ergopraxis 2010; 3(7/08): 12
DOI: 10.1055/s-0030-1262927
wissenschaft

Konzept „Sense of Coherence” – Stärkt Eltern von Kindern mit Behinderung

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 July 2010 (online)

 

Das Konzept „Sense of Coherence” (SOC) kann Familien mit behinderten Kindern darin unterstützen, bestehende Stressfaktoren besser zu bewältigen. Dies verdeutlicht eine Arbeit der Ergotherapeuten Liisa Holsti und Rochelle Stokes von der University of British Columbia, Kanada.

Wie die Literaturanalyse zeigt, sehen sich Eltern von Kindern mit einer Behinderung mit vielfältigen Stressfaktoren konfrontiert. Sie erhalten zu wenig (medizinische) Informationen, sind verstärkt zwischenmenschlichen und familiären Schwierigkeiten ausgesetzt, können nur schwer familiäre Ressourcen nutzen und zweifeln an ihrer elterlichen Kompetenz. Der Begriff „Sense of Coherence” aus dem Präventionskonzept der Salutogenese nach Antonovsky beschreibt das dynamische Gefühl des Vertrauens, die Anforderungen des Lebens annehmen und bewältigen zu können. Dabei zeichnet sich das Kohärenzgefühl durch die drei Aspekte der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit aus.

Die Forscher sehen im SOC-Konzept einen geeigneten Bezugsrahmen für ergotherapeutische Interventionen, die sich an Familien von Kindern mit einer Behinderung richten. Um betroffene Eltern in der Verstehbarkeit zu unterstützen, sollten Ergotherapeuten diese zusätzlich über die Behinderung und deren Auswirkungen auf die alltäglichen Aktivitäten informieren. Bei Bedarf kann es auch hilfreich sein, Kontakte zu weiteren medizinischen oder sozialen Berufsgruppen herzustellen. Für eine erleichterte Handhabbarkeit bieten Therapeuten neben Entspannungsverfahren auch Hilfestellung für das Zeitmanagement und das Problemlösen an. Außerdem können Eltern im Rahmen der ergotherapeutischen Interventionen verschiedene Strategien erlernen, die den alltäglichen Umgang mit ihren Kindern erleichtern. Das Gefühl der Sinnhaftigkeit lässt sich beeinflussen, indem Ergotherapeuten zum Austausch mit anderen betroffenen Familien oder Selbsthilfegruppen anregen. Zudem sollten sie die Eltern dazu ermutigen, ihre eigenen Interessen wieder stärker zu verfolgen und positive Erlebnisse deutlicher wahrzunehmen.

Chpr

Kommentar

Elternarbeit nimmt im ergotherapeutischen Prozess einen immer größeren Stellenwert ein. Und wenn man das Familiensystem des Klienten in die Therapie einbezieht, wird auch eine enge Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen zunehmend wichtiger. Von der Ergotherapeutin erfordert dieses Vorgehen Engagement und die Bereitschaft, von üblichen Routinen abzuweichen sowie über die Fertigkeiten und Fähigkeiten des Klienten hinauszudenken. Doch es lohnt sich! Denn dabei zeigen sich die größten Therapieerfolge. Aus diesem Grund leistet die Arbeit von Liisa Holsti und Rochelle Stokes einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung der Ergotherapie. Ähnliche Ansätze kann man auch im überarbeiteten kanadischen Modell erkennen, dem Canadian Modell of Occupational Performance and Engagement (CMOP-E). Darin zählen zum Beispiel Fürsprechen, Coachen, Beraten, Zusammenarbeiten und Koordinieren zu den Schlüsselfertigkeiten einer Ergotherapeutin.

Christine Priß, Ergotherapeutin BSc

CJOT 2010; 77: 30–37

    >