ergopraxis 2010; 3(2): 11
DOI: 10.1055/s-0030-1248785
wissenschaft

Wohnen im Alter Neues Arbeitsfeld erfordert modifiziertes Rollenverständnis

Further Information

Publication History

Publication Date:
10 February 2010 (online)

 

Die subjektiv empfundene Lebensqualität von älteren Bewohnern in Hausgemeinschaften kann durch den ganzheitlichen und klientenzentrierten Ansatz der Ergotherapie gesteigert werden. Zu diesem Ergebnis kam die Ergotherapeutin Stefanie Esser gemeinsam mit ihren Kollegen von der Hogeschool Zuyd in Heerlen, Niederlande.

Zu Beginn ihrer Studie entwickelten die Forscher ein hypothetisches Modell, um den Begriff „Lebensqualität” zu klären. Anschließend interviewten sie acht Bewohner aus drei unterschiedlichen Hausgemeinschaften in Deutschland. Die Studienteilnehmer waren über 55 Jahre alt und beantworteten die Fragen des teilstandardisierten Leitfadeninterviews, zum Beispiel zur aktuell empfundenen Lebensqualität und zur Wohnsituation. Basierend auf den daraus gewonnenen Bedürfnissen der Bewohner befragten die Forscher vier europäische Experten mit ergotherapeutischer Erfahrung im Bereich Geriatrie mittels schriftlicher Interviews zu demselben Thema.

Die Ergebnisse zeigen, dass eine Hausgemeinschaft viele Möglichkeiten bietet, ergotherapeutisch tätig zu werden. Dieses Arbeitsfeld erfordert jedoch ein modifiziertes Rollenverständnis. Und zwar weg von der klassischen Klient-Therapeut-Beziehung, hin zur Therapeutenrolle als Koordinator, Berater, Begleiter und Moderator. Ergotherapeutische Konzepte, welche die Klientenzentrierung und das Empowerment in den Vordergrund stellen, unterstützen die Bewohner, ein aktives und selbstbestimmtes Leben innerhalb und außerhalb einer Hausgemeinschaft zu führen.

sija

Kommentar

Wann benötigen Bewohner von Alten-WGs externe Hilfe? Wie kann sie aussehen und welche Berufsgruppe bietet sie an? Spannende Fragen angesichts der zunehmenden Anzahl von Wohngemeinschaften für Senioren.

Die ergotherapeutische Philosophie, jeden Menschen zu befähigen, sein Leben so selbstbestimmt wie möglich führen zu können, deckt sich mit den Motiven, die alte Menschen haben, wenn sie sich für eine Hausgemeinschaft entscheiden. Doch wer kann alle Konsequenzen dieser Entscheidung voraussehen? Vor allem die Anfangszeit in der neuen Lebenssituation verlangt den Senioren einiges ab. Da gilt es herauszufinden, welche Maßnahmen am effektivsten dabei helfen, Krankheiten vorzubeugen.

Wenn die Ergotherapie es schafft, den dafür notwendigen Rollenwechsel zu vollziehen und tragfähige Modelle zu entwickeln, hat sie gute Chancen, sich in diesem Tätigkeitsfeld zu etablieren. Dann stellt sich nur noch die Frage nach der Verordnung.

Silke Jäger, Ergotherapeutin und Lektorin

ergoscience 2009; 4: 143–153

    >