Krankenhaushygiene up2date 2011; 6(3): 175-176
DOI: 10.1055/s-0030-1256854
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Schützt verstärkte Reinigung und Desinfektion vor MRSA?

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Publication Date:
08 September 2011 (online)

Wilson APR et al. The impact of enhanced cleaning within intensive care unit on contamination of the near- patient environment with hospital pathogens: A randomized crossover study in critical care units in two hospitals. Crit Care Med 2011; 39: 651 – 658

Die patientennahe Umgebung in Intensivstationen wird schnell von Bakterien und Viren, teilweise auch mit hoher Umweltpenetranz, kontaminiert und gerade Handkontaktflächen gelten als mögliche Vektoren innerhalb einer Übertragungskette. Wilson und Mitarbeiter untersuchten in einer prospektiven, randomisierten Crossover-Studie den Effekt von verstärkter Reinigung und Desinfektion auf die Übertragung einer Reihe krankenhaushygienisch relevanter Erreger.

In 2 Intensivstationen akademischer Lehrkrankenhäuser wurde in einer 12-monatigen Beobachtungsphase in jeweils 8-Wochen-Blöcken nach dem Zufallsprinzip entweder mit dem üblichen Standardverfahren (einmal tägliche Routinereinigung und Desinfektion mit chloridhaltigen oder alkoholhaltigen Desinfektionsmitteln) oder einem intensivierten Reinigungs- und Desinfektionsverfahren (zusätzliche 2-mal tägliche Desinfektion patientennaher Handkontaktflächen mit speziellen, mit kupferhaltiger Lösung behandelten Mikrofasertüchern durch ein speziell geschultes Reinigungsteam) gearbeitet. Die übrigen Maßnahmen zur Infektionsprävention (Isolierungsmaßnahmen, Patientenscreening auf MRSA bei Aufnahme, Entlassung und 1 bis 2-mal pro Woche während des Aufenthaltes) blieben unverändert. An 3 Tagen in der Woche wurden 3-mal täglich Kulturen von 6 Oberflächen (inklusive Handabklatschuntersuchungen) an 4 Bettplätzen sowie Umgebungsuntersuchungen und Luftuntersuchungen durchgeführt.

Unter intensivierten Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen fand sich eine statistisch signifikante Reduktion der Umgebungskontamination mit MRSA (14,6 vs. 9,1 % pro Bettplatz; p= 0,006) und auch eine Abnahme der kontaminierten Hände von Ärzten (2,6 vs. 0,7 %; p= 0,025) und ein Trend zur Reduktion der Handkontamination bei Pflegenden (1,7 vs. 1,0 %; p= 0,077). Keine statistich signifikante Reduktion der Umgebungsbelastung wurde für andere Erreger wie A. baumannii, ESBL-bildende coliforme Keime, VRE oder C. difficile festgestellt. Die MRSA-Neubesiedlungsrate (Akquisitionsrate) der Patienten blieb jedoch unverändert: MRSA Akquisition/1000 Patiententage im Krankenhaus A 2,73 vs. 3,60 und im Krankenhaus B 9,67 vs. 7,23 für Standard- bzw. intensivierte Reinigung/Desinfektion (OR 0,98).

Die Autoren diskutieren einige Schwachpunkte der Studie, die trotz der hohen Anzahl von über 20 000 untersuchten Proben an 1152 Bettentagen unterpowert war, um deutliche Unterschiede bei der Übertragung seltener Erreger zu detektieren. Auch kann ein Hawthorne-Effekt durch die für das Personal offensichtlichen Veränderungen des Reinigungsregimes während der Studie nicht ausgeschlossen werden. Dennoch kommen die Autoren zu dem Schluss, dass eine intensivierte Umgebungsreinigung und Desinfektion als alleinige infektionspräventive Maßnahme weder effektiv noch wirtschaftlich sei.

Fazit: Wilsons Studie belegt, dass moderne Infektionsprävention in der Regel an vielen Punkten einer möglichen Übertragungskette ansetzen muss, um klinisch relevante Erfolge zu erreichen. Sie zeigt, dass zwar eine Reduktion der Belastung von Handkontaktflächen insbesondere durch MRSA durch intensivierte Reinigung und Desinfektion zu erreichen ist, diese aber die Übertragung von Patient zu Patient z. B. durch direkten Handkontakt nicht verhindern kann. Die Bedeutung einzelner Substanzen zur Flächendesinfektion oder spezieller Reinigungsprodukte kann durch die Studie nicht geklärt werden.
Die in vielen deutschen Intensivstationen praktizierten Empfehlungen zur täglichen Routinereinigung und zur unmittelbaren Desinfektion bei sichtbarer Kontamination von Flächen sowie Desinfektion z. B. von Monitoroberflächen einmal pro Schicht, erscheinen vor dem Hintergrund der Ergebnisse von Wilson und Mitarbeitern sinnvoll. Eine intensivierte laufende Flächendesinfektion sollte speziellen Problemsituation vorbehalten bleiben.

PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Freiburg

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