Aktuelle Neurologie 2009; 36 - M385
DOI: 10.1055/s-0029-1238500

Minor Stroke – wann ist ein Schlaganfall zu harmlos für eine Thrombolyse?

M Köhrmann 1, T Nowe 1, HB Huttner 1, T Engelhorn 1, A Dörfler 1, PD Schellinger 1
  • 1Erlangen

Fragestellung: Auch fast 10 Jahre nach der Zulassung der Thrombolyse wird diese noch zu selten angewendet. Ein häufiger Grund weshalb Patienten, die prinzipiell für eine Thrombolyse in Frage kommen nicht behandelt werden, ist, dass die Symptomatik initial als zu leicht einschätzt wird. Es wird eine Übersicht über die bisherige Datenlage zur Thrombolyseindikation bei Patienten mit „milder“ Schlaganfallsymptomatik gegeben.

Methoden: Im Rahmen einer Literatursuche wurden Arbeiten ausgewählt, die sich mit der Thrombolyse bei Patienten mit leichten Schlaganfällen sowie dem klinischen Verlauf und dem Outcome von unbehandelten Patienten mit milden Symptomen beschäftigen. Zudem wurde in der prospektiv geführten „Erlanger Schlaganfall und Thrombolyse-Datenbank“ 32 Patienten mit einem initialen NIHSS von <5 identifiziert, die mit einer Thrombolyse behandelt wurden. Analysiert wurden Basisparameter, neuroradiologische Daten und das klinische Ergebnis nach 90 Tagen.

Ergebnisse: In der Literatur finden sich viele uneinheitlichee Definitionen für den Begriff „minor“ oder „mild Stroke“. Die zwei am häufigsten verwendeten legen ein Wert von <4 oder <5 auf der NIHSS Skala zugrunde. Mehrere Studien zeigen, dass der natürliche Verlauf in dieser Patientengruppe nicht so gutartig ist wie immer angenommen wird und ca. 30% dieser Patienten unbehandelt entweder eine bleibende Behinderung davonträgt oder gar verstirbt. Es existieren nur wenige Daten zu behandelten Patienten. Im eigenen Kollektiv erreichten fast alle lysierten Patienten (94%) ein exzellentes Outcome (mRS 0–1). Lediglich 2 Patienten trugen eine permanente Behinderung davon, beide Patienten blieben im Alltag jedoch selbstständig. Zu Blutungskomplikationen kam es nicht, es wurde nur eine asymptomatische intrazerebrale Blutung beobachtet. In der initialen Bildgebung zeigte sich bei 46% ein signifikantes Perfusionsdefizit, bei 35% ein intrakranieller Gefäßverschluss.

Schlussfolgerung: Weder nationale/internationale Leitlinien noch die Zulassungsbestimmungen für die Thrombolyse benennen einen unteren NIHSS Wert, unterhalb dessen nicht behandelt werden sollte. Wichtiger als ein bestimmter NIHSS Wert ist die Bewertung der funktionellen Bedeutung der Symptome. Die Thrombolyse bei leichten aber behindernden Schlaganfällen stellt eine zugelassene Therapie dar, die den Patienten nicht vorenthalten werden sollte.