Aktuelle Neurologie 2009; 36 - M249
DOI: 10.1055/s-0029-1238439

Effekte der tiefen Hirnstimulation bei Tourette-Syndrom oder essentiellem Tremor auf das Riechen

M Kronenbürger 1, J Ilgner 1, U Habel 1, S Zobel 1, P Reinacher 1, V Coenen 1, H Wilms 1, M Kloos 1, K Kiening 1, C Daniels 1, J Herzog 1, M Pinzker 1, G Deuschl 1, L Ackermans 1, Y Temel 1, V Visser-Vandervalle 1, JB Schulz 1, T Hummel 1
  • 1Aachen, Bonn, Heidelberg, Kiel; Maastricht, NL; Dresden

Fragestellung: Die tiefe Hirnstimulation (THS) ist eine etablierte Therapie bei Patienten mit Bewegungsstörungen. Sie kann darüber hinaus genutzt werden nicht-motorische Funktionen der stimulierten Hirnregion zu untersuchen. Nach klassischer Vorstellung ist der Thalamus nicht wesentlich beim Riechen beteiligt. Ergebnisse von einer kleinen Anzahl von Tierexperimenten oder funktioneller Bildgebung legen jedoch eine Beteiligung des Thalamus beim Riechen nahe. Mithilfe der THS des Thalamus wurde diesen Befunden weiter nachgegangen.

Methoden: 20 Patienten mit essentiellem Tremor und THS mit Zielpunkt ventrolateraler (VL) Thalamus sowie 4 Patienten mit Tourette-Syndrom und THS mit Zielpunkt medio-dorsaler (MD) Thalamus wurden mit den Sniffin Sticks untersucht, einer etablierten Methode zur Erfassung verschiedener Riechfunktionen. Die Patienten wurden entweder mit THS-an und dann THS-aus oder in umgekehrter Reihenfolge untersucht. Zur statistischen Auswertung der Vergleiche zwischen THS-an und THS-aus wurde der Wilcoxon-Test verwendet.

Ergebnisse: Die THS des VL-Thalamus führte zu einer Verschlechterung der Riechschwelle (THS-aus: 6,1±2,4; THS-an: 4,6±2,5; p<0,001) während die THS des MD-Thalamus zu einer Beeinträchtigung der Geruchsdiskrimination führte (THS-aus: 11,8±2,0; THS-an: 10,0±2,3; p=0,04). Die Geruchsqualität veränderte sich nicht.

Schussfolgerung: Der VL-Thalamus ist eng mit dem Kleinhirn verschaltet denen beiden vorallem eine Beteiligung bei der Steuerung von Bewegungsabläufen zugeschrieben wird, so dass möglicherweise die Beeinträchtigung der Riechschwelle durch die THS auf eine Modulation einer olfaktomotorischen Schleife zurückzuführen ist. Der MD-Thalamus ist mit dem frontalen Cortex verknüpft, der eine wichtige Rolle bei kognitiven Funktionen spielt. Die Effekte der THS des MD-Thalamus sind darum wahrscheinlich auf eine Modulation von kognitiven Funktionen zurückzuführen, die beim Riechen beteiligt sind. Die Befunde deuten deshalb auf eine indirekte Beteiligung des Thalamus beim Riechen hin. Diese Effekte sind jedoch subklinisch, da keiner der untersuchten Patienten über Riechstörungen als Nebenwirkung der THS berichtete.