Klin Monbl Augenheilkd 2010; 227 - R25
DOI: 10.1055/s-0030-1267579

Fehlbildungen des Chiasma opticum – der visuelle Kortex behält den Durchblick!

MB Hoffmann 1
  • 1Universitäts-Augenklinik Magdeburg

Der menschliche visuelle Kortex erhält auf jeder Hirnhälfte einen binokularen Eingang aus der jeweils gegenüberliegenden Gesichtsfeldhälfte. Voraussetzung dafür ist die partielle Kreuzung der Sehnerven am Chiasma opticum. Bei Patienten mit Albinismus [1] beziehungsweise Achiasmie ist dieses Projektionsmuster der Sehnerven gestört, so dass der visuelle Kortex einen zusätzlichen Eingang aus dem gleichseitigen Halbfeld erhält. Die konkrete Fehlprojektion ist dabei bei beiden Patientengruppen unterschiedlich, bei ersteren ist die temporale, bei letzteren die nasale Netzhaut abnormal repräsentiert. Die Untersuchung der Einbindung dieser abnormalen kortikalen Gesichtsfeldrepräsentation in die visuelle Verarbeitung bei diesen beiden Patientengruppen ermöglicht grundlegende Einblicke in wesentliche Mechanismen und Prinzipien der Selbst- und Reorganisationsprozesse des menschlichen visuellen Kortex. Der Vergleich kernspintomographischer Untersuchungen zur retinotopen Organisation des visuellen Kortex von Patienten mit Achiasmie und Albinismus zeigt, dass wesentliche Merkmale der Integration des abnormalen Eingangs in den visuellen Kortex unabhängig von der konkreten Ausprägung und Ursache des abnormalen Eingangs sind: Großformatig abnormaler kongenitaler Eingang wird in beiden Fällen als retinotope Karte organisiert. Ferner ist er der normalen retinotopen Repräsentation so überlagert, dass Gesichtsfeldorte an spiegelsymmetrischen Positionen entlang des vertikalen Meridians durch das Gesichtsfeldzentrum kortikal in enger Nachbarschaft repräsentiert sind. Gesichtsfelduntersuchungen belegen, dass diese abnormale Repräsentation für die visuelle Wahrnehmung relevant ist und unterstreichen so das plastische Potential nicht nur früher, sondern auch höherer visueller Areale.

Literatur: [1] Hoffmann MB, Schmidtborn LC, Morland AB (2007) Ophthalmologe 104:666–673