Sprache · Stimme · Gehör 2010; 34(2): 53
DOI: 10.1055/s-0030-1254226
Für Sie gelesen, für Sie gehört

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Mehrfachbehinderung – Cochlear Implantat bei behinderten Kindern

Further Information

Publication History

Publication Date:
27 May 2010 (online)

 

Bei vielen mehrfach behinderten Kindern ist eine Hörstörung nicht das führende Problem. Lohnt sich dennoch eine Cochlear Implantation? Dieser Frage gingen Meinzen-Derr et al. nach. Laryngoscope 2010;120:405-413

Der Spracherwerb bei mehrfach behinderten Kindern ist von vielen Faktoren abhängig, vorranging von der Quantität und Qualität der sprachlichen Anregung (z.B. durch Eltern, Pädagogen, Logopäden), vom Hörvermögen und von geistigen und motorischen Fähigkeiten der betroffenen Kinder. In den meisten Fällen hat man es mit Kindern zu tun, bei denen Einschränkungen in nur einem dieser Bereiche dominieren. Bei mehrfachbehinderten Kindern aber fällt die Einschätzung der Chancen auf einen möglichst "guten" Spracherwerb schwer: die sprachliche Anregung mag gut sein (oft ist sie bei stark engagierten Eltern sogar optimal) – aber eine Hörstörung und eine Entwicklungsverzögerung (bzw. drohende geistige oder körperlich Behinderung) machen uns die Beurteilung der Entwicklungschancen, auch im Hinblick auf die Einschulung, schwer. Das Problem steigert sich ins Extreme bei hochgradigen Schwerhörigkeiten oder Resthörigkeit in Verbindung mit weiteren Behinderungen. Was ist dann die sogenannte "führende Behinderung", die maßgeblich für das "Outcome" der Kinder verantwortlich zeichnet, besonders was die Sprachentwicklung angeht? Lohnt sich z.B. bei "geistig behinderten" Kindern eine Cochlear Implantation, besonders, wenn die Hörstörung gar nicht als die "führende Behinderung" erscheint? Immerhin bei 30-40% der hochgradig schwerhörigen Kinder liegen solche zusätzlichen Behinderungen vor.

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt sich um eine prospektive Kohortenstudie zur Sprachentwicklung bei 21 Kindern unter 6 Jahren mit z.B. CHARGE-Syndrom, Refsum-Syndrom, Large-Vestibular-Aqueduct-Syndrom, nach Meningitis oder kongenitaler Zytomegalieinfektion und um die erste publizierte Studie zur Fragestellung überhaupt. Die Sprachentwicklung wurde mit dem Preschool-Language-Scale (PLS) Version 4 untersucht (nein, der Test ist noch nicht "veraltet"!). Der Vorteil gerade dieses Tests ist, dass die Ergebnisse als sogenannte Language Quotients (LQs) ausgegeben werden, also Standardwerte, die man mit Intelligenzquotienten (IQ) vergleichen kann. Außerdem wurden die Rossetti Infant Toddler Language Scale (RI-TLS) verwendet, deren Ergebnisse sich in LQs umrechnen lassen. Der IQ wurde – nonverbal, versteht sich – mit den Gesell-Skalen ermittelt.

    >