Aktuelle Neurologie 2011; 38 - A6
DOI: 10.1055/s-0031-1276532

Workshop Botulinumtoxin bei Spastik: multiprofessionelles Management

J. Wissel 1
  • 1Beelitz-Heilstätten

Eine Schädigung von senso-motorischen Hirnarealen führt nach Schlaganfall bei mehr als 25% zu einem Upper Motor Neuron Syndrome mit der Folge von Mobilitäts-, Aktivitäts- und Feinmotorik-Störungen. Eine häufig sich ausprägende fokale und multifokale Spastik kann in diesem Rahmen zu Pflege- und Aktivitätsbehinderungen sowie Schmerzen führen. Ein Management dieses Syndroms sollte neben physikalischen und medikamentösen Interventionen auch eine Hilfsmittelversorgung berücksichtigen. Die Wahl der medikamentösen Interventionen kann sich an der Ausdehnung der Spastik orientieren. Basierend auf EBM-Analysen wird die lokale Botulinumtoxin Typ A Behandlung heute bei der fokalen und multifokalen Spastizität als Methode der Wahl vor dem Einsatz von oralen Pharmaka empfohlen. Diese Behandlung soll am günstigsten in einem multiprofessionellen Team umgesetzt werden. So können auch begleitende Störungen der Sensibilität, Kommunikation und neuropsychologische Beeinträchtigungen ausreichend Berücksichtigung finden. Quantifizier- und verstehbare realistischen Ziele (mit Patienten oder Angehörigen vereinbart) sollen im Mittelpunkt der multiprofessionellen Behandlungen stehen und z.B. mit der sogenannten Zielerreichungsskala (Goal Attainmet Skala) dokumentiert werden. In Deutschland liegen aktuell Zulassungen für die Behandlungen der oberen Extremität nach Schlaganfall für die Produkte abo- (Dysport), ona- (Botox) und inco-botulinumtoxin A (Xeomin) vor. Alle Produkte konnten in den Zulassungsstudien zeigen, dass sie nebenwirkungsarm und effektiv spastischen Muskeltonus senken sowie passive Beweglichkeit und sogenannte passive Funktionen verbessern können. Kritisch für den Erfolg dieser Behandlung im Sinne der Verbesserung von aktiven Funktionen bleibt die Muskelauswahl, Dosierung und Injektionsgenauigkeit sowie die adäquate individualisierte Begleittherapie (z.B. Redression und aktive Therapien). Auch andere Verfahren wie die selektive Neurotomie oder die lokale Phenolinjektion können gezielte Denervierungen zur lokalisierten Linderung der spastischen Überaktivität erreichen. Bei ausgedehnteren segmentalen und generalisierten Formen der Spastik sollte vor Einführung der intrathekalen Baclofenbehandlung eine orale Mono- oder Kombinationstherapie eingesetzt werden. Falls bereits fixierte Kontrakturen bei spastischen Bewegungsstörungen bestehen ist angeraten die Indikation für orthopädisch-chirurgisch Verfahren und Muskel-Sehnen-Plastiken mit erfahrenen Operateuren abzuklären.