Krankenhaushygiene up2date 2010; 5(3): 152-153
DOI: 10.1055/s-0030-1255840
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Zusammenhang nosokomiale Infektion und Erregertransmission

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. September 2010 (online)

Kola A, Schwab F, Bärwolf S et al. Is there an association between nosocomial infection rates and bacterial cross transmissions? Crit Care Med 2010; 38: 46 – 50

Die Surveillance nosokomialer Infektionen ist inzwischen etablierter Bestandteil des Qualitätsmanagements vieler Kliniken und wird in Deutschland vom Infektionsschutzgesetz explizit gefordert. Die Methodik des Krankenhausinfektions-Surveillancesystems (KISS) dient dabei als Goldstandard. Bei der Verwendung der Daten im Rahmen des Benchmarkings stellt sich jedoch die Frage, wie viele Infektionen durch klassische krankenhaushygienische Maßnahmen zur Übertragungsvermeidung potenzieller Erreger tatsächlich vermieden werden können, und wie viele Infektionen durch primär endogene Faktoren beeinflusst werden. In der Literatur wird geschätzt, dass ca. 15 % der nosokomialen Infektionen auf Intensivstationen auf einer primären Übertragungssituation beruhen. Axel Kola aus der Arbeitsgruppe um Petra Gastmeier an der Berliner Charité ging dieser Frage nun mit Hilfe von KISS-Daten nach.

Daten von insgesamt 11 Intensivstationen in Berlin und Hannover, erhoben zwischen Januar 2003 und Dezember 2004, konnten ausgewertet werden. Erfasst wurden beatmungsassoziierte Pneumonien und Infektionen assoziiert mit zentralen Venenkathetern und Harnwegskathetern entsprechend der KISS-Methodik, wobei alle Stationen bereits seit mehr als einem Jahr an KISS teilgenommen haben. In allen Stationen wurden zusätzlich aktive Surveillancekulturen auf MRSA und alle klinischen mikrobiologischen Isolate ausgewertet. Die klinisch bedeutsamen Erreger Acinetobacter baumanii, Enterococcus faecalis, Enterococcus faecium, Klebsiella pneumonia, Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus wurden als Indikatorerreger klassifiziert und zur eindeutigen Indentifizierung einer Übertragung weiteren genotypischen Untersuchungen unterzogen.

Insgesamt 100 781 Patiententage und 100 829 mikrobiologische Kulturen von 24 362 Patienten wurden ausgewertet. Dabei wurden 462 Übertragungen (Inzidenzdichte 4,6 Übertragungen pro 1000 Patiententage) und 1216 nosokomiale Infektionen (Inzidenzdichte 12,1 pro 1000 Patiententage) identifiziert. Die Korrelationsanalyse mittels Spearman's Rank-Correlation-Test ergab keine Assoziation zwischen der Inzidenz von Übertragungen und der Inzidenz nosokomialer Infektionen (kumuliert oder aufgeschlüsselt nach Devicekategorie), der Dauer des Intensivaufenthaltes oder der Anwendungsdichte der verschiedenen Devices, wohl aber den bekannten Zusammenhang zwischen Deviceanwendungsdichte und nosokomialen Infektionen.

Die Autoren gehen daher davon aus, dass andere Faktoren wie die Erkrankungsschwere, die endogene Patientenflora und invasive Eingriffe zu einem großen Teil die Inzidenz nosokomialer Infektionen beeinflussen.

Fazit: Trotz gewisser methodischer Schwächen wie das Fehlen von Daten zur Prozessqualität, einer Definition der Übertragung aufgrund von mikrobiologischen Routineuntersuchungen, fehlenden Angaben zum Antibiotikamanagement auf den beteiligten Stationen und einer Beschränkung auf 6 Markererreger – liefert diese Studie eine wichtige Erkenntnis bei der Bewertung von Surveillancedaten: Relativ gesehen hohe Inzidenzdichten dürfen nicht automatisch mit Hygienefehlern oder Missmanagement gleichgesetzt werden, sondern bedürfen einer fachkundigen, krankenhaushygienischen und infektiologischen Interpretation, um daraus sinnvolle Schlüsse zur Qualitätsverbesserung ziehen zu können. Gleichermaßen dürfen niedrige Inzidenzdichten nicht in Sicherheit wiegen, sondern können mitunter lediglich Ausdruck eines niedrigen Risikoprofils sein, welches selbst schwere Hygienefehler statistisch untergehen lässt.

PD Dr. med. Sebastian Schulz-Stübner, Karlsruhe

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