Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P761
DOI: 10.1055/s-0029-1238854

Schriftbildveränderungen unter Tiefenhirnstimulation des Globus pallidus internus bei Patienten mit segmentaler Dystonie – Objektivierung einer milden stimulationsinduzierten Hypokinese

C Blahak 1, HH Capelle 1, H Bäzner 1, T Kinfe 1, MG Hennerici 1, JK Krauss 1
  • 1Mannheim, Hannover

Fragestellung: Parkinson-Symptome durch Läsionen des Globus pallidus internus wurden in Einzelfällen nach zerebraler Hypoxie, Pallidotomie und aktuell auch unter pallidaler Tiefenhirnstimulation (THS) berichtet. In unserer prospektiven Serie zur pallidalen THS bei Dystonie berichteten einzelne Patienten eine diskrete stimulationsinduzierte Mikrografie und Bradykinese, vor allem bei hohen Stimulationsintensitäten. Ziel der Studie war eine prospektive quantitative Analyse einer Handschriftprobe sowie einer Spiralzeichnung bei THS-Patienten mit segmentaler Dystonie prä- und postoperativ.

Methoden: Analysiert wurden die maximale Buchstabenhöhe und die Breite einer freien Handschriftprobe mit definiertem Text sowie Durchmesser und Zahl der Windungen einer Spiralzeichnung in einem vorgegebenen Kasten (9×11cm) bei 11 Patienten (Alter 58±14 Jahre) mit segmentaler Dystonie. Die Untersuchung erfolgte präoperativ sowie 12–22 Monate (Median 17 Monate) nach Beginn der THS. Kein Patient zeigte eine Mitbeteiligung der distalen Arm- und Handfunktion im Rahmen der Dystonie, keiner berichtete typische Kapseleffekte unter der THS. Zur statistischen Auswertung wurden ein nichtparametrischer Tests für zusammenhängende Variablen (Wilcoxon-Rangsummentest) sowie der Spearman Rangkorrelationskoeffizient verwendet.

Ergebnisse: Die maximale Buchstabenhöhe verringerte sich signifikant von 15,7±4,0mm (MW±SD) präoperativ auf 12,5±2,2mm unter der THS (p=0,008), die Breite der Handschriftprobe von 121,3±36,1mm auf 103,6±33,7mm (p=0,009). Die Reduktion dieser beiden Handschriftparameter korrelierte dabei nicht mit der gewählten Stimulationsintensität (Buchstabenhöhe: rho=-0,24; p=0,49; Schriftbreite: rho=-0,13; p=0,71). Der mittlere Durchmesser der gezeichneten Spirale änderte sich unter der THS nicht signifikant (64,5±20,9mm zu 65,5±20,9mm; p=0,88), aber die Zahl der Windungen nahm von 5,0±1,5 auf 5,9±1,5 (p=0,02) zu, woraus eine reduzierte mittlere Breite der einzelnen Spiralwindungen resultierte.

Schlussfolgerungen: Eine chronische bilaterale pallidale THS führt zu einer signifikanten Verkleinerung des Schriftbildes bei Patienten mit segmentaler Dystonie. Ursache dieses Phänomens ist am ehesten eine Störung der Basalganglienfunktion im Sinne eines milden hypokinetischen Syndroms als Nebeneffekt der pallidalen THS. Im Gegensatz zu klinischen Beobachtungen korreliert das Ausmaß der Schriftbildveränderungen dabei nicht mit der Stimulationsintensität.