Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P741
DOI: 10.1055/s-0029-1238834

Hepatische Enzephalopathie nach Leberschädigung durch Temozolomid

A Goldbecker 1, AB Tryc 1, H Worthmann 1, J Herrmann 1, P Raab 1, K Weissenborn 1
  • 1Hannover

Hintergrund: Temozolomid ist seit 2005 zur Primärtherapie von Glioblastomen in Kombination mit Strahlentherapie zugelassen. Als Nebenwirkungen im Bereich Leber und Galle werden in der Fachinformation Erhöhung der Transaminasen und der alkalischen Phosphatase genannt, als sehr seltene Nebenwirkung das Auftreten einer Hepatitis. Wir präsentieren den ersten Fall einer schweren cholestatischen Leberschädigung unter Temozolomid mit hepatischer Enzephalopathie.

Kasuistik: Eine bis dahin gesunde 66-jährige Frau fiel im Sommer 2007 durch Sprachprobleme und eine Antriebsstörung auf. Es wurde ein links frontal gelegenes Glioblastom diagnostiziert und exstirpiert. Im Juli 2007 wurde die Strahlentherapie in Kombination mit Temozolomid begonnen. Im Oktober desselben Jahres traten Ikterus und Pruritus auf. Die Radiochemotherapie wurde gestoppt. Die Leber-Biopsie zeigte eine medikamentös-toxisch bedingte Cholestase. Bei zunehmendem Gewichtsverlust erfolgte im Juli 2008 die Aufnahme in die gastroenterologische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Nachdem die Pat. während des stationären Aufenthaltes einen ersten Grand-mal-Anfall erlitt, erfolgte bei eigentlich geplanter Entlassung die Verlegung in die Klinik für Neurologie. Der Ehemann berichtete, dass es zeitgleich mit dem Auftreten des Ikterus zu einer Verlangsamung, Veränderungen des Schriftbildes und Müdigkeit gekommen sei. Die Pat. klagte über zeitliche Orientierungsstörungen. Klinisch zeigte sich ein Reflexverlust der unteren Extremität, eine Dysdiadochokinese, eine Pallhypästhesie bimalleolär, eine Stand- und Gangataxie sowie eine deutliche Asterixis. In der Kernspintomografie des Schädels stellte sich das Pallidum T1-gewichtet hyperintens dar, außerdem zeigte sich im Resektionsbereich eine randständige Kontrastmittelaufnahme. In der Spektroskopie dagegen fand sich bei erniedrigtem Cholin und Kreatin in besagtem Areal sowie in der Perfusionmessung fehlender Steigerung des zerebralen Blutvolumens kein Hinweis für ein Rezidiv. Im PSE-Test erzielte die Pat. -9 Punkte (Norm > -5). Unter Therapie mit L-Ornithin-Aspartat besserten sich motorische und kognitive Einschränkungen. Die Pat. verstarb im September 2008 an einer intrazerebralen Blutung.

Fazit: Motorische und kognitive Defizite bei Patienten mit zerebralen Tumoren sollten nicht zwangsläufig auf den Tumor zurückgeführt werden. Es sollte gleichzeitig eine weitere Differenzialdiagnostik, insbesondere unter Einschluss metabolischer Enzephalopathien, erfolgen.