Der Begriff „Epidemie” kommt aus dem Griechischen (epi = über, demos = das Volk) und
bedeutet soviel wie „etwas, was über das Volk kommt”. Damit kommt zum Ausdruck, dass
im Fokus einer Epidemie nicht die Einzelperson, sondern die Bevölkerung steht, die
von etwas befallen wird. Dies umfasst sowohl äußere Einflussfaktoren wie beispielsweise
Infektionserreger, Strahlung, belastete Lebensmittel, Qualität des Trinkwassers, usw.
als auch Gesundheitsverhalten sowie genetische Prädisposition. Die Epidemiologie als
Lehre beschäftigt sich daher mit der Häufigkeit sowie der zeitlichen und räumlichen
Verteilung von Krankheiten bzw. im weiteren Sinne mit gesundheitsbezogenen Endpunkten
in Bevölkerungen und deren Ursachen.
Im Interesse der Leserschaft wurden im vorliegenden Text viele Beispiele aus dem Bereich
der Infektionsepidemiologie gewählt. Nicht übertragbare Krankheiten werden in epidemiologischen
Untersuchungen aber gleichfalls häufig untersucht. Diese Darstellung der Epidemiologie
muss unvollständig sein. Der interessierte Leser sei aber ermuntert, sich anhand der
zitierten Literatur weiter in die Materie zu vertiefen.
Kernaussagen Epidemiologie
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Epidemiologie als medizinische Wissenschaft befasst sich mit der Häufigkeit und Verteilung
gesundheitsbezogener Zustände und deren Determinanten in Bevölkerungen.
-
Während sich die Epidemiologie in früheren Epochen mit der Untersuchung und Verbesserung
soziohygienischer Verhältnisse und später mit Infektionskrankheiten befasste, liegt
ein Schwerpunkt der modernen Epidemiologie auf der Untersuchung von Risikofaktoren
chronischer Erkrankungen. Ein besonderes Interesse gilt heute Veränderungen der Bevölkerungsgesundheit
durch die Globalisierung.
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Beobachtungsstudien (v. a. Kohorten-, Fall-Kontroll-, Querschnittsstudien) sind in
der Epidemiologie häufig, bevölkerungsbasierte Interventionsstudien selten.
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Inzidenz, Prävalenz, Mortalität und Letalität sind epidemiologische Häufigkeitsmaße.
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In Kohortenstudien kann das relative Risiko als Risikoschätzer ermittelt werden. Für
seltene Ereignisse ist die Odds-Ratio eine gute Annäherung an das relative Risiko.
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Mit der multiplen Regressionsanalyse ist der Einfluss von Risikofaktoren unabhängig
von Begleitfaktoren hinsichtlich eines Endpunktes (Krankheit, Tod) ermittelbar.
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Mit mathematischen Modellen kann die Übertragungswahrscheinlichkeit von Infektionen
in Bevölkerungen analysiert werden. Mithilfe der Basisreproduktionszahl ist die kritische
Durchimpfungsrate zum Erlangen einer Herdenimmunität kalkulierbar.
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Bei Vorliegen der Kausalitätskriterien nach Bradford Hill wird in Beobachtungsstudien
eine Ursache-Wirkungs-Beziehung wahrscheinlicher.
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Epidemiologisches Wissen ist in der medizinischen Praxis allgegenwärtig.
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Dr. Jean-Baptist du PrelMPH
Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie
Universität Ulm
Helmholtzstr. 22
89081 Ulm
eMail: Jean-Baptist.du-Prel@uni-ulm.de