Literatur
- 1 Kant I. Akademie-Ausgabe. Bd. XVII (Handschriftlicher Nachlass). Berlin und Leipzig
1926; 320
- 2 Heimsoeth H. Freiheit und Charakter. In: Prauss G, Hrsg. Kant. Zur Deutung seiner
Theorie vom Erkennen und Handeln. Köln 1973; 292–309
- 3 Nietzsche F. Wird zitiert nach: Kritische Studienausgabe: (KSA) des Gesamtwerks
in 15 Bänden. Colli G, Montinari M, Hrsg. Berlin: De Gruyter; 1967–1977: 180. Zum
Motto siehe KSA 8 (aus dem Nachlass von 1875), 180
- 4 Schiller F. Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen
(1794 / 95). In: Schiller F. Sämtliche Werke. Fricke G, Göpfert HG, Hrsg. 6. Aufl.
München: Hanser; 1967: Bd. V; 611 nota
- 5 Schüffel W. Medizin IST Bewegung und Atmen – Wie aus Wüste Würde wird. Halle: Projekte
Verlag; 2009: 5–10, 254–457
- 6 Kluge F. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 18. Aufl. Berlin 1960;
634 f.
- 7 Kierkegaard S. Die Krankheit zum Tode (1848). Übers. von Hirsch E. 4. Aufl. Gütersloh:
Diederichs / Mohn Gütersloh; 1992: 66 f., 70, 175
- 8 Danzer G. Münchhausen – oder warum man sich nicht am eigenen Leibe aus dem Sumpf
ziehen kann. In: Danzer G, Hrsg. Psychosomatik – Gesundheit für Körper und Geist.
2. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft; 1998: 290–302
- 9
Düsing E.
Die heilsame Kraft der Beziehung bei Sándor Ferenczi.
Balint Journal.
2007;
8
73-84
- 10 Ruhnau J. Artikel „Scham“. In: Ritter J, Gründer K, Hrsg. Historisches Wörterbuch
der Philosophie. Bd. 9. Basel 1997; 1208–1215
- 11 Janka M. Der sophokleische Eros und sein Dialog mit Euripides. In: Düsing E, Klein H-D,
Hrsg. Geist, Eros und Agape. Untersuchungen zu Liebesdarstellungen in Philosophie,
Religion und Kunst. Würzburg: Königshausen; 2009: 63–96, bes. 85 ff.
- 12 Platon. Protagoras. In: Platon. Sämtliche Werke Bd. I, 63 (322 c), übers. von Schleiermacher F
(mit der Stephanus-Numerierung). Platon. Nomoi, Bd. VI, 31 (647 a–e), Hamburg: Rowohlt;
1957
- 13 Manuwald B. Platon Protagoras. Übersetzung und Kommentar. Göttingen 2003; 172 ff.,
194–199
- 14 Sartre J-P. L’Être et le Néant. Essai d’ontologie phénoménologique, Paris 1943
- 15 Janke W. Intellektuelle Anschauung und Gewissen. In: Fichte-Studien Bd. 5, 21–55,
bes. 46
- 16 Dodds E R. Die Griechen und das Irrationale. 2. Aufl. Besonders das Kapitel: „Von
der Schamkultur zur Schuldkultur“. Darmstadt 1991; 17–37
- 17 Weber L M. Artikel „Scham“. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 9, 365 f.
- 18 Wurmser L. Die Maske der Scham. In: Die Psychoanalyse von Schamaffekten und Schamkonflikten,
5. Aufl. Berlin, Heidelberg: Dietmar Klotz; 2008 (Original: The Mask of Shame, übers.
von U. Dallmeyer)
- 19 Wurmser L. Flucht vor dem Gewissen. Analyse von Über-Ich und Abwehr bei schweren
Neurosen. Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo: Springer 1987
- 20 Düsing E. Gewissen – eine typologische Problemskizze mit Bezug auf Augustin, Luther,
Kant, Kierkegaard, Nietzsche und Freud. In: Bäumer R, Hrsg. Im Ringen um die Wahrheit.
Weilheim: Bäumer; 1997: 83–110
- 21 Nietzsche F. Jenseits von Gut und Böse (1886). Aphorismus Nr. 263 und 40 (3) KSA 5,
217 f., 58
- 22 Düsing E. Nietzsches Denkweg. Theologie – Darwinismus – Nihilismus. 2. Aufl. München,
Wilhelm Fink; 2007: 505–521
- 23 Kant I. Eine Vorlesung Kants über Ethik. Berlin: Menzer; 1924: 168
- 24 Fichte J G. Fichtes Werke werden zitiert nach der von I. H. Fichte besorgten Gesamtausgabe
(1834–1846). Bd. VII enthält Fichtes „Reden an die deutsche Nation“ von 1809
- 25 Düsing E. „Heilige Selbstsucht“ (Immoralismus) oder Sich-quälen-Lassen vom „Himmel
des Ideals“ (Hypermoralismus)? – Nietzsches Konzept des individuellen Gesetzes. In:
Düsing E, Düsing K, Klein H-D, Hrsg. Geist und Sittlichkeit. Ethik-Modelle von Platon
bis Levinas. Würzburg: Königshausen; 2009: 259–295
- 26 Freud S. Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet, 18 Bde. Frankfurt a. M.: Fischer
Taschenbuch; 1999
- 27 Görres A. Methode und Erfahrungen der Psychoanalyse. München: Kindler; 1965: 200–213
- 28 Nitzschke B. Liebe, Lust und Leidenschaft. Freuds Konzept von Sexualität und Eros. In:
Düsing E, Klein H-D, Hrsg. Geist, Eros und Agape. Untersuchungen zu Liebesdarstellungen
in Philosophie, Religion und Kunst. Würzburg: Königshausen; 2009: 445–460
- 29 Düsing E. Geist, Eros und Agape – eine historisch-systematische Problemskizze. In:
Düsing E u. a., Hrsg. Geist, Eros und Agape. siehe 28, 7–40, bes. 7 ff.
- 30 Düsing E. Modelle der Anerkennung und Identität des Selbst (Fichte – Mead – Erikson). In:
Schild W, Hrsg. Anerkennung. Interdisziplinäre Dimensionen eines Begriffs. Würzburg:
Königshausen; 2000: 99–127
- 31 Schnarch D. Die Psychologie sexueller Leidenschaft. (Original: Passionate Marriage.
Love, Sex, and Intimacy in Emotionally Committed Relationships. Henry Holt and Company,
New York 2006). Übers. von Ueberle-Pfaff M und Trunk C. 6. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta
2008
1 Zu Kants vielschichtiger Konzeption des menschlichen Selbsts vgl. erhellend Heinz
Heimsoeth [2].
2 Dieser Beitrag ging hervor aus einem Vortrag auf dem 18. Wartburggespräch zu: „Ärztliche
Prävention und Epikrise – Ungesagtes fühlbar machen“, 31.1.–2.2.2010 in Bad Nauheim.
Für den übergreifenden Ideenkomplex dieser Tagung sei verwiesen auf das neue Buch
von Wolfram Schüffel [5].
3 Siehe dazu Gerhard Danzer [8]. In den Abschnitten „Vom Wert und Unwert des eigenen Körpers“, „Vom Gedächtnis des … Körpers“,
„Vom Wohnen im eigenen Körper“ (das kein sadomasochistisches Verhältnis von Psyche und Leib sein soll!) zeigt Danzer die Intensität auf, in der
wir eins mit unserem Leib, ja selbst Leib sind. Deshalb wiegen im Kontrast zu einem frühen behutsamen Umgang
mit dem Leib, z. B. im Gestreicheltwerden, das ein Säugling erlebt –, wodurch die
emotionale Grundlage für die Ausbildung von Selbstbejahung gelegt wird –, die Leibentwertung und der Missbrauch so schwer. Denn solche Missachtung gräbt sich tief ins Leibgefühl ein und ruft im Missachteten spätere Selbstdestruktionen
hervor, die begreifbar sind als im Schweregrad proportionale Reinszenierungen des
Erlittenen. Dabei haben „Leib“, „Leben“ und „Liebe“ etymologisch dieselbe Wortwurzel.
4 Zur heilsamen Kraft anerkennender Sympathie für ein katastrophiertes Leib-Seele-Ich
vgl. E. Düsing [9].
5 Zur folgenden etymologisch-ideengeschichtlichen Aufschließung. Siehe den Artikel
„Scham“ von J. Ruhnau [10].
6 Zur antiken Gewichtung der Scham im Kontext des Eros bei Euripides vgl. Markus Janka
[11].
7 Platons Werke [12]. Zu Platons Dialog Protagoras vgl. die nuancierte Deutung von Bernd Manuwald [13].
8 Vgl. Jean-Paul Sartre [14] und dazu Wolfgang Janke [15].
9 Vgl. Eric Robertson Dodds [16]. Dodds thematisiert u. a., implizit Freud nahe, die Flucht vor der Freiheit.
10 Léon Wurmser [18] unterscheidet grundlegend zwischen negativ und positiv erlebter Scham, das ist Schamangst
und depressiver Schamaffekt einerseits und „schützende Schamhaltung“ andererseits,
die zentral ist für die Herausbildung des Wissens vom Selbst als Gewissen und freimütigem
Selbstbewusstsein (XI. ff).
11 Léon Wurmser [18], 389–399. Zur Unterdrückung des Gewissens vgl. auch L. Wurmser [19], E. Düsing: [20].
12 Zur (post)modernen Unkultur eines Nihilismus der Ideallosigkeit, den Nietzsche hellsichtig
vorausgeahnt hat, vgl. Edith Düsing [22].
13 Nietzsche kehrt Spinozas Amor Dei intellectualis Feuerbachisch herum. Spinoza erklärt, dass die Liebe, in der ein Mensch Gott liebt,
nur ein Bestandteil der Liebe ist, mit der Gott sich selbst liebt. Für Nietzsche ist das religiöse Sichgeliebtfinden des Menschen durch Gott bloß überhöhte
Komponente seiner ureigenen Selbstliebe.
14 Siehe Nietzsche [3] KSA 8: 180, 383. – In seinem Roman: Tagebuch eines Landpfarrers (aus dem Französ. übertragen von Jakob Hegner, Einsiedeln 2007, 317 f.) gestaltet
Georges Bernanos die Passionsgeschichte eines von Schmach und Demütigung überhäuften
Lebens, das zum Schluss dennoch in eine – den Leser anrührende – Versöhnung hineinführt.
Deren Quintessenz ist: „Es ist leichter als man glaubt, sich zu hassen. Die Gnade
besteht darin, dass man sich vergisst. Wenn aber aller Stolz in uns gestorben wäre,
dann wäre die Gnade aller Gnaden, sich selbst demütig zu lieben“.
15 Der Religiöse verübt in Nietzsches freigeistiger Sicht eine Phantastik in der Ausdeutung
seiner Motive. Mit der Einsicht aber in solche Verirrung seiner Vernunft und Phantasie
würde er aufhören, gläubiger Christ zu sein. Nietzsche kündet die Sonne eines neuen
Evangeliums, das ein Reich der Freiheit herbeiführen soll, das lautet: „Alles ist Unschuld“; es soll zum Unschuld-bewussten,
sich und andere entlastet fühlenden Menschen hinführen.
16 Zur Würde der Person gehört ihre Freiheit und damit ihr reales schuldig werden Können,
was Freud beachtet. Hiervon abzuheben ist, was für die Psychoanalyse besonders wichtig
ist, die heikle Demarkationslinie ausfindig zu machen, die eine echt moralische Schuld
von scheinbarer Schuld im Schmerz des Sichschuldigfühlens trennt. Einem Menschen ein
wirkliches Schuldigsein ausreden zu wollen hieße ihn als Person verkennen und missachten.
– Zur Sphärenscheidung und wider die Verwechslung von Schuldschmerz und Dressat vgl.
Albert Görres [27].
17 In der Skizze „Muthmaßlicher Anfang der Menschengeschichte“ ([1] VIII, 107–124), eine Genesis-Deutung, deutet Kant u. a. das Sichbedecken mit Fellen als Kultur schaffende Tat.
Für Kant ist (in seinen „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen“)
die Schamhaftigkeit ein „Geheimnis der Natur, die einer Neigung Schranken zu setzen“ sucht, „die sehr
unbändig ist und, indem sie den Ruf der Natur für sich hat, sich immer mit guten,
sittlichen Eigenschaften zu vertragen scheint, wenn sie gleich ausschweift … Sie dient
aber zugleich, um einen geheimnisvollen Vorhang selbst vor die geziemendsten und nöthigsten
Zwecke der Natur zu ziehen, damit die gar zu gemeine Bekanntschaft mit denselben nicht
Ekel … veranlasse in Ansehung der Endabsichten eines Triebes, worauf die feinsten
und lebhaftesten Neigungen der menschlichen Natur gepfropft sind“ ([1] II, 234).
18 Das Ziel der „Schamangst“ ist, so L. Wurmser, das Verschwinden; dies gelingt am leichtesten durch ein sich Verstecken, am radikalsten durch Selbstauflösung
(Suizid), archaisch durch Erstarren in Lähmung oder Stupor, am häufigsten aber durch
ein schlichtes Vergessen von Teilen unserer Biografie ([18] 147).
19 Zur Scham, die dem sich nicht wertgeschätzt Finden des Ichs entspringt und leidenschaftlich stark werden kann, heißt es in Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (§ 76: Von den verschiedenen Affekten selbst, [1] VII, 255): „Scham“ ist ein Affekt der Angst vor der Verachtung einer anwesenden
Person. Man könne sich „auch empfindlich schämen ohne Gegenwart dessen, vor dem“ einer
sich schämt; „aber dann ist es kein Affekt, sondern wie der Gram eine Leidenschaft, sich selbst mit Verachtung anhaltend, aber vergeblich zu quälen“! (Anthropologie
in pragmatischer Hinsicht § 76: Von den verschiedenen Affekten selbst, [1] VII, 255).
20 Für das Folgende s. Freud: Trauer und Melancholie, [26] X, 427–446. Bei der Melancholie, diagnostiziert er, „spinnt sich … eine Unzahl von
Einzelkämpfen um das Objekt an, in denen Hass und Liebe miteinander ringen“, um entweder
die Liebe vom Adressaten zu lösen oder die Liebeshoffnung „gegen den Ansturm zu behaupten“.
Die „Lösung des Leidens“ aber ist schwer herbeizuführen. „Wir sehen, dass das Ich
sich herabwürdigt und gegen sich wütet, und verstehen so wenig wie der Kranke“, wohin
das führen oder wie es sich ändern soll ([26] X, 444 f.).
21 Léon Wurmser: [18], 157 f, 351 f. Mit A. Haynal erläutert L. Wurmser, was unbedingte „Urliebe“ sein
soll, – worin eigentlich fragile menschliche Erosliebe und göttliche Agapeliebe miteinander verschmolzen erscheinen: „primary love: the desire to be loved always,
everywhere, in every way, my whole body, my whole being“! – Zentrale These L Wurmsers
ist, dass (schwere) Psychopathologie zu einem beträchtlichen Teil Schamkonflikte enthält, dass sie jene Konflikte aber auch maskiert und dadurch „die Traumata, die ein sengendes Gefühl des Liebesunwertes verursacht
haben, ungeschehen zu machen sucht und sie doch auch weiterwirken lässt – in zahllosen
vergeblichen Versuchen, Liebe und Anerkennung wiederherzustellen“ ([18] 302). – Zur ideengeschichtlichen und systematischen Differenzierung des Liebesbegriffs
in Eros, Philia und Agape vgl. Edith Düsing [29]. Zur geistseelischen Notwendigkeit des Anerkennens und Anerkanntwerdens und zur Bildung des freien Ichs durch Anerkanntsein vgl. E. Düsing [30].
22 Siehe Léon Wurmser [18], 485 f. „Epilog: Der Heilende“. – Zum Erringen und Bewahrheiten von Mut, offenen Augen und Treue, sowohl dem Anderen als auch sich selbst gegenüber, als Prämissen für wechselseitig
einander beglücken könnende intime körperliche Liebe zwischen Mann und Frau siehe
erhellend David Schnarch [31].
Prof. Dr. phil. E. Düsing
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