Krankenhaushygiene up2date 2011; 6(1): 8
DOI: 10.1055/s-0030-1256361
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Gefahr durch gramnegative carbapenemresistente Enterobakterien

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Publication Date:
22 March 2011 (online)

Kumarasamy KK, Toleman MA, Bagaria J et al. Emergence of a new antibiotic resistance mechanism in India, Pakistan, and the UK: a molecular, biological, and epidemiological study. Lancet infectious diseases 2010; 10: 597 – 602

Die indisch-britische Studie von Kumarasany et al. hat bereits für ein breites Medienecho gesorgt und das Thema Resistenzentwicklung in den Fokus der öffentlichen Meinung gebracht. Waren bisher hauptsächlich MRSA und VRE Inhalt des medialen Interesses haben nun auch die gramnegativen Erreger den Sprung ins Rampenlicht auch der nicht wissenschaftlichen Öffentlichkeit geschafft. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt auch in dem von den Autoren beschriebenen Mangel an geeigneten, neuen Reserveantibiotika speziell für das gramnegative Spektrum.

Das Team von Infektiologen um Kumarasamy untersuchte Enterobacteriaceae aus den indischen Provinzen Chennai (im Süden) und Harzana (im Norden), aus Pakistan und aus Großbritannien mit Carbapenemresistenz auf das Vorliegen von New-Delhi-Metallobetalactamase 1 (NDM1), ihr Plasmidmuster und ihre klonale Herkunft.

Die resistenten Stämme in Chennai (75 E. coli, 60 Klebsiella spp., 6 andere Enterobacteriaceae) stellen 4 % aller im dortigen Laboratorium analysierten Enterobacteriaceae dar und stammten überwiegend aus Proben bei Patienten mit ambulant erworbenen Infektionen des Urogenitaltraktes oder Lungenentzündungen.

In Großbritannien stieg die Anzahl der Nachweise von NDM1 von 2008 auf 2009 an. Dabei fanden sich 21 Klebsiella pneumoniae, 7 E. coli, 2 Citrobacter freundii, 6 Enterobacter spp und jeweils ein Morganella morganii und Providencia spp. 17 der 29 Patienten in Großbritannien hatten eine positive Reiseanamnese für Indien oder Pakistan und 14 waren dort in einem Krankenhaus behandelt worden. Teilweise handelte es sich um Nieren- oder Knochenmarkstransplantationen, kosmetische Operationen aber auch um Notfälle nach Unfällen, Schlaganfall oder Brandverletzungen.

Neben der Carbapenemresistenz waren die meisten Isolate auch ESBL-Bildner und wiesen Resistenzen gegen Chinolone und Aminoglykoside auf. Lediglich Colistin und Tigecycline waren in den meisten Fällen in vitro wirksam.

Zwischen den Isolaten des indischen Subkontinents und Großbritannien konnte keine klonale Identität festgestellt werden. Klonal identische Ausbruchsstämme von Klebsiella pneumoniae fanden sich in Haryana. Die Resistenzplasmide blaNDM1 waren leicht zwischen Speziesgrenzen übertragbar und wiesen eine hohe Rate von DNA-Aufnahme oder -Verlust und -Rearrangement auf.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass gerade die leichte Übertragbarkeit der NDM1-Resistenz und das Auftreten bei ambulant erworbenen Infektionen angesichts der weltweiten Reisetätigkeit eine ernstzunehmende Bedrohung für das Auftreten eines weltweiten Resistenzproblems darstellt.

Fazit: Schon heute gehören gramnegative ESBL-Bildner auf manchen Intensivstationen zu den Problemkeimen mit hoher Inzidenz, und das gehäufte Auftreten von Carbapenemresistenz in Reiseländern wie Griechenland, Israel und Teilen der USA ist Anlass zu ernster Sorge auch in Deutschland. Diese wird durch die indisch-britische Arbeit bestätigt, die den leichten Plasmidtransfer der NDM1-Resistenz technisch einwandfrei nachgewiesen hat und neben der allgemeinen Verbreitung durch Reisetätigkeit im Nebensatz noch auf eine besondere Problematik hinweist: den Medizintourismus. Ein großer Teil der 14 primär in indischen Krankenhäusern behandelten NDM1-Patienten aus Großbritannien war dort nicht etwa notfallmäßig, sondern zur Durchführung elektiver Eingriffe (unter anderem auch kosmetische Chirurgie) behandelt worden. Teilweise handelte es sich um immunkompromittierte Patienten zur Nieren- oder Knochenmarktransplantation. Bei all diesen Patienten ist häufig eine komplexe Nachsorge erforderlich und das Einschleppen der Resistenz in besonders gefährdete Populationen möglich. Eine engmaschige nationale und internationale Resistenzsurveillance ist daher zwingend erforderlich. Auch das Screening von Risikopatienten erscheint trotz fehlender einheitlicher Screeningstandards für die Identifizierung von ESBL und Carbapenemasebildern unter bestimmten Umständen und in bestimmten Einrichtungen aufgrund der Ergebnisse von Kumarasamy sinnvoll.

PD Dr. Sebastian Schulz-Stübner, Karlsruhe

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