Zusammenfassung
Im Rahmen der Realisierung des europäischen Binnenmarktes sind die grenzüberschreitenden
Gesundheitsdienstleistungen in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus des öffentlichen
Interesses gerückt. Zahnersatz wird mehr und mehr aus dem Ausland nach Deutschland
importiert. Zudem werden die Patienten selbst mobiler und lassen sich im Ausland mit
Zahnersatz versorgen. Ziel der vorliegenden Evaluation war es, die individuellen Präferenzen
der Nachfrager nach Auslandszahnersatz sowie das jeweils angestrebte Kosteneinsparungspotenzial
mithilfe eines fachspezifischen Fragebogens zu ermitteln. Hierfür wurden 1 368 Personen
im Alter von 30–75 Jahren im Rahmen einer repräsentativen Mehrthemenumfrage befragt.
Die Ermittlung der individuellen Zahlungsbereitschaften baut auf4 Versorgungsszenarien
auf, die von den Befragten im Rahmen von Bidding Games bewertet wurden. Zur Beurteilung
standen ein „Kronenszenario” sowie ein „Implantatszenario”. In beiden Szenarien wurde
zudem zwischen den Versorgungsoptionen „Auslandszahnersatz” und „Dentaltourismus”
unterschieden. Im direkten Vergleich wurde die Option „Auslandszahnersatz” gegenüber
der Alternative „Dentaltourismus” bevorzugt. Im Kronenszenario lag die durchschnittliche
Zahlungsbereitschaft für die Dentaltourismus-Variante im Vergleich zu Auslandszahnersatz
um 80 Euro, im Implantatszenario um etwa 280 Euro niedriger. Die Wechselbereitschaft
zu einem günstigeren Zahnarzt zeigte sich als eine wichtige Einflussgröße auf die
Varianz der Zahlungsbereitschaft. Zudem wurden Qualitätsaspekte von den Befragten
wesentlich häufiger (92,4%) als Entscheidungskriterium für oder gegen den Auslandszahnersatz
genannt als die Preisgünstigkeit des Zahnersatzes (31,1%). Alles in allem verdeutlicht
die Analyse, dass die Entscheidung für oder gegen ausländischen Zahnersatz sowie die
Höhe der Zahlungsbereitschaft von multiplen Faktoren geprägt wird, von denen der „Preis”
letztlich nur ein Kriterium darstellt.
Abstract
With the progressive realisation of the single European market, public interest has
been directed towards cross-border healthcare services to an increasing extent. More
and more dentures are being imported into Germany from foreign countries. Furthermore,
patients are becoming ever more mobile, travelling to other countries to receive prosthetic
treatment from dentists. The objective of this evaluation was to determine by means
of a dedicated questionnaire the patients’ individual preferences for foreign dentures
and the potential savings. 1 368 individuals between the ages of 30 and 75 years were
interviewed within a representative omnibus survey. The evaluation of the individual
willingness-to-pay included 4 treatment scenarios, which were assessed by the participants
in a “bidding game”. Participants could choose between a “crown scenario” and an “implant
scenario”, both with the subcategories “foreign dentures” and “dental tourism”. The
direct comparison revealed a preference for the “foreign dentures” option over “dental
tourism”. Average willingness-to-pay for the dental tourism option in the crown scenario
was calculated as 80 Euro, and in the implant scenario as 280 Euro less in comparison
with the willingness-to-pay for the foreign dentures option. The willingness to switch
to a less expensive dentist was one of the main determinants in the causal explanation
for the variance in willingness-to-pay. Quality proved to be the decisive criterion
and was indicated by 92.4% participants. A lower price for dentures played a subordinate
role and was only stated as the decisive factor by 31.1% participants. In conclusion,
the results clearly indicate that the decision for or against foreign dentures and
the extent of willingness-to-pay depends on a range of criteria, of which “price”
is only one and not the decisive factor.
Schlüsselwörter
Auslandszahnersatz - Dentaltourismus - Willingness-to-pay - kontingente Bewertungsmethode
- Bidding Game
Key words
foreign dentures - dental tourism - willingness-to-pay - contingent valuation method
- bidding game
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1 Das Szenario der Kronenversorgung bildet eine häufig vorkommende Versorgungssituation
ab, die im Rahmen der Regelversorgung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abrechnungsfähig
ist und einen Festzuschuss nach Befund 1.1 auslöst. Die Kosten einer etwaigen Verblendung
der Kronen sind in dem gewählten Beispiel nicht enthalten, da eine Verblendung im
Seitenzahnbereich über die Regelversorgung hinausgeht. Abgebildet werden sollte das
Entscheidungsverhalten der Befragten in der Situation einer reinen Regelversorgung.
Ein Kosteneinsparpotenzial besteht sowohl beim zahnärztlichen Honorar als auch bei
den Material- und Laborkosten.
2 Für das Szenario der Implantatversorgung wurde der Fall einer zahnbegrenzten Einzelzahnlücke
gewählt, der nach Nummer 36a der Festzuschuss-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
erstattungsfähig ist, sofern keine parodontale Behandlungsbedürftigkeit besteht und
die Nachbarzähne kariesfrei und nicht überkronungsbedürftig bzw. überkront sind. Das
Szenario beschreibt somit den Fall einer Versorgung eines Implantates mit einer sog.
Suprakonstruktion (Befunde 2.1 und 2.7). Ein Kosteneinsparpotenzial besteht hier in
erster Linie beim zahnärztlichen Honorar sowie bei den Material- und Laborkosten des
Aufbaues, d. h. der künstlichen Verblendkrone. Zwischen den einzelnen Implantatsystemen
selbst bestehen aktuell zwar deutliche Preisunterschiede, vorliegende Informationen
von ausländischen Zahnkliniken deuten jedoch darauf hin, dass hier regelmäßig Implantate
derjenigen Anbieter eingesetzt werden, die auch in Deutschland Verwendung finden [12 ]. Bei den Kosten des Implantates selbst ist daher kaum ein Einsparpotenzial zu realisieren.
Die Kosten der künstlichen Zahnwurzel, d. h. des Implantates selbst, wurden bei der
Berechnung des Szenarios daher nicht berücksichtigt.
3 Da der befundbezogene Festzuschuss von der Krankenkasse unabhängig von den Kosten
der gewählten Versorgung sowie des Leistungs- bzw. Herstellungsortes gewährt wird,
kommt jede Einsparung oberhalb des Festzuschusses zu 100% dem Patienten zugute, entsprechend
hoch ist sein Preisinteresse [13 ].
Korrespondenzadresse
Dr. D. Klingenberger
Institut der Deutschen
Zahnärzte (IDZ)
Universitätsstraße 73
50931 Köln
eMail: d.klingenberger@idz-koeln.de