ergopraxis 2010; 3(5): 12
DOI: 10.1055/s-0030-1254311
wissenschaft

WHEDA-Studie – Häusliche Ergotherapie wirkt bei Menschen mit Demenz

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Publication Date:
18 May 2010 (online)

 

Ergotherapie im häuslichen Kontext führt bei demenziell erkrankten Menschen zu einer signifikant verbesserten Alltagsbewältigung und steigert die Betreuungskompetenzen der Angehörigen. Dies zeigte bereits 2006 eine niederländische RCT-Studie der Ergotherapeutin Maud Graff. Die darauf aufbauende WHEDA-Studie des Forschungsteams um den Ergotherapeuten Sebastian Voigt-Radloff an der Universitätsklinik Freiburg untersucht nun, ob das niederländische Interventionsprogramm auch in Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen führt.

An der multizentrischen Studie nehmen 140 Senioren im Alter von über 65 Jahren teil, die an einer leichten bis moderaten Demenz erkrankt sind und zu Hause von einem Angehörigen betreut werden. Die Forscher ordneten die Klienten zufällig zwei verschiedenen Gruppen zu, wobei die Probanden der Experimentalgruppe ein fünfwöchiges ergotherapeutisches Interventionsprogramm mit zehn Therapieeinheiten zu jeweils einer Stunde erhalten. Neben dem gezielten Üben ausgewählter Alltagstätigkeiten beinhaltet es Umweltadaptionen und Angehörigenberatung. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe nehmen hingegen an einer ergotherapeutischen Beratung teil, die auf Informationsmaterial der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. beruht. Um die Auswirkungen beider Interventionen auf Alltagsfertigkeiten, Lebensqualität und Betreuungskompetenzen zu ermitteln, setzen die Forscher vor und nach dem Interventionszeitraum sowie 16, 26 und 52 Wochen später verschiedene Assessments ein. Darunter die Performance Scale of the Interview for Deterioration in Daily Living Activities in Dementi (IDDD) und das Perceive, Recall, Plan and Perform System (PRPP) (ergopraxis 2/10, „Asessment: PRPP”).

Da die deutsche Studie vielfältige Anpassungen erfordert, rechnen die Forscher mit vergleichsweise geringeren Effektgrößen. Ihnen steht beispielsweise deutlich weniger Zeit zur Verfügung, und sie mussten das AMPS durch das PRPP ersetzen. Dennoch gehen sie davon aus, dass die Ergebnisse der WHEDA-Studie wesentliche Impulse für eine effektive ergotherapeutische Behandlung von demenziell erkrankten Menschen in Deutschland liefern könnten.

fk

Kommentar

Diese Studie besitzt das Potenzial, die ergotherapeutische Behandlung von demenziell erkrankten Menschen in Deutschland nachhaltig zu beeinflussen. Betrachtet man die deutschsprachige Fachliteratur zu diesem Thema, so orientieren sich herkömmliche Behandlungsprogramme überwiegend an Konzepten aus den Bezugswissenschaften wie der Geragogik oder der Pflegewissenschaft. Versteht man das alltägliche Handeln jedoch als zentralen Gegenstand der Ergotherapie, so sollte sich unsere Profession auch im Umgang mit demenziell erkrankten Menschen möglichst handlungs- und alltagsorientiert ausrichten. Die niederländischen Kollegen könnten dabei als Vorbild dienen, da sie über eine ergotherapeutische Leitlinie für die Behandlung dieser Klientel verfügen. Das hier evaluierte Interventionsprogramm basiert auf dieser Leitlinie und soll Menschen mit leichten und moderaten Demenzformen darin unterstützen, für sie bedeutsame Handlungen wieder besser zu bewältigen. Falls die Ergebnisse der WHEDA-Studie zeigen, dass dieses Programm auch in Deutschland zu signifikanten Effekten führt, werden hoffentlich bald weitere Veröffentlichungen und konkrete Weiterbildungsmöglichkeiten zu diesem Behandlungskonzept folgen.

Florence Kranz, Ergotherapeutin (bc.)

BMC Geriatrics 2009: 9: 44–59

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