) kam das deutsche Präparat Xeomin® hinzu. Eine überraschend große Zahl von wertvollen weiteren Indikationen für die Anwendung von Botulinumtoxin wurde im Laufe der Jahre gefunden, und die 1993 gegründete Deutsche Dystoniegesellschaft leistete als Patientenselbsthilfeorganisation einen wichtigen Beitrag dazu die segensreichen therapeutischen Möglichkeiten von Botulinumtoxin bei Ärzten und Patienten bekannter zu machen.