Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P575
DOI: 10.1055/s-0029-1238669

Propriozeptiv evozierte Potentiale – Analyse hinsichtlich Beginn und Ende passiver Fingerbewegung

T Winkler 1, K Bötzel 1
  • 1München

Fragestellung: Evozierte Potentiale ermöglichen aufgrund ihrer hohen zeitlichen Auflösung vielfältige Anwendungen in der Erforschung sensorischer Systeme. Untersuchungen zu propriozeptiver Wahrnehmung haben ein Modell etabliert, bei dem kortikale Potentiale durch eine passive Fingerbewegung getriggert aufgezeichnet werden (propriozeptiv evozierte Potentiale, PEP). Dabei wurde die resultierende neuronale Aktivität stets auf den Start der jeweiligen Bewegung bezogen. Ziel unserer Untersuchungen war es, die Einflüsse von Geschwindigkeitsänderungen einer passiven Fingerbewegung auf PEP zu bestimmen. Hierfür wurden die aufgezeichneten Signale hinsichtlich Beginn und Ende der Fingerbewegung analysiert.

Methoden: Dreizehn gesunde Probanden wurden mittels einer maschinell ausgeführten Extension im rechten Metacarpophalangealgelenk III propriozeptiv stimuliert. Acht verschiedene Bewegungen (Dauer 20–320ms) wurden mit jeweils 200 Wiederholungen appliziert. Unter Ausschaltung störender Reize wurden die EEG-Signale gemäß dem internationalen 10–20-System linkshemisphärisch (F3, Fz, C3, Cz, P3 und Pz) abgeleitet und aufgezeichnet. Nach einer Mittelung der Kurven erfolgte die Identifizierung einzelner Komponenten der resultierenden PEP.

Ergebnisse: Mit maximalen Amplituden in P3-Fz konnten nach Bewegungsbeginn bei allen Probanden drei Komponenten (Onset-Potentiale) identifiziert werden, bestehend aus P1 (45ms), P2 (85ms) und N1 (150ms). Aus dem Ende der Bewegung resultierten ebenfalls PEP (Offset-Potentiale), hier jedoch mit zwei negativen Gipfeln N1 (75ms) und N2 (110ms). Diese traten ausschließlich dann auf, wenn die Bewegung erst nach mindestens 150ms terminiert wurde. Die Offset-Potentiale waren damit ähnlich konfiguriert wie die Onset-Potentiale, jedoch entgegengesetzter Polarität.

Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse belegen, dass PEP nicht nur durch Initiierung, sondern auch durch die Terminierung einer passiven Fingerbewegung entstehen. Der spezifische Reiz für PEP entspricht damit aus unserer Sicht positiver oder negativer Beschleunigung. Dass diese Offset-Potentiale nur nach langen Bewegungen ableitbar sind, ist durch Überlagerung mit simultanen Onset-Potentialen zu erklären. Ob die konträre Dipol-Ausrichtung im sensomotorischen Kortex auf einen Ursprung aus unterschiedlichen neuronalen Generatoren oder auf eine reverse Aktivierung eines einzelnen Generators zurückzuführen ist, konnte in unseren Untersuchungen nicht eindeutig geklärt werden.