Krankenhaushygiene up2date 2011; 6(3): 175
DOI: 10.1055/s-0030-1256853
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Inhalationstherapie Risifaktor für VAP?

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. September 2011 (online)

Jaillette, E, Nseir S. Relationship between inhaled Beta-2-agonists and ventilator- associated pneumonia: A cohort study. Crit Care Med 2011; 39: 725 – 30

Die Prävention beatmungsassoziierter Pneumonien (VAP: ventilator associated pneumonia) stellt nach wie vor eine Herausforderung dar und die Rolle vieler Einzelfaktoren im Umgang mit beatmeten Intensivpatienten ist ungeklärt. Die Autoren Jaillette und Nseir von der CHU de Lille in Frankreich nahmen sich der Frage an, ob die Verwendung aerolisierter Bronchodilatatoren einen Einfluss auf die Rate beatmungsassoziierter Pneumonien hat.

Sie untersuchten eine gemischte, chirurgisch/internistische Population ohne neurochirurgische oder polytraumatisierte Patienten in einem 13-monatigen Zeitraum von Dezember 2006 bis Ende 2007. Alle Patienten mit einer Beatmungsdauer von mehr als 48 Stunden wurden in die Studie aufgenommen. Die Inzidenzdichte der beatmungsassoziierte Pneumonien wurde im Rahmen der Surveillance aufgrund klinischer, radiologischer und mikrobiologischer Kriterien gestellt. Zu den Routinepräventionsmaßnahmen zählten Oberkörperhochlagerung, Mundpflege mit Chlorhexidin, Cuffdruckmonitoring alle 8 Stunden mit einem Zielwert von 25 cm Wassersäule und Wechsel der HME-Filter alle 48 Stunden ohne festes Wechselintervall der Beatmungsschläuche. Die Inhalationstherapie wurde mit Einmalverneblern am Y-Stück distal des HME-Filters durchgeführt. Nur primäre VAP-Episoden wurden in die Analyse aufgenommen.

Insgesamt 439 Patienten wurden in die Studie aufgenommen und 137 (31 %) entwickelten eine beatmungsassoziierte Pneumonie. Die Inzidenzdichte lag bei 20/1000 Beatmungstage. Eine polymikrobielle Genese wurde in 11 % der Fälle und multiresistente Erreger in 28 % der Fälle gefunden. Inhalative Bronchodilatatoren wurden statistisch signifikant häufiger bei Patienten verwendet, die eine VAP entwickelten: 49 vs. 34 % (Odds Ratio 1,9, 95 %-Konfidenzintervall 1,2-2,8, p = 0,003). In der Cox-proportional-Hazard-Analyse wurde die Inhalationstherapie ebenso wie in der Multivarianzanalyse als unabhängiger Risikofaktor für das Entstehen einer VAP herausgefiltert. Auch ein hoher SAPS-Score bei Aufnahme und die Gabe von Erythrocytentransfusionen waren Risikofaktoren für das Entstehen einer beatmungsassoziierten Pneumonie. Die Patienten mit VAP wiesen eine längere Beatmungsdauer, einen längeren Intensivaufenthalt und eine höhere Mortalität auf.

Die Autoren weisen in der Diskussion ihrer Arbeit darauf hin, dass die Rate der mit inhalativen Bronchodilatatoren behandelten Patienten mit 38 % der Gesamtpopulation relativ hoch ist, was sie mit der hohen Rate von COPD-Patienten (28 %) in Verbindung bringen. Dies erklärt auch die hohe Rate an Pseudomonas aeruginosa (38 %) als führender Pneumonieerreger.

Obwohl Beta-2-Agonisten in Tierversuchen und am Menschen positive Effekte bei der Rückbildung von Pneumonien und alveolären Ödemen zeigen sowie eine verstärkte mukociliäre Clearance bewirken, konnten die Autoren keinen positiven Effekt zeigen und vermuten, dass die häufigen Manipulationen und Diskonnektionen beim Einsetzen des Verneblers für die negativen Auswirkungen auf die VAP-Rate verantwortlich sein könnten.

Fazit: Die Studie weist aufgrund ihres offenen Single-Center-Charakters und bei der Kontrolle einer Reihe von Variablen naturgemäß Mängel auf. Hinzu kommen die hohe Rate an COPD-Patienten und antibiotischer Vorbehandlung und die hohe VAP-Inzidenzdichte, die eine allgemeine Übertragbarkeit der Ergebnisse unmöglich machen. Es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass die medikamentöse Therapie selbst für das schlechte Ergebnis verantwortlich ist, sondern die Studie untermauert die These, dass häufige Manipulationen am Beatmungssystem die Infektionsrate erhöhen (Do not break the circuit rule). Durch den Einsatz von weniger manipulationsintensiven Inline-Systemen könnte dieses Problem gelöst und gleichzeitig eine suffiziente inhalative Therapie gewährleistet werden.

PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Freiburg

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