Aktuelle Neurologie 2009; 36 - M250
DOI: 10.1055/s-0029-1238440

Körperliche Aktivität und Gedächtnis im Alter: eine interventionelle Studie

A Flöel 1, C Willemer 1, K Krüger 1, C Breitenstein 1, FC Mooren 1, S Knecht 1, R Ruscheweyh 1
  • 1Münster, Gießen

Fragestellung: Epidemiologische Arbeiten legen einen positiven Effekt von körperlicher Aktivität auf die Gehirnfunktionen nahe, insbesondere im höheren Lebensalter. Tierexperimentelle Studien zeigten, dass körperliches Training molekulare Signalkaskaden aktiviert, die fördernd auf die Gehirnplastizität wirken, eventuell über die Freisetzung spezieller Neurotrophine (1). Bisher fehlen jedoch kontrollierte Studien beim Menschen, welche die Auswirkung von regelmäßiger körperlicher Aktivität auf Gedächtnisleistungen untersuchen und die zugrundeliegenden Mechanismen beleuchten.

Methoden: 62 gesunde ältere Probanden (50–72J., 43 Frauen) wurden in 3 Gruppen randomisiert, und erhielten entweder eine 6monatige Steigerung der körperlicher Aktivität (Gruppe 1 in mittlerer Intensität, Gruppe 2 in niedriger Intensität) oder keine Steigerung körperlicher Aktivität (Gruppe 3). Vor und nach der Intervention wurde die körperliche Aktivität der letzten Woche (validierter Fragebogen (2)) und die aerobe Fitness (Lactatstufentest, Ergometrie), die Gedächtnisleistung sowie der Neurotrophinspiegel im Blut erfasst. Ausserdem erhielten sie eine Kernspintomografie des Gehirns, die mit voxel-basierter Morphometrie ausgewertet wurde (SPM5).

Ergebnisse: Eine Zunahme der körperlichen Aktivität (gemessen in kcal) war assoziiert mit einer verbesserten Gedächtnisleistung, unabhängig von der Intensität der Aktivität und von der (insgesamt nur gering verbesserten) körperlichen Fitness. Ausserdem zeigte sich eine positive Assoziation der Zunahme körperlicher Aktivität mit dem Anstieg des „brain-derived neurotrophic factor“ und mit der erhöhten Dichte der grauen Substanz im präfrontalen und cingulären Kortex.

Schlussfolgerungen: Wir konnten in diesem interventionellen, prospektiven Ansatz zeigen, dass erhöhte körperliche Aktivität, unabhängig von der Intensität, zu einer verbesserten Gedächtnisleistung im Alter führt. Mögliche Mediatoren sind neurotrophe Faktoren sowie eine Zunahme der grauen Substanz in gedächtnis- und aufmerksamkeitsrelevanten Hirnarealen. Diese Befunde können zur Entwicklung von Strategien zur Prävention des alters-assoziierten kognitiven Abbaus eingesetzt werden.

Literatur: 1. Vaynman, S. & Gomez-Pinilla, F. (2006)J Neurosci Res 84, 699–715.

2. Frey, I., Berg, A., Grathwohl, D. & Keul, J. (1999) Soz Praventivmed 44, 55–64.