Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P478
DOI: 10.1055/s-0029-1238572

Autonome kardiovasuläre Regulationsstörung bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom und Multiple Sklerose: eine prospektive Längsschnittuntersuchung

P Flachenecker 1, V Leussink 1, C Frischholz 1, J Schoof 1, D Brechtelsbauer 1, K Reiners 1, KV Toyka 1, P Rieckmann 1
  • 1Bad Wildbad, Düsseldorf, Tübingen, Magdeburg, Darmstadt, Würzburg; Bamberg; Vancouver, CAN

Autonome kardiovaskuläre Funktionsstörungen sind häufig bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) und könnten den Verlauf der MS beeinflussen. Allerdings liegen keine Daten in der frühen Phase der MS vor, longitudinale Studien sind selten. Daher wurde die kardiovaskuläre Regulation im Längsschnitt über 2 Jahre bei Patienten mit einem klinisch isolierten Syndrom (CIS), das auf eine MS verdächtig ist, untersucht.

Patienten und Methodik: Innerhalb von 35 Tagen nach Beginn der ersten Symptome wurden 26 CIS-Patienten (Alter 30,6±7,6 Jahre, 16 Frauen, 10Männer) in die Studie eingeschlossen. Die standardisierten autonomen Funktionstests wurden erstmals 4 Wochen nach Ende der Kortison-Stoßtherapie durchgeführt und halbjährlich für 2 Jahre wiederholt. Als Kontrollgruppen dienten 26 gesunde Freiwillige (Alter 30,3±7,6 Jahre, 16 Frauen, 10Männer) und 52 MS-Patienten (Alter 32,5±7,3 Jahre, 32 Frauen, 20Männer) mit einer Krankheitsdauer von 8,1±5,8 Jahren. Die parasympathische Funktion wurde durch die Herzfrequenzvariabilität bei Valsalva-Manöver (VM), tiefer Atmung (TA) und aktivem Aufstehen, und die sympathische Funktion durch die Blutdruckänderung beim aktivem Aufstehen und anhaltendem Faustschluss (FS) bestimmt. Jeder Test wurde mit 0 Punkten für normale, 1 Punkt für grenzwertige und 2 Punkten für abnorme Testergebnisse bewertet und die Einzelwerte zu einem Summenscore (CAS) addiert.

Ergebnisse: Zu Studienbeginn waren die autonomen Testergebnisse der CIS-Patienten denen gesunder Kontrollen vergleichbar. TA (Medianwerte 20,1 vs. 22,5/min), VM (1,63 vs. 1,76), FS (16 vs. 20mmHg) und CAS (1,5 vs. 1) waren nach 2 Jahren verschlechtert. Zu diesem Zeitpunkt waren VM (1,63 vs. 1,89) und FS (16 vs. 21mmHg) in der CIS-Gruppe signifikant niedriger als bei Gesunden; die Werte für FS waren denen der MS-Gruppe vergleichbar. Die autonomen Werte der Eingangsuntersuchung zeigten keine Unterschiede zwischen Patienten, die innerhalb von 2 Jahren eine MS entwickelten (n=8, 44%) und solchen, die stabil blieben (n=10).

Schlussfolgerung: In dieser Studie wurde erstmals die autonome Funktion im frühestmöglichen Stadium der MS untersucht. Da bei CIS-Patienten keine autonome Funktionsstörung nachweisbar war und diese keinen prädiktiven Wert bezüglich der Entwicklung zur MS hatte, kann die Hypothese einer verlaufsmodifizierenden Rolle nicht erhärtet werden. Allerdings zeigte sich, dass beide Schenkel des autonomen Nervensystems frühzeitig im Verlauf der MS betroffen sind.